Politisch geht es 2013 wieder um viel. Wird Angela Merkel weiter Bundeskanzlerin bleiben? Oder wird auf Sie Peer Steinbrück folgen? Feststehen wird es erst am 22. September. Was jetzt schon feststeht: Mehrere Wochen werden unzählige Wahlplakate die Laternenpfähle der Republik zieren. Zwischen 18 und 43 Prozent des Wahlkampfbudgets werden dafür aufgewendet. Die Wirkung ist umstritten. Im Gegensatz zu Onlinekampagnen. Aber wie ist es um die Onlineaktivitäten der Parteien bestellt?
Was bei den Parteien einen hohen Stellenwert hat, wird von den Bürgern eher wenig geschätzt. In Hamburg gaben 100 Prozent der Bürger an, eine Partei noch nie aufgrund eines Plakats gewählt zu haben. Warum die Parteien nicht danach handeln? Sie wollen es nicht wissen. Nach eigenen Angaben messen zumindest die Parteien in Hamburg den Wirkunsgrad ihrer Wahlkampfinstrumente nicht.
Streuverlust vs. Zielgruppenspezifität
Und so verwundert es auch nicht, dass die Parteien dem Internet, im Rahmen der oben genannten Studie, einen hohen Streuverlust zuordnen. Diese fallen bei Plakaten, nach Aussage der Parteien, welche die Effekte jedoch nicht messen, eher gering aus. Social Media-Experten werden sich zurecht die Augen reiben. Sollte die Politik tatsächlich noch nie etwas von zielgruppenspezifischen Anzeigen via Facebok Ads und Google Adwords mitbekommen haben? Wer dort Anzeigen schaltet kann über ausgewählte Attribute wie Alter, Geschlecht, Ort, Hobbies, usw. seine Zielgruppen genauer erreichen, als dies in der Geschichte des Marketing jemals möglich war. Neuesten Studien zufolge erzielen Premium-Targeting-Kampagnen eine Steigerung der Wirkung um bis zu 100 Prozent. Hinzu kommt die Glaubwürdigkeit von Themen und Inhalten der eigenen Netzwerke. Immerhin Vertrauen 92 Prozent den Facebookinhalten von Freunden und Familie.
Der Vorteil: Eine hohe thematische Affinität verpricht nachhaltige Kommunikation und damit möglicherweise langfristige Effekte auf das Wählerverhalten. Die Frage die sich dabei stellen würde: Wer profitiert mehr? Parteien, die die eigenen Wähler aktivieren möchten? Oder die Parteien, die auf Wechselwähler setzen? Zeigen würde es vermutlich nur die Feldforschung.
Aber bleiben wir beim Streuverlust. Ist dieser wirklich das Ausschlusskriterium? Wie ist es um Involvement und die nachhaltige Kommunikation gestellt? Interessiert die Parteien auch im Onlinedialog, was die Bürger zu sagen haben? Oder ist es Push-Dialog und Push-Marketing à la Wahlplakat?
Punktuelle Aktivitäten
Die neueste Studie von Prof. Andreas Elter an der Macromedia Hochschule für Kommunikation lässt böses erahnen. Er untersuchte die Social Media-Aktivitäten der sechs großen Parteien auf Landesebene bei den Landtagswahlkämpfen 2011. Was offenbar niemandem gelingt: Die Wähler in nachhaltige Dialogaktivitäten einzubinden. Erst recht nicht über den Wahltermin hinaus. Selbst die Piratenpartei zeigt auf Landesebene nur punktuelle Aktivitäten in einzelnen Landesverbänden.
Eine Studienerkenntnis, die den Parteien zu denken geben sollte: Es ist ein linearer Zusammenhang zwischen der Anzahl an Facebook-Posts und der Anzahl von User-Kommentaren oder Likes zu erkennen. Heißt, wer regelmäßig postet, erntet Interaktion und damit Involvement. Was Onlineexperten ebenfalls wenig überraschen wird: Reaktionen auf Kommentare führen zu erhöhter Interaktion.
Dialog? Nein Danke!
Wundert es also wirklich, dass Parteien keinen langfristigen Dialog zustande bekommen? Wohl kaum. Viele Parteien setzen auf punktuelle Aktivitäten vor dem Wahltermin. Ein Widerspruch zum erhöhten Anspruch an Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit seitens der User im Social Web. Stimmvieh war gestern. Ernst gemeinter Dialog und Feedback werden heute und in Zukunft verstärkt erwartet. Das Internet von heute bietet die Grundlage für Partizipation. Nie konnten die individuellen Interessen der Bürger schneller abgefragt werden. Mehr denn je können Parteien und Politiker das Sprachrohr der Gesellschaft sein. Wenn sie denn wollen.
Aber die Parteien wollen nicht. Ein Blick auf die beiden großen Parteien verrät zumindest, dass der Dialog mit dem Bürger klein geschrieben wird. Auf den Facebookseiten von CDU und SPD sind die Beiträge der Nutzer auf den Seiten nicht zugelassen, in den Kommentaren unter den Posts dürfen die Bürger sich alleine austoben. Antworten und Beiträge seitens der Parteien sind Fehlanzeige.
Und auch auf Twitter tritt Ernüchterung ein. Push-Kommunikation so weit das Auge reicht. Nein. Nicht ganz. Bei der SPD twittert der Parteivorstand und erwähnt zumindest @sigmargabriel, bei der CDU die Online-Redaktion, die zumindest den Partei-Vorzeigeonliner Peter Altmaier. Mit anderen Worten: Man bleibt unter sich.
Am Ende bleibt die Feststellung, dass der derzeitige Stand der Onlinekommunikation in Parteien weit weg von Professionalität ist. Onlinestrategen können sich nur wundern. Wir werden sehen, ob die Parteien den Zugang zu knapp 25 Millionen deutschen Facebooknutzern und 825 Tausend aktiven Twitter-Nutzern ungenutzt lassen.
Bildquellen:
Michael Panse, Bodo Ramelow – der Lack ist ab! (Flickr)
Das Grundproblem von Parteien ist, dass die Accounts nicht von der Parteispitze und aktiven Politikern gepflegt werden, sondern von der Online-Redaktion. Jede inhaltliche Anfrage muss also ersteinmal in die Partei gespielt werden und die Antwort muss von dort dann wieder via Social Media beantwortet werden. Die Online-Redaktionen in den Parteien sind schicht nicht „spruchfähig“. Im Gegensatz zu Parteien können Politiker die Netzwerke wesentlich besser bedienen. Viele Politiker nutzen Facebook, Twitter und Co schon sehr gut für den direkten Dialog, siehe hier: http://www.hamburger-wahlbeobachter.de/2013/01/social-media-im-bundestag.html
Stimme mit Ihnen völlig überein. Die Frage die sich jedoch jede
Organisation stellen sollte: Was macht unter den gegebenen
organisatorischen und strukturellen Bedingungen Sinn. Push-Kommunikation
in SoMe ist halt nicht zielgerichtet. Unternehmen würde man unter
gegebenen Umständen wohl eher empfehlen es zu lassen oder die Strukturen
anzupassen.
Daher sollten die Parteien, gemeinsam mit Fraktionen und Politikern
überlegen, wie denn eine passende Strategie aussehen könnte. Immerhin
wissen wir, dass die Kommunikation von Person zu Person auf Facebook um
einiges besser funktioniert. Was wiederum für Ihre Feststellung spricht.
Schwierigkeiten habe ich mit der Kombination “Viele” und “gut”. Meine
Erfahrung zeigt, dass zwar Seiten bestehen, die aber nicht mit
kanalgerechtem Content gefüttert (Stichwort Pressemitteilungen) oder
nicht von den Politikern selbst gepflegt werden, usw.
Sicherlich gibt es hier gute Ausnahmen. Ich würde das aber nicht in der Breite sehen.
Was denken Sie?
Die Frage ist ja auch immer wie man Erfolg definiert 😉
Ich persönlich kenne die Social-Media-Strategien der Parteien und Politiker leider nicht, von daher ist ein Urteil von außen immer schwierig.
Ich würde aber meine Aussage, dass es auch in der Breite schon erfolgreiche Kommunikation gibt nochmal unterstreichen. Die Politiker die sich für aktive Social-Media-Arbeit entschieden haben, ihre Seiten selber pflegen und das die dialogorientierte Kommunikatoon wirklich leben, machen das in überwiegendem Maße sehr gut und sehr erfolgreich.
Von den zitierten 86% MdB mit Social-Media-Account fallen ca.15-20% in die Kategorie „Aktive“ und diese machen das dann sehr sehr ordentlich.
Mehr dazu dann auch bald auf http://www.hamburger-wahlbeobachter.de 😉
Ein spannender Artikel, der sich schön mit der Online Kommunikation der Parteien in Deutschland auseinander setzt. Ich denke viele scheuen den Aufwand der entsteht, wenn eine funktionierende Online Strategie entwickeln will. Vielleicht spiel hier auch die Angst rein, dass gerade Soziale Netzwerke schwerer gesteuert werden können, wenn es einen Shitstorm oder ähnliches gibt.
Ich habe gerade einen Artikel über die Grundlagen von Online-Kommunikation veröffentlicht: http://www.magronet.de/2013/06/online-kommunikation/
Vielleicht sollte der eine oder andere Stratege sich noch einmal näher mit den Möglichkeiten der Online-Kommunikation auseinander setzen. 😉