Debatten sind dynamisch und flüchtig. Ihre detaillierte Beschreibung ist immer eine Momentaufnahme und natürlich unvollständig, weil sich das, was beschrieben wird, kontinuierlich verändert. Grenzen zwischen Wirtschafts- und Finanzblogs, Corporate- und Beratungsblogs etc. verfließen. Die nachfolgende Blogliste ist deshalb kein Ranking, sondern die detailliertere inhaltliche Aufbereitung der Chats und Gespräche, die ich mit den in der Debatte viel zitierten Bloggern, Journalisten und Wissenschaftlern geführt habe.
Der Blicklog des Unternehmensberaters und Finanzexperten Dirk Elsner ist ein pragmatischer Zeitspiegel für die Interpretation großer Ereignisse und ihrer konkreten Auswirkungen. Wer wissen will, was europäische Gipfelbeschlüsse für Unternehmensfinanzierung und Risikomanagement bedeuten oder welche Auswirkungen EU-Beschlüsse oder Basel III auf das Bankwesen haben, findet auf dem Blicklog meist tagesaktuelle Aufbereitungen, in denen sehr Komplexes sehr pragmatisch eingeordnet wird.
DieWunderbareWeltderWirtschaft des Langzeitbloggers Egghat ist ein Blog-Investigator für Hintergründe und Statistiken hinter den Alltagsthemen. Seine Interpretationen, Link-Historien und Quellensammlungen sind fundiert, pointiert von hohem genuinem Mehrwert und werden auch von vielen Journalisten gelesen und geschätzt. Gelegentliche Links und Zitate auch von Journalistenseite wären deshalb mehr als angemessen.
Economics Intelligence, von Olaf Storbeck, dem Londoner „International Economics Correspondent” des Handelsblatts, ist ein Beispiel dafür, dass sich Qualitätsjournalismus und Blogs wunderbar ergänzen können. Olaf Storbeck mischt in seinen Blogbeiträgen journalistische Akribie und wissenschaftliche mit angelsächsischem Pragmatismus und Meinungsjournalismus. Er beleuchtet wirtschaftswissenschaftliche Hintergründe, neue Studien und Aufsätze genauso wie interessante digitale Debatten, liefert analytische Seitenblicke zu neuen Trends und zur Tagesagenda und vernetzt lesenswerte News transnational auf Twitter.
Der Fazit-das Wirtschaftsblog der FAZ nutzt die Darstellungsvielfalt des Bloggens für debattenträchtige Themen, Analysen und Meinungen in Ergänzung zum wirtschaftspolitischen Tagesgeschehen. Auf Fazit werden klare Positionen bezogen vor allem Interpretationen zu wirtschaftlichen Themen geliefert, die die „reine Berichterstattung“ anreichern. Vor allem Patrick Bernau und Gerald Braunberger schalten sich auch als Kommentatoren oder per Replik in die virtuelle Ökonomie-Debatte auf Blogs ein.
Der Handelsblog des Handelsblatts ist ein Fenster zur virtuellen ökonomischen Fachdebatte, der den Diskurs zu aktuellen Themen reflektiert und selbst Diskursbeiträge mit Verve, Schärfe und Meinung beiträgt. Auf dem Handelsblog finden sich auch interessante Querblicke zur ökonomischen Netzdebatte, wie beispielsweise ein Ökonomen-Ranking auf Twitter. Die Beiträge werden vergleichsweise gut kommentiert und bringen zumindest teilweise Linkverweise in die Blogosphäre.
Der Herdentrieb einiger Zeit-Journalisten und Doktoranden der Wirtschaftswissenschaften hat eine eigene Blogmission: Zu ergründen „wie der Kapitalismus funktioniert“ und die Dogmen und blinden Flecke der wirtschaftswissenschaftlichen Wahrnehmung aufzudecken. Der Name Herdentrieb verweist auf die teilweise irrationalen Bewegungen und Entscheidungen vor allem auf den Finanzmärkten, die hier diskutiert und reflektiert werden sollen. Im Netz gibt es ein positives Äquivalent zum Herdentrieb: den Wisdom of crowds, bei dem Ergebnisse durch kollektive Intelligenz und Kollaboration erzeugt werden – das wäre die Netzwerkvariante zur Kapitalismusanalyse.
Kantoos economics ist eine interessante und viel beachtete Blog-Schnittstelle in mehrfacher Hinsicht: kantoos wird spätestens seit dem Hinweis des Nobelreisträgers Paul Krugman (der sich angeblich deutsche Beiträge per google translator übersetzen ließ) international beachtet und in der deutschen und englischen Blogosphäre zitiert. Der Doktorand und Nachwuchsökonom schreibt an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Wirtschaftspolitik und löst mit Kenntnis und nonkonformen Ansichten regelmäßig intensive Diskussionen aus.
Die Ökonomenstimme ist eine Blog-Plattform von Wirtschaftswissenschaftlern, Praktikern und Journalisten, auf der viele unterschiedliche Themen und Beiträge behandelt werden. Die Ökonomenstimme wurde unter anderem von Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, mitbegründet. Hier soll der Wirtschaftswissenschaft eine allgemein verständliche Stimme verliehen werden, die Komplexes aus Forschung und Praxis öffentlichkeitstauglich und diskussionsfähig aufarbeitet. Das gelingt recht gut und die Ökonomenstimme ist damit ein Pionier bei den Institutionellen Blogs. Hoffen wir, dass mit der ökonomischen Stimmgewalt auch die Offenheit für den Diskurs wächst.
Der Pixelökonom ist ein Grenzgänger zwischen Wirtschaft, Digitalität und undogmatischen Denkweisen. Hier werden neue Netzprojekte, interessante Blogs und Vodcasts vorgestellt, oder die „kleinen und großen Lebensfragen“ wirtschaftlich unter die Lupe genommen.
Die Querschüsse sind ein volkswirtschaftlicher Blog, der viel Statistik und Dateninterpretation als Hintergrund zu aktuellen Ereignissen liefert. Schwerpunkthemen wie die wirtschaftliche Situation Griechenlands, ausgewählte Rohstoffpreise oder die Entwicklung von Staatsrenditen werden thematisch gebündelt und mit vielen Statistiken hinterlegt.
Die Verlorene Generation stellt sich am besten selbst vor: „Die vorherigen Generationen, die Spaßgesellschaften und Freizeitrevolutionäre haben uns ausgeplündert. Sie verprassten alles und vererbten nichts. Wir werden das, was übrig blieb kommentieren. Manchmal ist die Wirklichkeit schneller als die sie kommentierenden Blogs. Die natürlichen Schwerpunktthemen der Verlorenen Generation: Staatsverschuldung und Länderrisiken, auf Facebook auch Verweise und Kommentare zur Occupy Bewegung.
Die Wirtschaftliche Freiheit ist ein gemeinschaftlicher Programmblog mehrerer VWL- Professoren und einiger Gastautoren. Die Autoren sehen sich vor allem in der ordnungspolitischen Tradition und nutzen den Blog als eine Art Themen- und Meinungsventil aus dem wissenschaftlichen Betrieb heraus: Scharf, gehaltvoll und politikkritisch – leider noch recht solitär in der Blogdebatte.
Das Wirtschaftswunder von Wirtschaftsredakteuren der Financial Times Deutschland und Gastautoren mischt wirtschaftspolitische Positionen mit Nachdenklichem aus dem persönlichen Backstage der Redakteure und bietet mehrere Kolumnen als eine Art digitales Magazin an.
Der Wirtschaftswurm ist ein feuilletonistisch-kritischer Ökonomieblog mit Reflexionen zu Politik und Wirtschaft, mal makroökonomisch, mal zu konkreten wirtschaftspolitischenInitiativen. Der aktuelle Beitrag zu den Facetten und Falltüren des Wirtschaftswachstums charakterisiert den Wirtschaftswurm ganz gut.
Für diese Blogroll habe ich ziemlich willkürliche Grenzen gezogen und Auswahlen getroffen. Wer spannende Wirtschaftsblogs mit einem weiteren Fokus oder anderen Schwerpunkten finden will, sei auf die Mindmap zur wirtschaftlichen Blogosphäre von Dirk Elsner verwiesen.
Meine persönliche Erkenntnis aus der Debattenbeobachtung und den Diskussionen, die ich für diese Beiträge geführt habe:
- Die Debatte und die Gemeinde aktiver, gut vernetzter Blogger ist klein, aber qualitativ schon weiter entwickelt, als sich die Blogger selbst wahrnehmen. Vernetzungs- und Sozialisierungsdefizite bestehen (derzeit noch) stark bei vielen Medien- und institutionellen Blogs. Dafür gibt es zum Teil recht pragmatische Gründe – für mehr Vernetzung gäbe es die aber auch (siehe den 2. Teil dieser Serie).
- Ökonomie ist eine Sozial- und Interpretationswissenschaft und zwar viel mehr als das nichtwissenschaftliche, Zahlen averse Publikum glaubt. Das heißt auch, dass die Debatte, die sich hoffentlich in der Blogosphäre weiter entzündet, wichtig ist – wichtiger vielleicht als die vielen Einzelanalysen.
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Hallo bin
auf meiner Suche auf diese Seite gestoßen und wollte sie euch nicht
vorenthalten
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Ich finde diese Kondition sehr interessant und an sich macht
das schon Sinn.
Tatsächlich denke ich, dass die Linien zwischen den verschiedenen Arten von Wirtschaftsblogs, wie im Artikel beschrieben, noch stärker verwischen könnten, als es derzeit der Fall ist. Die vorgestellte Blogliste bietet einen hervorragenden Überblick und zeigt, wie vielfältig die Perspektiven auf wirtschaftliche Themen sein können. Insbesondere die Rolle von Blogs im Qualitätsjournalismus, wie am Beispiel von Economics Intelligence illustriert, zeigt, dass Blogs weit mehr als nur eine Ergänzung zu traditionellen Medien sein können. Sie schaffen es, tiefgehende Analysen mit einer persönlichen Note zu verbinden, was die Diskussion um ökonomische Debatten bereichert.