Heinz Wittenbrink unterrichtet an der FH Joanneum in Graz Online-Journalismus und Soziale Medien und leitet dort das "Web Literacy Lab". Davor war er für Verlage und dann für eine Webagentur tätig. Er hat Bücher über Markupsprachen und Nachrichtenformate im Web verfasst. Für den PR-Blogger schreibt er über Fragen der Medienkompetenz in Unternehmen und untersucht, wie sich die Rollen von Journalisten und Kommunikatoren in der digitalen Welt verändern.

Interview: Monitoring ist die Basis einer guten Social Media Strategie

6 Minuten Lesedauer

Foto: Patrick Lenz/flickr

Foto: Patrick Lenz/flickrWie kann ich feststellen, ob die Botschaft, die ich verbreite, überhaupt bei meiner Zielgruppe ankommt? Und wie kann ich als Unternehmen eine Verbindung von meiner Social Media Kommunikation zu meinem Verkauf herstellen? Denn Zugriffe allein bedeuten nicht sofort unternehmerischen Erfolg. Die eigenen sozialen Aktivitäten im Netz zu messen ist heute ein zentraler Bestandteil einer stringenten Kommunikationsstrategie. Professionelle Monitoring-Methoden haben inzwischen das Versuchsstadium hinter sich gelassen. Noch kämpfen aber viele Unternehmen damit, klare Strategien zu formulieren und Ziele zu setzen, wie sie auf Facebook, Twitter und Co. agieren sollen.

Roland Fiege ist Unternehmensberater mit einem Schwerpunkt Measuring und Social Media Monitoring in diesem Bereich. Helena Zottman und Levin Wotke haben ihn für den PR-Blogger interviewt.

Warum ist Monitoring im Social Media so wichtig?

Roland Fiege: Eine Social Media Strategie ohne Monitoring ist wie Autofahren durch den Rückspiegel. Man bemerkt die kritischen Themen erst, wenn sie sich hochgeschaukelt haben oder wenn es zu spät ist. Die Grundidee besteht darin, soziale Netze zu durchsuchen um User-generated Content auszuwerten. Im Bezug auf seine Produkte, seine Marke, seine Reputation oder seine Mitbewerber. Wenn wir das historisch betrachten: Es gab schon immer Log-File Analysen von Webservern, bei denen man festgestellt hat, was auf dem eigenen Server los war. Über Web-Analytics konnte man feststellen, was die Nutzer auf den Seiten machen, wenn sie dort sind. Ich konnte also recht gut die von mir selbst ins Netz gestellten Inhalte überwachen und Interaktionen auswerten. Da sich durch den Siegeszug der sozialen Medien jetzt viele Millionen Menschen in den Netzwerken aufhalten und dort auch sehr viele Konversationen über Produkte, Marken, Firmen, Berufe und viele weitere Themenfelder stattfinden, ist dieser Bereich ein sehr wichtiger Daten- und Informationslieferant für eine Organisation. Daher ist Social Media-Monitoring in seinen unterschiedlichsten Anwendungsfeldern ein wesentlicher Bestandteil einer Social Media Strategie.

Welche Probleme können sich bei Firmen ergeben, die Social Media-Monitoring betreiben?

Fiege: Zuallererst ist notwendig, das Erkenntnisziel festzulegen, also zu definieren, wonach das Social Web gemonitort werden soll. Das ist eigentlich das Allerwichtigste. Es ist sinnlos, einfach Social Media-Monitoring aufzusetzen, wenn man nicht weiß, welche Ziele man verfolgt. Social Media-Monitoring ist immer Bestandteil einer stringenten Social Media-Strategie. Wenn man ein Lexikon auf irgendeiner Seite aufschlägt, hat man zwar irgendetwas herausgefunden, aber wenn ich etwas Bestimmtes wissen will sollte ich im Vorfeld das gewünschte Erkenntnisziel definieren. Von den Zielen ist es auch abhängig, für welchen Monitoring Dienstleister man sich letztlich entscheidet. Einige Monitoring Dienstleister haben Ihre Wurzeln im Bereich Web-Analytics, andere kommen eher aus dem Bereich Marktforschung oder Kampagnenmanagement.

Welche Tools oder Programme können Sie denn momentan empfehlen?

Fiege: Zum einen gibt es sehr viele frei verfügbare Tools wie Netvibes oder Social Mention oder auch Funktionalitäten wie Twitter Search oder Open Facebook Search. Ebenso kann man sich mit Google Alerts und einer iGoogle-Startseite relativ einfach einen rudimentären Social Media Newsroom zusammenstellen. Damit bekommt man erst einmal mit, ob überhaupt über meine Marke gesprochen wird. Ich kenne aber auch Firmen, die relativ intensiv Wettbewerbsbeobachtung betreiben. Sie abonnieren RSS-Feeds oder legen bestimmte Alerts an, die auf einem internen Portal zusammenlaufen, wo Vertrieb und Produktentwicklung immer wieder nachlesen können, was im Wettbewerb so passiert. Das sind die kostenfreien Möglichkeiten – ohne allerdings tiefer ins „Deep-Web“ eindringen zu können. Also die Bereiche, die eine Suchmaschine nicht ohne weiteres indexiert hat. Wer sich nicht auf die Suchergebnisse der Standard-Suchmaschinen beschränken will, benötigt einen professionellen Dienstleister. Die angebotenen Services reichen von digitalem Presseclipping bis hin zum Full-Service Beratung für unterschiedlichste Bereiche (Marktforschung, Reputations-Management, redaktionelle Unterstützung, Kampagnen-Controlling, Wettbewerbsanalyse, uvm).

Gibt es auch so etwas wie unseriöse Dienstleister im Monitoring Bereich und wenn ja, wie kann man diese erkennen?

Fiege: Ich würde es eher im preislichen Bereich unterteilen: Erst einmal gibt es eben diese freien Tools. Daneben gibt es Technologiedienstanbieter, die einem eine Art Selbstservice Tool zur Verfügung stellen. Dabei muss das Unternehmen selbst komplexe Suchterme erstellen, die Findings bearbeiten und auch die Sentiment-Analyse selbst noch einmal überprüfen. Da bindet man natürlich auch entsprechend interne Ressourcen. Diese Dienste liegen pro Jahr irgendwo zwischen sieben- und zwölftausend Euro.
Wenn man aber einen professionellen Service in Anspruch nimmt, machen Research-Analysten genau diese Arbeit für das Unternehmen. Dabei analysieren sie jeden Post, der zu den angegebenen Suchbegriffen gefunden wird, und kategorisieren dann in positive, neutrale oder negative Meldungen. Wenn etwa Diffamierungen, Vertrags- oder Logoverletzungen stattfinden, kann dort im Bereich Reputationsmanagement auch direkt mit den Betreibern des Forums oder des Networks besprochen werden, wie man mit diesen Einträgen am besten umgeht. Wer systematisch Marktforschung im Social Web betreiben will, lässt sich ggf. monatlich einen Report erstellen um zu erfahren, wie sich die eigene Marke im Vergleich zu Mitbewerbern entwickelt.

Was sehr wichtig ist beim Social Media-Monitoring ist das sogenannte Quellenset. Das Quellenset beinhaltet die im Internet frei verfügbaren Social Media Quellen, die analysiert und erfasst werden können. Diese Daten sammeln Crawler und Robots ein. Es gibt nur sehr wenige Anbieter, die eigene Crawler haben und die Daten erheben, in den meisten Fällen werden Subdienstleister beauftragt, die das machen. In diesen Quellensets sind sehr häufig lediglich die frei verfügbaren Quellen enthalten. Das heißt: Alles was man manuell potentiell auch bei Google Alerts, Google Search, Bing Search, Yahoo Search – oder Boardreader für den Bereich Foren einsammeln könnte, haben diese Anbieter in ihrem Quellenset. Sehr wichtig ist es aber, vor allem als B2B Kunde mit ganz speziellen Produkten, dass das Quellenset vom Monitoringteam entsprechend an die Bedürfnisse angepasst wird. Im deutschsprachigen Raum finden sehr viele Konversationen in Foren statt, meistens sind die aber erst einmal geschlossen. Das heißt, wenn man dort Monitoring aufsetzen will, um herauszufinden: „Wer redet da über uns?“, muss man auf die Forenanbieter zugehen und um Erlaubnis fragen, ob man die Daten herausziehen darf. Oft muss eine spezielle Software Anpassung vorgenommen werden, um dieses Quellenset mit entsprechender Datenqualität einbinden zu können. Diese Dienstleistungen bietet im Normalfall ein professioneller Monitoring Anbieter.

Was glauben Sie sind die wichtigsten Trends im Monitoring Bereich?

Fiege: Momentan ist es noch so, dass um die 80 Prozent der nachtragenden Seite von Monitoring-Dienstleistungen anfänglich im Bereich Unternehmenskommunikation liegen. Es ist aber durchaus ein Trend zu erkennen, dass die Erkenntnisse, die aus dem Social Media-Monitoring gewonnen werden, noch in viele andere Abteilungen hineingetragen werden. Ich sage immer gerne, dass die Abteilung, die das Social Media-Monitoring betreibt, als ganzheitlicher Informations-Provider für die Firma tätig wird. Man bekommt relativ schnell Input zur Produkt- oder Qualitätsverbesserung und auch für den Support und das CRM ist Social Media Monitoring von höchstem Interesse. Dies führt zu einer fortschreitenden Integration von Erkenntnissen aus dem Social Web in interne Systeme und Prozesse. Den Anfang macht dabei der Bereich Kundenservice, der mit Hilfe von Social Media Monitoring unzufriedene Kunden identifizieren kann und proaktiv adressieren kann. Social Support-Kanäle via Twitter und/oder Facebook, werden meiner Meinung nach in 2011 und 2012 stark zunehmen.

Woran sind Ihre Kunden interessiert?

Fiege: Meine Kunden wollen in erster Linie wissen, wie sie Social Media in die Wertschöpfungskette ihrer Organisationen einbinden können. Dabei geht es meist um strategische Fragen – also eher Unternehmensberatung. Dabei fällt naturgemäss oft die Frage, wie man die Investitionen im Bereich Social Media mit einem ROI (Return on Investment) ins Verhältnis setzen kann und dort eine Effizienzbetrachtung hinbekommt. Es ist immer eine Herausforderung, qualitative Effekte in quantitative Zahlen umzuwandeln. Um gewisse Investitionen zu rechtfertigen, sind CPC/CPL-Ansätze (Kosten per Click, Kosten per Lead) im Vormarsch.

Angenommen, Sie geben 3.000 € im Monat für Personal aus, das Social Media Kanäle mit Inhalten befeuert. Sie setzen dann die Anzahl der Klicks, die sie aktuell auf Ihrer Zielseite erreichen, ins Verhältnis mit der Anzahl der Klicks, die Sie erreichen könnten, wenn Sie das gleiche Geld in Google Adwords oder Social Ads auf Facebook stecken würden. Die Frage ist also, ob Sie Geld für Mehrwert Content im Bereich Content Marketing oder Geld für den Bereich Advertising ausgeben. Aktuell geht der Trend in Richtung Mehrwert Content.

Sie haben jetzt den Return on Investment angesprochen. Wie kann man mit der Balanced Score Card, von der Sie öfters sprechen, auf den ROI Bezug nehmen?

Fiege: Die BSC ist in erster Linie eine Management Methodik und steht für das Grundprinzip „Strategy into Action“, welches bedeutet, dass mit Hilfe der BSC Vision und Strategie eines Unternehmens in qualitative und quantitative Zielsetzungen umgesetzt werden sollen. Der ursprüngliche Ansatz der BSC besteht darin, dass vier Blickrichtungen geschaffen und in ihren Zusammenhängen untersucht werden. Dazu zählen die Kundenperspektive, die Perspektive der internen Geschäftsprozesse, die mitarbeiterbezogene Lern- und Entwicklungsperspektive und die finanzielle Perspektive. Social Media hat das Potential zu einem wichtigen Wert Treiber für die o.g. Perspektiven zu werden, wenn man es strategisch sinnvoll einbindet. Entschlüsselt man also die Werttreiber von Social Media in den unterschiedlichen Perspektiven, so lässt sich ein ROI durchaus ermitteln.

Was glauben Sie, werden für Journalismus und PR Studenten und Anfänger die wichtigsten Themen sein?

Fiege: Ich denke, Sie werden eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, für Unternehmen Mehrwert Content und nutzenspendende Inhalte, statt einfach nur Werbetexte zu schreiben. Das ist einer der wichtigen Punkte. Man braucht für Social Media Marketing sehr viel Inhalt, das macht es für Ihre Branche zu einer neuen Herausforderung. Es ist, finde ich, eine sehr schöne Herausforderung, denn wenn wir im Vergleich sehen: gute Texte und Inhalte vs. Investitionen in Bannerwerbung oder Adwords ist das eine Arbeit, die sehr viel mit Texten und journalistischer Arbeit zu tun hat.

Da sehe ich die große Chance, die zwar nicht im Printbereich liegt, sondern eben im laufenden Erneuern interessanter Inhalte. Die Schwierigkeit im Social Media Marketing liegt ja genau darin laufend neue und interessante Inhalte bieten zu müssen, um seine Fans bei der Stange zu halten. Das ist die Aufgabe Ihrer Zunft.

Zur Info: Bald kommt ein Leitfaden zum Thema Social Media Monitoring heraus (Hrg. Bundesverband der Digitalwirtschaft, BVDW). Diesen hat Roland Fiege mitinitiiert und wurde inhaltlich von zahlreichen Anbietern unterstützt. In diesem Leitfaden geht es ziemlich genau die Fragestellung in diesem Interview, weniger darum, Features oder Programme vorzustellen. Das Dokument von 15 bis 20 Seiten beinhaltet das wichtigste zum Thema, und macht es den Firmen so leichter, den richtigen Anbieter für ihr Anliegen schneller zu finden.

Helena Zottmann

Levin Wotke studiert Journalismus und PR an der FH Joanneum Graz
Helena Zottmann und Levin Wotke studieren Journalismus und PR an der FH Joanneum Graz
Heinz Wittenbrink unterrichtet an der FH Joanneum in Graz Online-Journalismus und Soziale Medien und leitet dort das "Web Literacy Lab". Davor war er für Verlage und dann für eine Webagentur tätig. Er hat Bücher über Markupsprachen und Nachrichtenformate im Web verfasst. Für den PR-Blogger schreibt er über Fragen der Medienkompetenz in Unternehmen und untersucht, wie sich die Rollen von Journalisten und Kommunikatoren in der digitalen Welt verändern.

6 Replies to “Interview: Monitoring ist die Basis einer guten Social Media…”

  1. „Zuallererst ist notwendig, das Erkenntnisziel festzulegen, also zu definieren, wonach das Social Web gemonitort werden soll.“
    —Geht es nicht eher darum flexibel zu bleiben und Inputs aus den Communitys aufzunehmen und allenfalls in die Kommunikationsplanung mit einfliessen zulassen? Vordefinierte Ziele und Vorgaben sind ja sicher notwendig, aber man verpasst wohl Chancen wenn man schon zu Beginn festlegt, was man feststellen will!

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