Social Media kostet richtig viel Zeit, wenn Sie es gut machen wollen. Blogs, Facebook, Xing und Twitter sind längst nicht nur "nice to have". Es sind Zeitfresser, die uns an unsere persönlichen Grenzen stoßen lassen. In der Regel ist eine Stunde pro Kommunikationskanal im Minimum notwendig, um professionell Social Media zu betreiben. Das sage ich immer deutlich, um klar zu machen, dass niemand Social Media ganz nebenbei machen kann. Wer weniger Zeit auf diese Kommunikationsaktivitäten verwendet, wird auch seine Erwartungshaltung entsprechend gewichten müssen und mit geringeren Erfolgen zufrieden sein müssen.
Manchmal wird einem selbst Social Media zuviel. Das ist ein Grund für mich gewesen, in letzter Zeit etwas weniger zu bloggen. Schließlich bin ich auf zahlreichen Veranstaltungen und in der Beratung meiner Kunden aktiv. Für einen Kommunikationsberater wie mich ist es nach wie vor sehr wichtig, die neuesten Informationen zu seinem Thema intellektuell zu verarbeiten. Als Quasi-Abfallprodukt dieser Recherchen und Lektüren fallen schnell einmal Tweets und Facebook-Updates an, die ich im Laufe des Tages veröffentliche. Doch für einen strukturierten Blogbeitrag ist mehr Konzentration erforderlich. Aus diesem Grunde ist die Zahl meiner PR-Blogger-Beiträge etwas zurückgegangen.
Ich twittere, facebooke und blogge seit vielen Jahren relativ konstant sehr viel. Das erstaunt ob der Menge viele Menschen und führt auch zu Büchern wie mein aktuell publiziertes Werk "Transparent und glaubwürdig", indem ich den Nutzen von Social Media für das Online Reputation Management für Unternehmen aufzeige. Natürlich ist das zeitintensiv.
Sollen Unternehmen Menschen als Mitarbeiter einstellen, die es gewohnt sind, jeden Tag viele Stunden in Social Media zu investieren? Vor kurzem hat Mitch Joel dazu einen lesenswerten und selbstkritischen Artikel veröffentlicht: "Is Twitter Killing You?", in dem er sich mit der Kehrseite des Erfolges eines Social Media Addicts auseinandersetzt. Seine Argumente wirken sehr schlüssig und werden mit Sicherheit den ein oder anderen aufstrebenden (potentiellen) Social Media Manager nachdenklich stimmen.
Viele Menschen unterschätzen die Zeit und Energie, die es braucht, um im Social Web erfolgreich zu werden, einen Personal Brand aufzubauen und diesen Zustand danach auch beizubehalten. Zwar macht sich der Aufwand definitiv bezahlt, jedoch bringt ein großes Netzwerk auch seine Schattenseiten mit sich. Es entstehen Erwartungshaltungen und Verpflichtungen. Joel sieht sich jedes Mal online mit dem Social Media Äquivalent von Heuschrecken konfrontiert. Es bedarf in der Tat ein effizientes Einschätzungsvermögen und Zeitmanagement, um die vielen Informationen und auch das positive wie negative Feedback zu bewältigen, der in kurzer Zeit im Social Web zusammenkommt. Das erfordert nicht nur stabile Persönlichkeiten, sondern auch ein gutes Selfmanagement, um sich von der eigenen Arbeit nicht ablenken zu lassen. Diese besteht in der Regel auch aus Prozessen, die nichts mit dem Publizieren von Content zu tun haben. Hierfür sind erhebliche persönliche Ressourcen im Arbeitsleben erforderlich.
Wer sich eine bekannte Personenmarke aufgebaut hat, wird sich genau überlegen müssen, bei welchem Arbeitgeber er aus Karrieregründen arbeiten sollte und wo nicht. Schließlich wird seine berufliche und persönliche Rolle sich sehr schnell vermischen, wenn derjenige als Markenbotschafter des Unternehmens fungiert. Das hat vor einigen Wochen Robindro Ullah in seinem lesenwerten Blogartikel "Mein Leben als Markenbotschafter" auf den Punkt gebracht:
"Robindro Ullah und die Deutsche Bahn – zwei mittlerweile eng verknüpfte Namen, so eng, dass man kaum einen Google-Treffer auf meinen Namen findet, der nicht auch Deutsche Bahn enthält. Die Fotos von mir, die man findet, tragen das DB Logo und der Toast, den ich mir morgens mache, wird natürlich ebenfalls gebrandet . Ist das zu viel, ist das ansteckend, kommt man da wieder raus?"
Google und andere Suchmaschinen machen keinen Unterschied zwischen privater und beruflicher Rolle. Aufgrund der aktuellen Entwicklung in der Social Media Welt müssen Mitarbeiter in Marketing, PR, Journalismus, HR, Kundenservice und Vertrieb zunehmend damit rechnen, dass sie öffentliche Aufgaben als Markenbotschafter übernehmen müssen. Das wird nicht wenige überfordern.
Doch falls Sie noch nicht in einem Social Media Unternehmen arbeiten, wird der eine oder andere Chef/ Kollege sich fragen, woher Sie die Zeit nehmen, ständig im Social Web aktiv zu sein. Denn die Transparenz, die Social Media mit sich bringt, gilt natürlich auch für Vorgesetzte. Diese können dann genau nachvollziehen, wann Sie für Ihr Unternehmen und wann für sich selbst online aktiv waren. Wenn das nicht im Gleichgewicht zueinander steht, könnte darunter Ihr persönlicher Ruf intern leiden. Schließlich wollen Unternehmen in der Regel Teamplayer, die sich mit den Unternehmenszielen identifizieren und nicht zu sehr auf eigener Rechnung unterwegs sind.
Eine hohe Produktivität für den Personal Brand ist dennoch eher Segen als Fluch. Wer eine starke Persönlichkeit und ein großes Netzwerk aufgebaut hat, von dem profitiert jeder Arbeitgeber. Es kommt hierbei vor allem auf das richtige Verhältnis und aufs Vertrauen an. Künftig gilt noch mehr denn je: Arbeitnehmer und -geber müssen sich die Frage gefallen lassen: Passen wir in Social Media Zeiten wirklich gut zusammen? Oder gehen die Interessen des Power Networkers und des vorgesetzten Managers zu sehr auseinander? Jedenfalls sollten Sie als Social Media Addict erklären können, warum Sie so viel twittern, bloggen, facebooken und diesen Blogartikel lesen…
>> TwistImage: Is Twitter Killing You?
>> PR Squared: Our Corporate Brand is Cramping my Personal Brand
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Klaus Eck
Sehr wichtig diese Fakten einmal anzusprechen.
Obwohl Quantität und Qualität hier nicht ganz trennbar sind, ist Qualität im Ernstfall doch etwas wertvoller. Für ihre persönliche Glaubwürdigkeit finde ich diesen Bericht ebenfalls wichtig. Ich habe mich nämlich schon gefragt, ob Sie ein „Übermensch“ sind oder ihre Tage einfach etwas länger als bei mir….
Sehr schön das nach dem ganzen Hype nun auch sehr viel über Begleitumstände, Folgen und notwendige Ressourcen geschrieben wird.
Es ist immer schnell gesagt „Wir müssen da auch mal was machen“ aber die Tragweite einer solchen Entscheidung wird gern unterschätzt.
Wunderbarer Beitrag, danke dafür!
Guter Artikel, einige Sachen kommen mir bekannt vor 🙂
@Enrico: Niemand muss da was „machen“, Social Media Aktivitäten sollten nur dann von Unternehmen ins Auge gefasst werden, wenn das Unternehmen dafür bereit ist … Die meisten sind das (noch) nicht.
Hallo Jörn,
das ist mir schon klar, nur habe ich diesen Satz in den letzten 12 Monaten einige Male selbst zu hören bekommen und noch viel öfter gelesen.
Deshalb bin ich immer sehr froh wenn jemand wie Klaus Eck solche Artikel publiziert die realitätsnah sind und all dem inhaltslosen gehype entgegenstreben.
Also: Weniger ist mehr!
Zurückhaltung kann auch Souveränität vermitteln.
Minimalismus 2.0 ist angesagt! 😉
Ich schließe mich den Glückwünschen an, und mir geht es genauso. Bevor wir aber in einen neuen Minimalismus verfallen und der Sache abschwören ist es sicherlich sinnvoll, hier (wie auch woanders) die Sinnhaftigkeit des jeweiligen Handelns zu hinterfragen.
Für mich ist der Faktor Zeit immer noch das größte Hindernis bei der Umsetzung von Social Media Projekten in Unternehmen. Allerdings ausschließlich bezogen auf die nachweislich sinnvoll verbrachte oder langfristig eingesparte Zeit, die sich aus der Nutzung von Social Media ergeben sollte. Dieser Nachweis ist sehr individuell, würde aber einige Unternehmenslenker umdenken lassen.
Nebenbei gesagt ist E-Mail der größte Zeitfresser, ich warte sehnsüchtig darauf, daß sich das auch mal rumspricht….
get a life.
Auch von mir ein Kompliment zu diesem Artikel. Den Gedanken, dass Social Media nicht nur konsequent und ganzeinheitlich geführt werden muss und dies „stabile Persönlichkeiten“ und „ein gutes Selfmanagement“ erfordert, kann ich nur unterstreichen. Alle Tochpoints der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens dauerhaft im Blick zu behalten erfordert in der Tat eine hohe Ausdauer und sehr viel Zeit. Die Gefahr paranoid zu werden und einen Social-Media Kanal zu vernachlässigen, kann sehr schnell zur wirrem Schrootflinten-PR werden. Sowohl in eigener als auch in beruflicher Hinsicht. Daher gilt hier die Devise: Weniger ist oft mehr.
Auch von mir vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Jahrzehnte Erfahrung und praktische Tätigkeit im Vertrieb bemühe ich mich nun seit einiger Zeit, mein Wissen durch das neue Marketing mit Social Media zu ergänzen. Auf meine Fragen„ Was kostet das? – Wie effektiv ist das im Vergleich zum konventionellen Marketing?“ habe ich bisher keine Antwort gefunden. Auf meinem Blog veröffentliche ich viele Artikel zum Vertrieb in KMU (Kleinen und Mittleren Unternehmen). Da zeige ich auf, wie der Unternehmer zum Auftrag kommt. Im Vertrieb sind in der Kaltakquise bis zum Erfolg etwa neun Stufen zu durchlaufen. Das kostet eine Menge Geld. Vertrieb ist teuer und kann durchaus 30 % vom Umsatz ausmachen oder auch mehr. Die Kernfrage, die sich mir stellt, lautet: „Kann man mit Social Media günstiger zum Auftrag kommen und, wenn ja, in welchen Branchen.“ Ich habe beispielweise ausgerechnet, dass in der Telefonakquise (kalt) mit dem Ziel einen Besuchstermin bei einem Neukunden zu erhalten Aufwendungen von 200 bis 500 Euro anfallen – oder mehr. Was kostet das über Google Adwords? Ich habe weniger ermittelt. Und was kostet das über Social Media. Ich weiß es (noch) nicht!
Kaum jemand wird zu diesen Fragen eine Antwort parat haben. Ein Unternehmer muss aber danach sterben, diese Aufwendungen transparent zu machen. Er muss für sein Produkt, für seine Dienstleistung den idealen Mix finden. Das ist leichter gesagt als getan.
Was Klaus Eck beschreibt, kenne ich aus der eigenen Erfahrung. Ich denke, man darf sich nicht selber unter Druck setzen, wenn man intensiv Social Media nutzt für Networking und Aufbau eines Personal Brands. Unter „Leistungsdruck“ verfasste Blogposts sind selten brauchbar. Als Einzelunternehmer im Bereich Social Media sind Fachkenntnisse genauso wichtig wie „Selfmanagement“, sonst geht man unter und produziert negative Online Reputation und unzufriedene Auftraggeber.
Ja, da kann ich dir nur recht geben. Habe auch mit der Einrichtung nicht gedacht, dass mich die Dienste zeitlich so einschränken würden.