Was dumme Twitterer und Zeitungsleser gemein haben

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Vor kurzem gipfelte die Kritik an den neuen Medien mal wieder in einer Buchvorstellung: Bei den Webevangelisten konnte man lesen, wie Diplom-Politologe Markus Reiter sich der gleichen Vorurteile bediente, mit denen viele Web-Enthusiasten schon länger konfrontiert werden. Das Web verdumme, wenn wir nicht aufpassen, die Gesellschaft, so die Kernthese des im Zuge des Artikels vorgestellten Buches "Dumm 3.0". Ein Blick auf die Geschichte der Medienkritik zeigt, dass die Diffamierung neuer Medien schon in der Antike existent war. 

Nachtrag, 4. April: Es handelt sich hier nicht um eine Buchkritik zu "Dumm 3.0", sondern um eine generelle Betrachtung der Kritik am Medienwandel (siehe Kommentare).  C.B.

Fernsehen, Comics, der Hörfunk, der Buchdruck oder das Theaterstück – eines haben diese Dinge gemein: Es sind Medien, die bei ihrer Einführung von Vertretern des jeweils älteren Genres diffamiert und aufs Schärfste kritisiert wurden. Heutzutage gehören diese Dinge zu unserem Alltag, die meisten Vorurteile sind aus dem gesellschaftlichen Diskurs verschwunden, Kritiker wurden eines Besseren belehrt. Schon 2007 widmete sich Prof. Dr. Werner Faulstich in einem lesenswerten Artikel der Thematik der Kritik an neuen Medien – damals noch im Zusammenhang mit der Gewaltspiel-Debatte. Dieser Blogpost bezieht sich stark auf die Beispiele, die Faulstich bei seiner Argumentation einbezieht. Doch solche Erkenntnisse und historischen Zusammenhänge scheinen jedes Mal in Vergessenheit zu geraten, wenn eine neue Ära die Vertreter der "alten Schule" zu bedrohen scheint. Diesmal sind es vor allem Journalisten, die Kritikpunkte anbringen, die allesamt schon einmal in anderen Kontexten geäussert wurden.

Die Anklage der "Verdummung" und "Irreführung" der Gesellschaft durch neue Medien wurde in ähnlicher Form schon oft erhoben – damals waren es die Zeitungen selber, die bei ihrer Ankunft in der Medienlandschaft mit diesen Vorurteilen begrüßt wurden: In der Zeitungsdebatte Ende des 17. Jahrhunderts bezeichnete man die Zeitung als Lügenblatt, die den "Weltekel schüre" und "primitive Neu-Gier" propagiere. Verdächtig nah an dem, was heutzutage Blogs und Twitter vorgeworfen wird. Sogar schon in der Antike wurde Kritik an neuen Medien geübt: Platon warf den Theaterstücken bzw. den Tragödiendichtern vor, nicht an der Wahrheit interessiert zu sein und durch Emotionen Täuschung zu betreiben. Das kreative Schaffen würde der Ernsthaftigkeit beraubt werden. 

Unter den kritisierten Dingen findet sich so ziemlich jede technische Errungenschaft wieder, die das alteingesessene Denken der Menschen auf die Probe stellte: Die Eisenbahn (Menschen könnten diese Geschwindigkeiten nicht aushalten und die Zeitwahrnehmung würde gestört), das Telefon (wegen der Hemmungslosigkeit im Gespräch und dem "Verfall der Briefkultur"), der Kinofilm (durch das Verderben der Moralvorstellungen der Zuseher, bzw. vor allem der Jugend), das Fernsehen ("Die Droge im Wohnzimmer") sowie Mobiltelefone und Spielkonsolen.
Aber auch innerhalb der neuen Medien ergibt sich etwas wie eine Hackordnung – wir brauchen nur daran zu denken wie durch das Aufkommen von Twitter von einigen Altbloggern der Tod der Blogosphäre heraufbeschworen wurde. Es ergibt sich bei genauerer Betrachtung ein wunderbares Muster, auf das immer wieder im Rahmen der Kritik zurückgegriffen wird.

377684448_5a9c7a615eEs scheint fast niemand fähig zu sein, über den Horizont der reaktionären Kritik am Neuen zu blicken. So erklären sich auch fragwürdige Aussagen wie "Menschen ändern sich nicht", wie von Reiter im dritten Teil des Original-Interviews bei Zeit Online statuiert wird. Meiner Meinung nach ist der Mensch in einem stetigen Wandel, auf einer immerwährenden Erfahrungsreise – die Einzigen, die dies nicht merken, sind Menschen, die Scheuklappen aufhaben und somit die Dinge nicht an ihnen vorbeirauschen sehen. Und so dreht sich das Rad immer weiter, die alte Generation hetzt gegen die neue, ohne zu verstehen, worum es eigentlich geht: Neue Techniken und neue kulturelle Prozesse bieten immer Chancen zur negativen und positiven Gestaltung unserer Gesellschaft. Was dem inhärent ist, ist der Prozess der Veränderung an sich. Nur wir haben es in der Hand durch einen offenen Umgang mit den jeweils neuen Medien, durch eine Förderung von Medienkompetenz und einem Ausbau der dorthin führenden Wege die Folgen der Etablierung neuer Strukturen mitzugestalten. Fremdes und Neues sollte uns keine Angst machen, sondern die Lust wecken, damit zu experimentieren, neue Kontexte zu erleben und uns somit helfen, Veränderung als eine natürliche Sache hinzunehmen. Eine "Bedrohung unserer Kultur", wie das Buch so plakativ titelt, stellt eher der Stillstand und die Angst vor dem Unbekannten dar. 

Reiter sagt im Webevangelisten-Interview auch, dass wir einige Dinge in die neue Welt hinüberretten sollten: "den professionellen Journalismus, zweitens das Urheberrecht, drittens eine Bildung, die uns befähigt, Informationen zu selektieren und viertens eine vernünftige und vernunftgeleitete gesellschaftliche Debatte". Diese Dinge sind längst da – beziehungsweise in einem Prozess der Entstehung begriffen, der ganz automatisch vor sich geht. Und eventuell geht es weniger um das "Retten", sondern eher um das "Überdenken und Anpassen" - Wir sollten unsere Konzepte von dem was "gut" und "schlecht" ist täglich überprüfen und nicht aus purer Gewöhnung verteidigen. Lasst uns also den nächsten Kulturschock feiern, anstatt akribisch nach Möglichkeiten zur Fehlentwicklung zu suchen. 

>> PR Blogger: Wir brauchen mehr Medienkompetenz
>> BPB.de: Medienumbrücke, Kulturschocks und Verbotsforderungen seit Anfang der Geschichte
>> Denquer.de: Medienkompetenz? Begriffsklärung!
>> Webevangelisten.de: "Dumm 3.0" – Markus Reiter über Hetzjagden im Internet und Journalismus als Dienstleistung 
>> Zeit Online: Dumm 3.0: "Wenn sie sich zum Affen machen wollen…" 
>> PR-Blogger: 400 Jahre Zeitung
>> Spiegel: Das Internet ist an allem schuld

Christoph Bauer 


(Christoph Bauer ist freier Autor beim PR Blogger und schreibt derzeit seine Diplomarbeit über "Dialogische Kommunikationsangebote von Unternehmen im Social Web".)


>> Bildnachweis: The Infinite Loop von Kurafire / flickr 

20 Jahre PR-Blogger

Klaus Eck
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Klaus Eck
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16 Replies to “Was dumme Twitterer und Zeitungsleser gemein haben”

  1. Ein großartiger und sehr durchdachter Artikel, der nicht gleich in ein blindes Draufschlagen auf die Medienkritiker verfällt, sondern die ewige Wiederholung der gleichen Schemata dieser Kritik aufzeigt. Sollten sich so manche einmal gründlich durchlesen.

  2. Exakt: Hörfunk, Fernsehen, Internet: Die Einführung neuer Medien wurde von Kulturpessimisten stets diffamiert und aufs Schärfste kritisiert.
    Markus Reiter hat mit seiner Einschätzung bestenfalls die Chance, in die Reihe dieser Fehlprognostiker aufgenommen zu werden:
    „Der Fernseher wird sich auf dem Markt nicht durchsetzen. Die Menschen werden sehr bald müde sein, jeden Abend auf eine Sperrholzkiste zu starren.“ (Darryl F. Zanuck, Chef der Filmgesellschaft 20th Century-Fox, 1946)
    „Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“ (Thomas Watson, CEO von IBM, 1943)
    Nicht übersehen werden darf dennoch, dass bei Social Media die Vermittlung von Medienkompetenz das Gebot der Stunde ist.

  3. jedes neue medium, das sich durchsetzen kann, verändert die welt. die einen sehen darin eine Chance, die anderen eine Gefahr. und so wundert es nicht, dass regelmäßig auseinandersetzungen über neue medien stattfinden. je größer allerdings die möglichkeiten der kommunikation werden, um so vielschichtiger werden diese auseinandersetzungen, sodass mittlerweile schon metaauseinandersetzungen stattfinden. es geht nicht mehr um die medien selbst, sondern um die diskussion darüber. aber letztlich werden sich die meisten neuen medien durchsetzen und integrativer bestandteil unseres lebens werden. alles wie seit jahrtausenden gehabt …

  4. Lieber Klaus Eck,
    es ist ja ein beliebter Trick, schwache Argumente selbst zu fabrizieren, sie dann jemandem unterzuschieben und dann zu wiederlegen.
    Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, das Cover meines Buches so schön groß abgebildet zu haben. Noch mehr hätten es mich gefreut, Sie wären auf seinen Inhalt eingegangen.
    Der Vorwurf der kulturkritischen Haltung gegen neue Medien ist mir durchaus bewusst. Deshalb gehe ich von Seite 11 bis Seite 15 am Beispiel von Sokrates Schriftkritik darauf ein. Von Seite 40 bis 42 greife ich das Eisenbahnbeispiel auf.
    Können wir uns nicht darauf einigen, dass zum Beispiel das Fernsehen in der Tat AUCH negative Auswirkungen hat? Das Fernsehen hat unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit, unser Freizeitverhalten, unseren Umgang miteinander, die Kommunikation zwischen Menschen und sogar die Gehirnentwicklung von Kleinkindern beeinflusst – und nicht ausschließlich zum Guten. Mit anderen Worten: Völlig falsch lagen die Kulturkritiker damals nicht.
    Man kann übrigens auch Gegenbeispiele finden, bei denen die Kritiker Recht behielten: Diejenigen, die in den 1960er Jahren an der Seite des Fortschritts standen, waren selbstverständlich für die friedliche Nutzung des Kernenergie. Kritiker galten damals als technikfeindliche Miesmacher. Und heute?
    Ich habe auch nie behauptet, dass einzelne Menschen sich nicht ändern. Sondern dass „der Mensch“ sich nicht ändert. Dafür ist dem homo sapiens sein evolutionäres Programm viel zu sehr eingeschrieben.
    Wenn Sie das anders sehen und den Eindruck haben, der Mensch sei heute grundgütiger als vor – sagen wir- 3000 Jahren, dann haben wir in der Tat einen Dissens.
    @mavridis Ich behaupte auch an keiner Stelle, dass sich das Internet nicht durchsetzen werde. Das wäre nicht nur eine Fehlprognose, es wäre Blödsinn. Das Internet hat sich durchgesetzt.
    Dem Thema Medienkompetenz widme ich übrigens ein ganzes Kapitel (S. 147 bis 161).

  5. Na, zumindest bei der Eisenbahn stimmt das Vorurteil: „Menschen könnten diese Geschwindigkeiten nicht aushalten und die Zeitwahrnehmung würde gestört“
    Ich kann es auch nicht aushalten, wenn der ICE wieder mal wegen Baustellen bummelt und meine Zeitwahrnehmung (oder meine Uhr) dehnt eine „offizielle“ 5-Minuten-Verspätung manchmal bis auf 20 Minuten …
    Abe so ganz haben die Kritiker nicht Unrecht: Neue Medien verändern eben. In vielen Familien wird Kindererziehung durch Fernsehen ersetzt und für ettliche Menschen findet „wirkliches Leben“ in den Reality-Doku-Soaps der Privatsender statt. Ich gehe davon aus, dass es auch Menschengruppen gibt, die sich im Netz verlieren, Twittersüchtig sind, oder ihre Form der Realität bei World of Warcraft suchen. Sowas sollte man schon kritisch begleiten. Etwas zu verdammen, nur weil es neu ist und althergebrachtes zu verdrängen beginnt, ist aber wenig konstruktiv.

  6. Sehr geehrter Herr Reiter,
    nur kurz zur Klarstellung: Klaus Eck ist nicht für diesen Post verantwortlich – ich habe diesen verfasst. Ich kann leider gerade nicht auf den Inhalt ihres Eintrags eingehen, weil ich kurz vor einer Reise stehe und gleich aus der Tür gehe. Ich werde mich aber heute oder morgen noch inhaltlich zu ihrem Kommentar äussern.
    Mit freundlichen Grüßen
    Christoph Bauer

  7. Sehr geehrter Herr Reiter,
    schön dass Sie in dieser Form antworten. Ich werde kurz meine Annahmen weiter ausführen und auf ihr Kommentar eingehen.
    Bezüglich der Abbildung des Buches ist kein Dank nötig, ich wollte lediglich den Untertitel auch lesbar darstellen. Es war mir beim Schreiben des Artikels nicht unbedingt wichtig, auf die Inhalte direkt einzugehen. Eigentlich stand im Vorspann ein Satz, der der Korrektur und Kürzung zum Opfer gefallen ist: „Ohne auf den Inhalt des Buches einzugehen, soll dieser Artikel eine generelle Kritik der Kritik darstellen.“. Im Nachhinein betrachtet kann ich ihre Kritik natürlich nachvollziehen, ich hätte den Satz nicht streichen sollen.
    Leider habe ich in der Kürze der Zeit nicht in Ihr Buch hineinschauen können – und da ich derzeit meine Diplomarbeit schreibe und einen Stapel sehr sehr trockener Fachliteratur vor mir habe, wird das auch erstmal warten müssen. Nichts desto trotz wollte ich Ihr Buch als Aufhänger nehmen, als aktuellen Einstieg in eine Thematik, die mir schon lange auf der Zunge liegt. Da kamen mir einige plakative Passagen in Ihren Interviews natürlich gelegen. Gegangen ist es mir aber nicht um die Diffamierung des Buches, sondern wie von einigen Kommentatoren erwähnt, darum das Schema hinter der Kritik ersichtlich zu machen.
    Natürlich könnten wir uns darauf einigen, dass das Fernsehen auch „negative“ Auswirkungen hat – genauer betrachtet sieht man aber, dass die Nutzung einer Dichotomie wie „gut und schlecht“ oder „positiv und negativ“ in genau die gleiche Kerbe schlägt, wie eine Kritik an der Veränderung: Sie geht immer von einem zu bewahrenden „Ist“-Zustand aus. Dieses Festhalten ist natürlich teilweise begründet : Lebensweisen haben sich bewährt und die Gesellschaft sich den Rahmenbedingungen angepasst. Doch trotzdem sehe ich darin auch eine Problematik. Um praktischer zu werden: Wer sagt denn, dass kürzere Aufmerksamkeitsspannen und der Hang zum Multitasking in der Zukunft sich nicht auszahlen könnten? Eventuell sind diese Dinge bei Schülern, die 500-Seiten-Bücher lesen sollen nicht hilfreich, in anderen Bereichen scheinen sie sich aber zu bewähren: Ich denke dabei zum Beispiel an den Umgang mit der Informationsflut. Selektionsprozesse mit denen wir, oder besser meine Eltern, noch zu kämpfen haben, werden natürliche Kulturtechniken. Ein persönliches Beispiel: Vor kurzem habe ich gelernt, mich gezielt von Twitter und Co. zu isolieren, um fokussierter an der Diplomarbeit schreiben zu können – dieser Prozess hat eine ganze Weile gedauert. Hätte ich mich von Anfang an isoliert und gegen Social Networks und Co. gewehrt, wäre das Gebilde Social Media mir irgendwann über meinen Kopf gewachsen, und ich wäre zwangsläufig damit konfrontiert worden. Und ich denke, dass mein eigenes Beispiel nicht einzigartig ist. Das heisst auch wiederum nicht, dass die Isolation generell besser ist, um mit Arbeit voranzukommen. Ohne die ständige Berieselung per Twitter und Co hätte ich einige Grundannahmen bzw. das ganze Thema meiner Diplomarbeit garnicht erst gefunden (es geht um den Dialog durch Social Media, im Rahmen der Organisationskommunikation). Das Neue geht Hand in Hand mit dem Alten. Der Umgang mit der neuen Welt wird natürlich, man lernt auch bei ständiger Berieselung abzuschalten.
    Zur Änderung des Menschen: Ich denke sehr wohl, dass sich Strukturen im Gehirn auch über und zwischen Generationen ändern können. Aber dies nicht unbedingt genetisch, sondern eher durch Sozialisation. Ein Beispiel: Wie rasant wirkten die ersten Filme auf die ersten Menschen, die sie sehen durften, welche Geschwindigkeiten (ich denke da an Schnitt und „Dichte“ der Handlungen) findet man heute vor? Da ergeben sich riesige Unterschiede, eine Beschleunigung ist zu bemerken, die Verblüffung der Menschen bleibt im Grunde dieselbe – wir passen uns an, und das ist die Veränderung, die ich meine. Ohne diese Anpassung würden wir irgendwann in einer Welt stehen, die uns konstant überfordert – oder wir ziehen uns zurück, und nehmen nicht mehr am regulären gesellschaftlichen Leben teil.
    Sie sehen, wir sprechen im Grunde über das Gleiche – Sie über die Probleme, die sich ergeben können, ich über die Chancen und den Anpassungsprozess, der nötig ist um diese wahrzunehmen. Mir hat, so glaube ich, einfach diese eher positivistische Seite an Ihren Aussagen gefehlt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Christoph Bauer

  8. Guter Artikel. Wenn ich den Titel des Buches lese läuft mir (ohne den Inhalt zu kennen) ein Schauer über den Rücken. Medienkritik finde ich wichtig. Denn Medien verändern Kommunikation und Gesellschaft. Diese Veränderungen haben i.d.R. positive und negative Folgen.
    Wer sich ernsthaft mit dem Social Web beschäftigt ist sich dessen ohnehin bewusst.
    Das Twitter, Blogs und Networks unserer Kultur bedrohen halte ich für so falsch, dass noch nicht einmal das Gegenteil wahr ist.
    Alle Medien (auch Twitter, Blogs und Networks) rufen gesellschaftlichen Wandel hervor. Sie sind, wie alle Medien, ein Motor der kulturellen Evolution. Dieser Wandel lässt sich kaum aufhalten.
    Konstruktiver und weitaus spannender als ständig den Untergang des Abendlandes zu beschwören ist für mich die Frage, wie man neue Technologien sinnvoll einsetzen und negative Effekte minimieren kann.

  9. Hallo Christoph,
    danke für den sehr guten Artikel.
    „Der Mensch ändert sich nicht“ diese Aussage sollte ja wohl nicht von einem Menschen kommen, der, wenn auch vor Jahren die Schulbank gedrückt hat.
    Alleine diese Aussage reicht mir um zu wissen, dass ich dieses Buch nicht lesen muss.

  10. Wow ich bin positiv beeindruckt und das gleich zweimal.
    Christoph Bauer kann ich nur sagen, danke für diesen lesenswerten Artikel. Markus Reiter gilt mein Dank für seine Stellungnahme. Diese Stellungnahme macht mich neugieriger auf das Buch als der provozierend negative Titel.
    Bin mir auch sicher, dass beim nächsten Mal Christoph in ein Buch hineinsehen wird, bevor er einen Artikel schreibt. War vielleicht etwas unglücklich am Buchtitel den Artikel aufzuhängen ohne die Lektüre des Werkes vorgenommen zu haben.

  11. Lieber Herr Bauer,
    ich sehe Ihnen nach, mein Buch nicht gelesen zu haben, obgleich ich mich bemüht habe, es so unterhaltsam zu schreiben, dass es eine nette Abwechslung zu Ihrer sehr, sehr trockenen Fachlektüre wäre.
    Ich bin nur in den letzten Tagen oft mit Kritik am Buch konfrontiert worden von Menschen, die keinen Blick hineingeworfen haben.
    Zur Sache: Ich will gar nicht in die Einzelheiten der Neurobiologie einsteigen, mit denen ich mich für ein anderes Buch („Klardeutsch. Neuro-Rhetorik nicht nur für Manager“, Hanser Verlag) beschäftigt habe. Nur soviel: Natürlich ist es sogar wahrscheinlich, dass wir uns a la longue an alles gewöhnen werden, also auch an kürzere Aufmerksamkeitsspannen. Diese selbst sind, nach allem, was man heute sagen kann, aber nicht auf genetische Einflüsse zurückzuführen, sondern auf die frühkindliche und vorpubertäre Prägung, also auf die Phase, in der unser Gehirn sich verdrahtet (um präzise zu sein: synaptische Verbindungen kappt). Ob so etwas einmal erblich werden wird, ist eine offene Frage, mit der sich gerade die Epigenetik befasst.
    In meinem Buch blicke ich nun aber nicht so weit voraus. Sondern ich versuche, Mechanismen für die Zeit des Übergangs zu finden, damit unsere Gesellschaft nicht auseinanderreißt.
    Ich würde zum Beispiel nicht zögern zu sagen, dass die Französische Revolution auf lange Sicht sehr viel Positives in unseren Gesellschaften bewirkt hat. Leider haben dazwischen in den Zeiten der Grand Terreur rund 18.500 Menschen ihren Kopf verloren, 32.000 Menschen kamen im Südwesten Deutschlands durch Revolutionstruppen ums Leben, Napoleon hinterließ ein paar Millionen Tote auf den Schlachtfeldern…
    Es wäre doch gut, wenn wir den gesellschaftlichen Blutzoll der Dritten Medienrevolution so klein wie möglich halten könnten. Darum geht es mir und dazu glaube ich, sollten wir vier Prinzipien der alten Welt bewahren: den Journalismus, das Urheberrecht, eine Bildung, die uns zur Selektion befähigt und eine vernunftgeleitete gesellschaftliche Debatte. Dass alle vier im Zuge der Wandlungen einer reformerischen Anpassung bedarf, bleibt unbestritten.
    Frohe Ostern!

  12. Mein Eindruck ist auch, dass der Blogbeitragsverfasser das Buch nicht gelesen hat.
    Ich bin Markus Reiter sehr dankbar und pflichte ihm bei, wenn er sagt, dass die Kunst der Recherche und des Schreibens ein Handwerk sind, das man eben vorwiegend als Journalist lernt. Die Vorstellung, wir alle hätten Schreiben als Kinder gelernt, ist falsch, wie wir ja heute an zahlreichen Texten sehen. Ich kenne jedenfalls fast niemanden, der wirklich schreiben kann, der nicht journalistisch tätig war oder ist. Zu behaupten, Schreiben könne doch jede/r, ist gegenüber Journalisten sogar sehr respektlos, die das hart an Journalistenschulen gelernt haben.
    Markus Reiter weist zu Recht auf die Gefahr hin, dass beim Verschwinden der klassischen Medien letztlich niemand mehr die Welt systematisch abbildet (und als Redakteur schreibt man ja auch über Dinge, die einen selbst nicht interessieren). Die Blogger werden die Welt kaum systematisch abbilden, weil sie vorwiegend über die Dinge schreiben, die sie interessieren. Und wenn Twitter und Blogs die klassischen Medien verdrängen, dann gefährden sie damit in der Tat die Kultur. Was nicht heißt, dass man Twitter verteufelt, und das tut auch niemand in dieser Auseinandersetzung.
    Auch die Trennung von Nachricht und Meinung gehört zum journalistischen Handwerk. Ich glaube kaum, dass die Blogs diese Lücke füllen können, solange sich Blogger dagegen sträuben, sich mit journalistischem Handwerk und auch mit Medienrecht auseinanderzusetzen. Wer den Unterschied zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung nicht kennt, sollte vielleicht erst mal die Schulbank drücken.
    In keinem Fall vertritt Reiter in seinem Buch eine Contra-Blog-Position, sondern er stellt die Auseinandersetzung sehr differenziert darf. Wer ihm nun den Vorwurf macht, „die alten Reflexe“ zu zeigen, zeigt selbst seine alten Reflexe wie ein sabbernder Pawlowscher Hund, unreflektiert und eben „dumm 3.0“.
    Anyway: Ich *habe* das Buch gelesen und ebenfalls eine Kritik verfasst:
    http://www.thilo-baum.de/lounge/dumm-3-0-ist-was-fuer-kluge/

  13. @Thilo Baum „Ich kenne jedenfalls fast niemanden, der wirklich schreiben kann, der nicht journalistisch tätig war oder ist“ Ich hingegen schon. Einer Menge Schriftstellern/innen wird nachgesagt, sie seien im Umgang mit Worten und der schriftlichen Abbildung selbiger gar nicht mal so schlecht. Die Aussage bedarf einer gewissen Differenzierung, was „schreiben können“ denn überhaupt bedeuten soll. In meiner Auffassung von diesem Handwerk tummeln sich Journalisten eher auf den hinteren Rängen im großen Theater der Schreibenden. Gleichwohl ist die Arroganz der Journalisten ob ihres vermeintlichen Schreibenkönnens nahezu unübertroffen. Wie heißt es bei Søren Kierkegaard doch gleich?
    „Gott im Himmel weiß: Blutdurst ist meiner Seele fremd, und eine Vorstellung von einer Verantwortung vor Gott glaube ich auch in furchtbarem Grade zu haben: aber dennoch, dennoch wollte ich im Namen Gottes die Verantwortung auf mich nehmen, Feuer zu kommandieren, wenn ich mich nur zuvor mit der ängstlichsten, gewissenhaftesten Sorgfalt vergewissert hätte, daß sich vor den Gewehrläufen kein einziger anderer Mensch, ja auch kein einziges anderes lebendes Wesen befände als — Journalisten.“
    Liebe Grüße.

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