Wer auf heimliche PR und Forenmanipulation setzt, darf sich über die negativen Reaktionen in der Öffentlichkeit nicht wundern. Kein Unternehmen sollte auf fingierte Einträge in Bewertungsportalen, Foren oder Blogs setzen. Das zahlt nicht wirklich positiv auf die eigene Reputation aus und erweist sich schnell als Bumerang, wenn es dann doch herauskommt. Ein digitales Makeup lässt sich leicht entfernen. Im Zeitalter der Radikalen Transparenz kommt (tendenziell irgendwann) alles raus. Große Geheimnis lassen sich nur schwer unterdrücken. Das zeigt sich deutlich beim jüngsten PR-Skandal der Deutschen Bahn, der den Daten- und E-Mail-Affären folgte.
1,3 Millionen Euro hat die Deutsche Bahn an eine Agentur bezahlt, um etwas für ein besseres öffentliches Image zu tun. Ein Reputation Management ist an für sich der Job jeder Kommunikationsagentur und noch nicht per se etwas Schlechtes. Doch natürlich stellt sich die Frage, wie glaubwürdig eine Öffentlichkeitsarbeit ist, die bewusst auf geschönte Berichte setzt und unter Agenda Setting das bezahlte Platzieren von Inhalten in Radio und Internet-Foren versteht. Eine "verdeckte Beeinflussung der Öffentlichkeit" schadet der Unternehmensreputation. Viel besser ist es immer, wenn man "echte" Menschen für sein Anliegen gewinnen und der glaubwürdige Unterstützung (unbezahlt) erhält. Was ist von zahlreichen Kommentaren in Foren und Blogs zu halten, wenn diese nur anonym und ohne jeder Verifizierungsmöglichkeit erfolgt ist?
Es ist nur konsequent, wenn der neue Bahn-Chef Dr. Rüdiger Grube diese PR-Maßnahmen entschieden ablehnt und sich direkt nach dem PR-GAU von seinem Generalbevollmächtigten für Kommunikation und Marketing, Ralf Klein-Bölting, trennte. In einer Pressemitteilung nahm der Vorstandsvorsitzende am 28. Mai 2009 Stellung zu den Vorwürfen:
"Diese Form der PR-Maßnahmen lehne ich entschieden ab. Solche Aktivitäten sind mit dem Grundsatz eines transparenten und redlichen Dialogs mit der Öffentlichkeit in keiner Weise vereinbar. Ich werde umgehend im Unternehmen die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen, um auch hier den zugesagten Neubeginn in der Unternehmenskultur zu dokumentieren."
Laut SZ soll das Geld an die Berliner PR-Firma European Public Policy Advisers (Eppa) geflossen sein, die wiederum die Berliner Agentur Berlinpolis im Jahr 2007 mit Umfragen und Meinungsbeiträgen für die Bahn beauftragt habe. Berlinpolis streitet einige der Vorwürfe ab und hat dazu am 29. Mai eine eigene Presseerklärung herausgegeben. Interessanterweise kann jeder die PM sogar kommentieren, auch wenn bislang davon niemand Gebrauch gemacht hat.
Dennoch heißt es im Lobbycontrol Blog weiterhin:
"Es ist bedauerlich, dass Berlinpolis und Daniel Dettling mit dieser Stellungnahme den Weg des Abstreitens einschlägt statt endlich die eigene Verstrickung in die verdeckte PR der Deutschen Bahn AG einzuräumen und die eigenen Fehler einzugestehen." (30. Mai 2009)
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat nach den Angaben des Spiegels vom 29. Mai im Rahmen der von Bahn-Chef Grube angeordneten Sonderprüfung herausgefunden, dass die Deutsche Bahn auch Online-Foren regelrecht unterwandert habe, um die öffentliche Meinung für den Bahn-Börsengang und gegen den Lokführerstreik zu mobilisieren. Hierfür soll die Allendorf Media verantwortlich gewesen sein. Von 2.400 Beiträgen in den Spiegel-Bahnforen seien rund ein Viertel der Postings verdeckt im Auftrag der Bahn erfolgt.
Mir hat besonders die Art und Weise gefallen, wie der neue Bahnchef Grube momentan Krisen-PR betreibt. Gibt es einen besseren Zeitpunkt, öffentlichkeitswirksam eine Steuerentlastung der Bahn von der Politik zu fordern? Zumindest stellt es einen wirksamen Versuch dar, die Aufmerksamkeit auf ein anderes positives Thema zu lenken und damit wieder die Reputation online wie offline zu verbessern. In einer Krisenzeit ist es durchaus populär, ein umweltfreundliches Verkehrssystem von der Mehrwertsteuer zu befreuen, vorausgesetzt die Deutsche Bahn würde das an die Reisenden weitergeben.
>> Lobbycontrol: Berlinpolis streitet ab – aber nicht den Kern: die Verwicklung in die PR-Affäre der Deutschen Bahn AG
>> Spiegel: Bahn manipulierte Internet-Foren
>> Meedia: Dubiose Bahn-PR: die Tricks von Berlinpolis
>> Horizont: GPRA wehrt sich gegen Schmuddelimage von Public Relations
>> PR Blogger: Das Image-Debakel der Deutschen Bahn im Umgang mit Bloggern
>> Süddeutsche Zeitung: PR-Skandal bei der Deutschen Bahn
>>Lobbycontrol: LobbyControl enthüllt verdeckte PR-Aktivitäten der Deutschen Bahn
Klaus Eck
Hallo Klaus, gibt es auch öffentliche Erkenntnisse darüber, was die verdeckte PR gebracht hat, inwieweit die Reputation der Deutschen Bahn – vor der Veröffentlichung der Skandale – gestiegen ist?
Hallo,
egal ob diese verdeckte PR (wenn auch nur kurzfristig) etwas bringt, ist sie ein absolutes No-Go. Jeder der mit Medien arbeitet – sei es auf journalistischer als auch auf PR-Seite – trägt eine hohe ethische Verantwortung – und diese ist IMHO hier klar und deutlich überschritten.
Die Bahn bloggt – wirklich?
Selten habe ich so eine irreführende Überschrift gesehen, wie heute morgen in der Financial Times Deutschland (FTD). Denn es geht in dem Artikel nicht etwa um ein neues Corporate Weblog der Deutschen Bahn (DB), sondern um die Astroturfing-Aktionen d…
TRACKBACK hat leider nicht funktioniert. Deshalb per Hand: http://www.pr-kloster.de/2009/06/02/die-bahn-bloggt-wirklich/