Der Weg vom überragenden Sieger zum Verlierer kann kurz und schmerzhaft sein, besonders dann, wenn die Fallhöhe olympisch ist: Das widerfuhr Anfang Februar 2009 dem erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten: Michael Phelps, der noch im vergangenen Jahr Everybody‘s Darling war, weil er bei den Olympischen Spielen 2004 und 2008 insgesamt 14 Goldmedaillen gewonnen und auch sonst eine gute Figur gemacht hatte. Doch dann wurde Anfang Februar 2009 ein vermeindlich privates Foto in der britischen Boulevardzeitung „News of the World“ veröffentlicht, auf dem Phelps beim Marihuana-Konsum erwischt worden ist. Die Nachricht mit Wasserpfeife sorgte für enormen öffentlichen Wirbel in den Medien. Aufgrund dieses Vorfalls wurde der Schwimmer für einige Monate von Wettkämpfen suspendiert und verlor einen Sponsoren, weil er damit das Image des Schwimmsports untergraben würde. Das sind die ganz normalen Spielregeln des Boulevards und wenig überraschend.
Ein normales privates Foto genügte, um seinen Starruhm verwehen zu lassen und seine Reputation zumindest anzukratzen. Dem verheirateten U2-Sänger Bono passierte Ähnliches. Er wurde engumschlungen mit zwei jungen Frauen in Bikinis fotografiert. Dummerweise hat eine seiner Partybekanntschaften – die 19-jährige Andrea Feick – ein anderes Verständnis von der Privatsphäre wie Bono gehabt und die Fotos frei zugänglich in ihr Profil gestellt, sodass alle Mitglieder des New York-Networks auf Facebook Zugriff auf ihre Partyfotos hatten.
Neu ist hingegen etwas anderes: Wir sind alle Michael Phelps: Im Gegensatz zu diesem Prominenten sind wir es jedoch in der Regel nicht gewohnt, so sehr im Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stehen und ganz auf unsere Privatsphäre zu verzichten. Mit so etwas rechnet niemand. Dennoch sollten Sie sich künftig daran gewöhnen. Jedes Fehlverhalten wird sich in Ihrer persönlichen Online-Reputation widerspiegeln. Wenn Sie Michael Phelps googeln, stoßen Sie sofort auf sein soziales Fehlverhalten, bei dem er erwischt und vorgeführt worden ist. Das kann inzwischen jedermann passieren. Deshalb ist es an der Zeit über Gegenstrategien nachzudenken.
Wie sollen ein Michael Phelps oder auch Sie damit umgehen, wenn das Kind in den (digitalen) Brunnen gefallen ist und viele daraus ihre Neugierde befriedigen. Zunächst ist die Aktualität des Vorfalls durchaus ein Problem:
Der Nachrichtenwert war für kurze Zeit so hoch, dass sehr viele Blogger und Zeitungen sich auf das Thema stürzten. Die Folge: Bei einer Google-Suche nach Michael Phelps werden über dem ersten Treffer News-Artikel angezeigt. Die "Cannabis-Affäre" wird dem Suchenden also noch vor seinem Wikipedia-Eintrag präsentiert, in dem die Wasserpfeife ebenfalls erwähnt wird. Das Interesse an Skandalen ist ausgeprägt als die Verehrung eines "Heiligen".
“It’s almost like this got more coverage than his eight gold medals,” bringt es Schwimmerkollege Eric Shanteau auf den Punkt.
Natürlich kann Michael Phelps mit einem Blog oder eine eigenen Website nur wenig gegen die populären Medien ausrichten. Aber er kann letztere und sein Netzwerk durchaus nutzen, um positive News in die Welt zu streuen. Dazu gehören zu einem Sportler neue Titel, Rekorde oder einige Charity-Maßnahmen. Sein Motto sollte lauten: "Tue Gutes – und lass andere darüber reden."
Die mittlerweile "alte Geschichte" vom kiffenden Phelps könnte schnell an Aktualität und Relevanz verlieren und dank einiger positiver Anreize durch immer neue Online-Berichte verdrängt werden. Je länger das negative Issue zurückliegt, desto seltener wird die Öffentlichkeit auf den kritisierten Vorgang stoßen und ihn verleicht sogar wieder vergessen. Auf diese Weise kann Phelps mit guten Aktionen und Ausdauer seine negative Online-Reputation innerhalb eines längeren Zeitraums wieder reparieren.
Als Privatperson sollten er und sein Management das Thema seines Fehltritts bald einfach ruhen lassen: Selbst die Moderation der Kommentare zum Vorfall auf Phelps‘ SwimRoom.com-Profil lassen das Thema immer wieder Fahrt aufnehmen. So sehr der Dialog mit den Fans erstrebenswert und auch vorbildlich ist, es hält das kritische Issue ständig aktuell im Netz und bleibt somit in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Allein die Existenz von Gruppen wie "We support Phelps", die immer wieder auf den Vorfall verweisen, bringt Menschen dazu, genauer hinzuschauen. Stattdessen sollte Phelps die Fangemeinde lieber auf andere Themen lenken, indem er zeigt, dass er aus der persönlichen Krise gelernt hat und letztlich sogar irgendwann charakterlich gestärkt daraus hervorgeht.
>> SwimRoom.com – Profil von Michael Phelps
>> Columbia Daily Tribune – Still talking about Phelps
>> Personal Branding Blog – Michael Phelps: How to Fix Your Google CV
Klaus Eck
Was die kommunikative Strategie im Netz angeht, um mit bad news wieder von den Bildschirmen zu verschwinden, stimme ich dem Beitrag voll zu. Das Beispiel Jan Ullrich hat schon gezeigt, wie ungelenk und letztlich auch imageschädigend die Methode „Abtauchen und Abstreiten“ ist.
Allerdings glaube ich, dass ist es mit der Technik des „Überschreibens“ negativer Schlagzeilen allein nicht getan ist, wie die Fälle anderer – wodurch auch immer gestrauchelter – Stars zeigen. Gerade im Spitzensport liegen Ruhm und Scheitern, medial verstärkt, dicht beieinander. Wenn die Protagonisten beim Versuch der Rehabilitation nicht authentisch und glaubwürdig sind, nützen auch „Ablenkungsmanöver“ wenig.
Nun, überschreiben in dem Sinne kann man die Bad News nicht unbedingt, aber jeder kann sich auch positiv ins Gespräch bringen, indem er glaubwürdig agiert und durch echte Maßnahmen seine Menschlichkeit unter Beweis stellt. Die Ablenkung ist relativ. Es geht eher darum, nicht selbst Öl ins Feuer zu gießen und auch noch bei anderen Themen aufzufallen. Es geht ja nicht um die kurzfristige Krisenreaktion, sondern um die langfristige Wiederherstellung einer positiven Reputation.
Hallo Ihr Zwei,
alles schön und gut, doch ab welchem „Verbrennungsgrad“ ist es eher angebracht die angesenkte Suppe einfach abkühlen zu lassen, als das man den Dialog zu seiner Zielgruppe sucht, um die Dinge ins Rechte Licht zu rücken? Ihr müsst doch zugeben, das diese „angespannte“ Lage den Kunden schon zu aktionistischen Handlungen zwingt. Wie sind dort Eure Erfahrungswerte?
Spätabendliche Grüße aus Berlin,
Sebastian
Hallo… man könnte ja schon fast postulieren, dass das Web2.0, bei dem Inhalte sich so schnell und unkontrolliert ausbreiten können und auch so umfangreich nachgefragt werden, eine Art Qualitätsfunktion ausübt – im Tourismusbereich kenne ich das schon lange, denn hier sorgt das Web2.0 in Form von Reiseberichten und Bewertungen langfristig für eine verbesserte Produktqualität durch Transparenz. Wird es in Zukunft auch so kommen, dass Menschen die „Qualität ihres Charakters“ wegen der Gefahr des Web2.0 neu ausrichten müssen? Welchen Zwang auf die Entwicklung eines Menschen hat diese neue mediale Transparenz in der Zukunft?
LG Daniel
Hallo Klaus,
ich denke, es wird noch lange dauern, bis sich diese Denkweise im Mainstream durchsetzt. Man sieht immer wieder, wie die „alten“ Taktiken der Krisen-PR in der heutigen Zeit versagen (siehe z.B. Deutsche Bahn oder auch den Fall Weinreich vs. Zwanziger). Trotzdem wird munter damit weitergemacht. Es ist ja eigentlich schon ein Fortschritt, das Phelps (bzw. sein Management) überhaupt den Dialog sucht.
Ansonsten kann ich den Anmerkungen nur zustimmen.
Beste Grüße
Tobias
Hi Klaus, beide Genannte haben von ihrem Fehlverhalten am Ende nur profitiert: Bono verliert endlich sein Image vom eklig-korrekten Gutmenschen und lebt ein wenig Rock&Roll und Phelps zeigte der Welt, dass er doch kein devianter verhaltensgesörter Roboter-Bubi ist sondern ein recht gewöhnlicher Junge. Als PR-Gegensteuer reichen in beiden Fällen eine lauwarme Entschuldigung und das Kostenlos-Programm „Aussitzen und Schwamm drüber“.
Ich denke, das die Optionen von Web 2.0 langfristig eine Veränderung in der Wahrnehmung von Informationen beim Nutzer bewirken wird. Der Mensch, der aktiv nach Informationen sucht, erkennt früher oder später, das es quasi immer 2 Seiten der Medaille gibt.
Zum Fall Michael Phelps: Hier zeigt sich mal wieder die Doppelmoral – wie dicht zusammen Leistungssport und Drogenkonsum (egal ob eher mit physischen oder psychischen Effekten) liegen, brauche ich wohl nicht näher erläutern.
Und wenn der Junge Goldmedaillen quasi im 10er Pack holt, dann wird das stillschweigend geduldet. Holt er sich aber mal den Kick in einer anderen Form und raucht nen Joint, dann wird geschrien.
Absurde Welt.