80 Prozent aller Blogartikel sollen „vulgäre, anstößige oder beleidigende Elemente“ enthalten, so zitiert Christian Fuchs in einem Zeit-Beitrag vom 6. November 2008 (Print) eine Blogstudie der US-Softwarefirma ScanSafe. Damit werden alle Blogger-Klischees erfüllt und quasi bewiesen, dass die „Tagebuchschreiber“ böswillig und gefährlich sind. Das ist natürlich ideal für einen Anbieter von Filter- und Sicherheitssoftware wie ScanSafe. Dummerweise wird eine solche Behauptung auch nicht richtiger, wenn Sie häufiger wiederholt wird. In dem Zeit-Beitrag dienen die Zahlen, die zeitlich leider nicht eingeordnet werden, als Salz in der Suppe der Geschichte über eine „Putzkolonne im Internet“. Schon in dem Teaser heißt es jedoch etwas differenzierter: „Pöbeleien in Blogs und auf Websites sind kaum aus der Welt zu schaffen. Neue Dienstleister versprechen etwas anderes.“
Beinahe habe ich das Gefühl, dass die „80 Prozent“ oder die Mär von den „bösen Bloggern“ schon zu einer modernen Legende geworden ist. Die allgemeine Bloggerbeschimpfung ist nicht zuletzt deshalb in den Medien sehr verbreitet. So heißt es in FAZ vor kurzem: „Der Blogger bleibt der arbeitsweltliche Asoziale, mit dem draußen keiner spielen wollte.“ (via ConnectedMarketing) Aus Angst vor dem „Schwarzen Mann“ (=Blogger) gehen viele Unternehmen sehr behutsam mit Boggern um und erwarten gleichsam, dass Blogger unberechenbar und böswillig sind.
Überprüft man die genannte Zahl jedoch, findet man sehr schnell heraus, dass ein Artikel über die ScanSafe-Studie bei Spiegel Online bereits am 25.04.2007 unter der Schlagzeile „80 Prozent der Blogs anstößig“ veröffentlicht wurde. Dabei war in der ScanSafe-Studie eigentlich etwas völlig anderes die Botschaft. Im Wortlaut klingt es in der Pressemitteilung etwas differenzierter:
„Blogs are a great vehicle for self-expression and the exchange of ideas,“ said Dan Nadir, vice president, product strategy, ScanSafe. „Employees visiting these sites can unknowingly expose corporate networks to legal liability, viruses and loss of proprietary information. „The content on blogs and other sites powered by user contributed content is constantly changing. As a result, Web security solutions that rely on Web crawling – or periodically scouring the Web for threats – rather than actually scanning the URL each time it is requested, can leave users exposed to malware and unwanted content,“ he added.“
Gegen Schmähungen kann man sich sicherlich im Netz nur schlecht wehren, aber diese finden sich nicht allein in Blogs. Für das Löschen von Netzpöbeleien gibt es einige Dienstleister wie DeinGuterRuf oder Reputation Defender, die gegen ein kleines Honorar versprechen, rufschädigende Inhalte wieder aus dem Web entfernen zu lassen. Allerdings können diese auch keine Wunder beim Online-Reputation-Management vollbringen und sind auf eine Zusammenarbeit mit den jeweiligen Urhebern der kritischen Inhalte angewiesen. So meint auch Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, gegenüber der Wochenzeitung „Die Zeit“ ganz richtig: „Niemand kann garantieren, dass sich ein Website-Betreiber überhaupt von dem Schreiben eines Reputationsdienstes beeindrucken lässt.“
Klaus Eck
Bin mal gespannt wie lange das „Blog-Bashing“ der etablierten Journalie noch weiter geht. Würde mal sagen, das ist ein klassischer Angst-Reflex nach dem Motto: Ich habe schnappe nach allem Bösen.
Die Frage, was „vulgär“ ist, ist doch, wie vieles, eine Frage der Perspektive. Nur weil das Wort „F**K“ im prüden Amerika auf dem Index steht? Das spiegelt doch nicht die Realität der Sprache wieder. Aber das dürfte doch auch der schreibenden Zunft bekannt sein? Oder? Bedenklicher finde ich, dass diese Seiten dann nicht mehr aufrufbar sein sollen – da geht mir die Zensur dann doch zu weit…
Und: Wenn ich in meinem Blog darüber schreibe, dass ich von der Airline XY oder dem Unternehmen YZ schlecht behandelt wurde, dann mag das vielleicht böswillig in Augen des Unternehmens sein. Es ist aber Teil einer „Berichterstattung“, die sich verändert und in der eben der „klassische Journalist“ nicht mehr der Herr darüber ist, was gedruckt werden darf. Wäre ja auch schlimm, wen die Anzeigen zurückgezogen werden, weil man darüber berichtet….
Oder, mit der Worten der „Yes Men“ (leicht abgewandelt): Online heißt es nicht mehr „All the news that’s fit to print“ – sondern „All the news we love to share“.