Kurz vor dem Ende des US-Wahlkampfs greift der Präsidentschaftskandidat Barack Obama noch einmal in die Vollen und präsentiert seine Botschaft „American Stories, American Solutions“ zur besten Sendezeit gleich auf sieben Fernseh-Networks. Dadurch konnten die US-Bürger kaum dem 30 Minuten langen perfekt inszenierten TV-Spot des Demokraten entgehen. Im Gegensatz zu seinem Gegenspieler von den Republikanern verzichtet er darin auf persönliche Angriffe und zeigt sich schon jetzt ganz souverän als der voraussichtlich nächste US-Präsident, der in Lösungen denkt und nicht im Klein-Klein des Wahlkampfs verharrt.
Damit steuert die Obamanie mit einem „Obamamercial“ seinem Höhepunkt zu. Gekostet soll die Ausstrahlung der TV-Anzeige zwischen 3,5 und fünf Millionen Dollar haben. Das kann er sich im Rahmen seiner Wahlkampagne durchaus leisten, schließlich hat er insgesamt rund 780 Millionen Dollar an Spenden eingesammelt, mehr als jeder andere Präsidentschaftskandidat zuvor geschafft hatte. Demgegenüber soll John McCain nur 340 Millionen Dollar an Spendengelder zur Verfügung haben. Inhaltlich hat der republikanische Kandidat wenig zu bieten: Deshalb bezeichnet er den TV-Spot als schönen Schein und erneuerte seine Charakterangriffe auf Obama.
Schon jetzt hat der Video-Spot auf YouTube innerhalb weniger Stunden rund 400.000 Besucher gehabt. Zudem prägt die Meldung die hiesige Medienlandschaft. Ein Blick auf Google News genügt.
Im Tageschau-Blog wird erläutert, was die bekanntesten US-Blogs und ihre User über das Fernsehereignis berichtet haben. Wer sich selbst ein Bild von der Meinung der Onliner machen will, sollte sich Election2008 auf Twitter ansehen. Dort können Sie genau verfolgen, wie die Twitterer über die Kandidaten und den TV-Spot denken.
Es scheint wirklich danach auszusehen, dass Barack Obama am 4. November zum nächsten US-Präsidenten gewählt wird. In seiner Online-Kampagne hat er jedenfalls alles richtig gemacht. Sein Ansatz einer vernetzten Kommunikation über alle Kanäle (Twitter, Facebook, Blogs, Flickr, Meetup, Youtube etc.) hinweg gilt als weltweites Vorbild für künftige Wahlkämpfe, oft auch als Politik 2.0 bezeichnet.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Obamanie gemacht bzw. wie nehmen Sie den Wahlkämpfer Barack Obama wahr? Können Sie sich vorstellen, dass sich daran zunehmend deutsche Politiker orientieren oder leben wir hierzulande auf einem anderen Planeten und sollten lieber die Kirche im Dorf lassen und weiterhin die Fußgängerzonenvariante pflegen?
>> Barack Obama
>> Blog.Tagesschau: Tränen und Langeweile nach “Obamamercial”
>> The Huffington Post: Obama Infomercial (VIDEO)
>> Spiegel: 30-MINUTEN-WERBEMARATHON. Obama erobert Amerikas Fernsehzimmer
>> Taz: Republikaner agieren wie Opposition
>> US-Wahl auf dem PR Blogger
>> Politik 2.0 auf Friendfeed (zahlreiche Politik-Links zum Thema)
Klaus Eck
Gerade bei der vernetzten Kommunikation und Mobilisation darf sein eigenes Online-Netzwerk MyBO nicht vergessen werden. Der Wahlkampf im Internet macht es möglich, dass er über die Ländergrenzen hinweg greifbar wird.
Der Hype um Obama ist beeindruckend. Kann man sagen das die Menschen in „Zeiten der Not“ (Bush-Politik) einen Helden brauchen? Ja, denn das war in der Geschichte fast immer so, auch wenn da die Definition von Held variiert.
Die Obamanie (ein schöner Begriff) ist kein US-Ameikanisches Phänomen, sie ist ein weltweites. Ich kann nicht leugnen, dass ich auch etwas infiziert bin – und das trotz meiner Versuche eine gewisse Distanz zu wahren.
@pickiHH spricht in dem Twitter-Screenshot ein unterschätztes Problem an: Was wenn Obama nicht der nächste Präsident der USA wird? Mittlerweile geht jeder davon aus, dass die Stimmen für ihn reichen – was wenn nicht? Das Szenario möchte ich mir eigentlich nicht ausmalen, aber gerade durch den Hype wäre eine Wahlniederlage eine Katastrophe. Dieses Thema wird leider nicht ausreichend behandelt.
Deutsche Politiker mit einem Wahlkampf im Obama-Stil? Vielleicht in 10 Jahren. Die Wahlkampfkultur in den Vereinigten Staaten ist eine vollkommen andere, sie setzt schon lange auf die Unterstützung aus der Bevölkerung. Ausserdem ist es für einen Wähler in einem „2 Parteien System“ einfacher sich zu positionieren.
Ein weiterer Aspekt der gegen einen weblastigen Wahlkampf in Deutschland spricht ist mMn die mangelnde Medienkompetenz eines Großteils der Wähler.
Ich würde es persönlich sehr begrüßen wenn es sich umsetzen ließe, da es die Wähler auch anspornt, sich aktiver mit den Kandidaten auseinanderzusetzen.
Ich würde da gerne anknüpfen und PickiHH’s Frage erweitern: Was würde mit der Onlineglaubwürdigkeit passieren, sollte Obama tatsächlich nicht gewählt werden?
Könnte es sein, dass das auch einen Umbruch in der Onlinekommunikation hervorrufen könnte, da viele Anhänger Obamas sehr stark online involviert werden. Sollte das erwartete Ergebnis nicht eintreffen könnten sie vor Enttäuschung annehmen, dass auch alles was auf persönlicher Ebene kommuniziert wurde nur „heiße Luft“ ist und dadurch davon ablassen?
Meiner Meinung nach hat er medial allerdings alles richtig gemacht und auch ich muss eingestehen, dass ich mich für ihn begeistern lasse.
Was die Situation in Deutschland betrifft schließe ich mich der Meinung Stefans an. Die Situation und vor allem die Distanz zu den Politikern ist nicht vergleichbar mit der in den USA. Vllt. wird sich das in ein paar Jahren stärker ändern, was man auch schon daran erkennen kann, dass immer mehr Parteien oder Politiker z.B. Twitter für sich entdecken. ich denke aber, dass sie in dieser Hinsicht noch sehr viel lernen müssen bevor die Kommunikation über diesen Weg glaubwürdiger wird.
Deutsche Politiker SOLLTEN sich daran orientieren, wenn man sieht, wie sehr Barack Obama die Leute mobilisiert und das ganze fast als Bewegung verkauft. Dieses Buch von Kerstin Plehwe beschreibt das ganze richtig gut (wie man modernen Wahlkampf mit aktuellesten Mitteln der Kommunikation macht und wie Obama das macht, quasi Web2.0 offline viral werbung ;)…): http://www.von-der-botschaft-zur-bewegung.de/
Danke, daß ihr meinen Tweet aufgegriffen habt :)..
Diese Wahl ist für mich die spannendste und wahrscheinlich wichtigste, der ich in meinem Leben bisher beiwohnen darf. Es wird eine historische Wahl sein, soviel ist sicher. Dazu trägt auch die Art und Weise bei, wie dieser Wahlkampf ausgetragen wird. Die E-motionalisierung der Massen durch die neuen Medien ist unglaublich. Doch ich finde es schwierig zu beurteilen wie weit sie wirklich geht. Ich habe den Eindruck, die „globale Internetgang“ ist völlig obamasiert. Doch der Obama-Twitterstrom ist international, anders als youtube, wo, wie mir scheint der amerikanische Wahlcontent dominiert. Aber wie aussagekräftig ist die globale Internetgang wirklich? Ich glaube, wir sollten uns nicht täuschen, das es auch in Amerika noch viele Menschen gibt, die nicht internetaddicted sind oder gar keinen Zugang zum Netz haben. Nicht ohne Grund lief der 30-minütige Werbespot im Fernsehen. Laut Statistik haben diesen 30 Millionen Amerikaner gesehen, auf Youtube haben ihn 1,3 Millionen Menschen der globalen Internetgang gesehen. Ich glaube auch, daß Internetwahlkampf ein sehr wichtiger Baustein ist, aber (noch) kein entscheidender. Vielleicht wird er speziell in diesem Wahlkampf DER entscheidende, wobei allerdings klar sein muss: nicht die globale Internetgang wählt den Präsidenten, sondern nur der amerikanische Teil.
Ausserdem finde ich, daß speziell dieser Wahlkampf kein Maßstab für die Zukunft sein kann. Die Mehrheit der Amerikaner sehnt sich so sehr das Ende der Bushregierung herbei, daß sich die Gefühle überschlagen. Das die USA knapp 150 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei vor dem Moment stehen, einen Afroamerikaner zum Präsidenten zu wählen emotionalisiert zusätzlich. Doch um zu meinem Tweet zurückzukommen: Wo werden sich all diese Emotionen entladen, wenn entgegen aller Hoffnungen (auch unserer) Obama nicht gewählt wird? Die Beobachtung der Obamasierung hat bei mir genau diese Frage ausgelöst. Zuerst hatte ich nur Angst, das Obama etwas passieren könnte, wenn er gewählt wird, jetzt habe ich zusätzlich Befürchtungen, das es zu Ausschreitungen kommen könnte, wenn er nicht gewählt wird. All diese Enttäuschungen, diese aufgeheizte Stimmung, wie @denQuer schon sagt, eine Wahlniederlage wäre eine Katastrophe.
Ein Internetwahlkampf ala Obama in Deutschland ähnlich zu führen..ja, klar. Den führen dann halt die Handvoll Blogger und Twitterer; denn eine internationale Aufmerksamkeit und Beteiligung, wie sie die USA hat, werden wir nie bekommen. Das heißt aber nicht, das es nicht ein gutes und sinnvolles Instrument ist, um unsere junge Wählerschicht zu aktivieren.
Wenn Obama nicht gewählt werden sollte, hat das sicherlich nicht nur in den USA negative Auswirkungen und führt vielleicht sogar zu kleineren Riots. Ich glaube sogar, dass sich die globale Finanz- und Wirtschaftskrise durch die Wahl eines Mavericks verschärfen würde. McCain gilt als Außenseiter. Niemand scheint mehr mit seinem Sieg zu rechnen. Aber falls er trotzdem dank weniger Stimmen Mehrheit in den richtigen Bundesstaaten gewinnnen sollte…
Im Gegensatz zu Obama wirkt McCain meiner Ansicht nicht wirklich berechenbar,weil er sehr viel temperamentvoller als Obama ist. Er hat seine Gefühle anscheinend nicht immer im Griff und versucht immer wieder komisch zu sein. Wie wird er im Falle einer politischen Krise reagieren? Schickt er tatsächlich in Fünf Minuten die Raketen los, wie es Ronald Reagan während einer Mikrofonprobe in den 80-igern mal scherzhaft gesagt hatte und damit für frostige weltweite Reaktionen gesorgt hatte. Nun – ein passendes Youtube-Video „Bomb Iran“ gibt es ja schon von McCain. Wer weiß…
Alles was es braucht, ist ein Politiker mit Charakter. Einer, der nicht den klassischen Karriereweg gegangen ist und schon mit 20 wie ein Berufspolitiker spricht.
Einer, der eine Botschaft hat und keine Angst, seltsame Dinge über sich in der Zeitung zu lesen.
Einer, der vielleicht sogar eine Mission hat.
Einer, dem die Menschen zuhören – auf allen medialen Kanälen.
Eine, die trotz allem den unbedingten Willen zur Macht und damit zur Umsetzung hat. Ich sage das nicht als Idealist. Ich sage das als Verkäufer.
Und dann wird Twitter in Deutschland zeigen, was es kann. Ein Nukleus und Fokus der realen Diskussionen und ein Anstoss.
Nehmen wir einmal an, jeder Twitterer spricht mit 10 Nicht- Twitterern. Da draussen, meine ich. Klingt ja nicht unwahrscheinlich.
Was ich sagen möchte: Obama ist kein mediales, auch kein Internet-, sondern ein soziales Phänomen. Dazu stark gepusht von dem sowieso schon vorhandenen Willen zum Wechsel. Den „Change“ hat er nicht initiiert, er hat ihn nur erfolgreich für sich gebrandet.
deutsche politiker sollen mir jetzt erst recht wegbleiben mit obama-acting!