Die Bild-Zeitung titelte vor kurzem "30 % mehr im Jahr: Politiker gehen auf Siemens-Chef los. Gehaltserhöhungen sind „instinktlos“ und „geschmacklos“" und tritt damit in gewohnter Boulevard-Manier eine Kampagne gegen den "Raffke-Boss" los, die an die Instinkte der Masse appeliert, ohne viele Hintergründe zu liefern. Dabei muss sogar noch die vor langer Zeit von einem Foto wegretuschierte Rolex-Uhr als Beleg für das Fehlverhalten des Vorstandsverhaltens herhalten. Heute schloss sich Spiegel Online der Medienkampagne an, indem süffisant darüber berichtet wird, wie die Mitarbeiter sich im internen CEO-Blog über die Gehaltserhöhungen aufregen würden. Hierzu präsentiert der Spiegel quasi investigativ recherchiert ein Dossier, in welchem zahlreiche negative Kommentare zitiert werden, die zeigen, dass nicht alle Siemens-Mitarbeiter glücklich mit der Erhöhung der Vorstandsbezüge sind. Natürlich kann man jetzt darüber streiten, ob der Zeitpunkt und der Umfang der Gehaltserhöhung aus kommunikativen Gründen gut gewählt war. Aber viel interessanter finde ich eigentlich die Frage, welche Auswirkungen die Siemens-Story auf die Entwicklung des internen CEO- und Corporate Blogs haben werden.
Erst vor kurzem haben einige Journalisten das Kleinfeld-Blog kritisiert und dessen Ansatz mit einer "Führerrede im Volksempfänger" verglichen, weil die Mitarbeiter sich wohl kaum um Kopf und Kragen im Unternehmen kommentieren werden. Augenscheinlich sieht das völlig anders aus, zumindest kann dafür die Spiegel-Enthüllung als Beleg dienen, die vermutlich darauf beruht, dass ein enttäuschter Siemens-Mitarbeiter die Kommentare kopiert und dann einfach via E-Mail an die Spiegel-Redaktion geschickt hat. Jedenfalls zeigt sich daran für mich, dass Siemens seine Corporate Blogs ernst nimmt und offen interne Kritik zulässt. Angst vor dem publizierten Flurfunk im Intranet scheint jedenfalls nicht zu bestehen, ansonsten wäre es dem Spiegel gar nicht möglich gewesen, die Blog-Kommentare für einen seltsamen Scoop zu nutzen. War es so unwahrscheinlich, dass angesichts zahlreicher Entlassungen im Unternehmen die Gehaltserhöhung auch intern auf Kritik stößt?
An diesem Kommunikationsleck zeigt sich wieder einmal deutlich, dass es im Web 2.0 – Zeitalter sehr schwierig geworden ist, interne Informationen geheim zu halten. Vermutlich ist das sogar fast unmöglich. OpenBC bzw. Xing zeigt dies ebenfalls. Natürlich fällt es bei dokumentierten Beiträgen einem Journalisten sehr viel leichter, diese in eine Geschichte einfließen zu lassen. Früher hätten Journalisten dazu nur zum Hörer greifen müssen, um die Siemens-Angestellten anonym zu befragen. Das Ergebnis wäre vermutlich dasselbe gewesen, aber eben nicht ganz so leicht zugänglich.
Für große Unternehmen ist es sicherlich nicht leicht, eine derartige Business Transparenz auszuhalten und sich der Kritik in all ihren Facetten zu stellen. Dennoch stellt die Offenheit auch eine große Chance dar. Schließlich erhalten die Vorstände auf diese Weise viel mehr Informationen über die tatsächliche Motivationslage ihrer Mitarbeiter, als wenn durch mehrere Kommunikationsabteilungen gefiltert langsam nach oben durchdringt, was schon längst großes Gesprächsthema im Unternehmen ist.
Die Business Transparenz ermöglicht es intern wie extern unmittelbar auf negative Entwicklungen zu reagieren. Deshalb glaube ich, dass auch Siemens trotz der heftigen internen Kritik mittelfristig von ihrem CEO Blog genauso wie von den Corporate Blogs profitieren wird.
P.S.: Übrigens wird das Thema der übernächsten Nextperts am 8. November die Blog-Strategie von Siemens sein. Ich freue mich auf die Diskussion und zahlreiche Teilnehmer. In Kürze erhalten Sie dazu weitere Informationen im PR Blogger. Natürlich können Sie auch schon an dieser Stelle einige Fragen formulieren, die ich dann gerne weitergebe …
>> Spiegel: 30 Prozent mehr für Vorstände: Siemens-Mitarbeiter revoltieren im Intranet
>> Das CIO Weblog: Weblogs bei Siemens: Kleinfeld unter Feuer
>> Pimp My Brain – Weblogs und Podcasts bei Siemens und das Projekt Blog 100 – Michael Rossa (Vice President Corporate Media) und Christoph Engels (Head of Message Development) im Gespräch mit Alexander Wunschel
Klaus Eck
technorati tags:Siemens, Kleinfeld, Blogs, CEO, Medien, PR, Corporate, Business
Die Offenheit stellt nicht nur eine große Chance dar – sie ist auch die einzig mögliche Antwort auf einen nicht aufzuhaltenden Meinungsäußerungs- und Meinungsbildungsprozess, der mit web 2.0 erst so richtig öffentlichen Anlauf nimmt. Das „Übel“ verschweigen oder kontrollieren zu wollen, geht nicht mehr.
Blogs werden anscheinend von Mitarbeitern rege zum „Dampf ablassen“ genutzt (erinnert mich an den Kummerkasten früher im Klassenzimmer) und eignen sich insofern gut zur negativen Stimmungsmache. Positives wird vermutlich seltener kommentiert. Ob dieses geballte „Dampfablassen“ aber wirklich konstruktiv im Sinne des Unternehmens ist, sei dahingestellt. Zunächst stellt sich die Lage bei Siemens als kommunikatives Desaster dar. Bin gespannt, wie es weiter geht.
Ich wüsste auch nicht, was es da noch schönzureden gibt 😉
Was die Darstellung von positiven Dingen anbelangt, da gibt es aber auch Leute, die sich um so etwas bemühen. Wenngleich es im Moment etwas mühsam ist, positive Beispiele zu finden:
http://www.psycho-blog.net/200609d.htm#26_368
http://www.psycho-blog.net/200604c.htm#28_211
http://www.psycho-blog.net/200601.htm#27_118
danke für den wie immer gut verlinkten beitrag – aus meiner sicht sind interne ceo-weblogs sehr nahe an mitarbeiterzeitschriften anzusiedeln: was man hier schreibt, kann an die öffentlichkeit gehen. auch wenn das nicht die idee ist – learnings aus meiner sicht auf http://bernetblog.ch/2006/09/27/spiegel-zeigt-kommentare-aus-internem-ceo-blog-von-siemens-drei-learnings-fuer-unternehmensblogs/
BusinessNews zitiert Blogs und Podcasts selektiv und falsch
In der BusinessNews – immerhin Deutschlands erste Office-Zeitung entdecke ich heute mit Staunen, wie selektiv Blogs doch oftmals wahrgenommen werden. Ein mir unbekannter Journalist schreibt dort über die Kritik, die Siemens-Chef Klaus Kleinfeld intern …
Moderne Kommunikation im Unternehmen
Ein groer deutscher Konzern steht zur Zeit im medialen und auch netzkulturellen Rampenlicht. Siemens ist ganz weit vorne in der Nutzung zeitgemer Kommunikationswege. Der CEO bloggt selbst und als Mitarbeiter kann man fast wie bei bl…
Der SPIEGEL Artikel ist ein PR-Gau für Siemens. Denn er bewirkt genau den Effekt, dass der Leser dem Unternehmen nicht mehr abnimmt, dass ihm seine Mitarbeiter auch nur irgendwie am Herzen liegen (da kommen natürlich einige Dinge zusammen, auch BenQ spielt da mit herein.) Ich überlege, ob Kleinfeld durch kluges Agieren in seinem Blog dies hätte umbiegen können – bezweifle das allerdings. Der Fall zeigt ja, dass es ein grundlegendes Problem mit der Kommunikationskultur bei Siemens gibt – die Erhöhung der Vorstandbezüge war ganz offensichtlich im Vorfeld nicht so kommuniziert worden, dass die Belegschaft mitziehen konnte.
CEO Blog
Die besten Voraussetzungen, um ein CEO-Blog an die Wand zu fahren.
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