Sebastian Thielke Sebastian Thielke ist Consultant für Digital Transformation bei Beck et al. Services GmbH. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

Warum Enterprise 2.0 nicht nur auf Technik setzen sollte

3 Minuten Lesedauer

Viele Enterprise 2.0 Projekte scheitern, weil sie zu sehr auf die technische Realisierung setzen und dabei andere Faktoren außer Acht lassen. Das fand die Gartner Inc. jüngst heraus, die in einem Forecast die Entwicklung von Social Business und Enterprise Social Networks betrachtet. Die Kernaussage des führenden Dienstleisters in der IT Beratung und Technologie Forschung,: 80 Prozent der Social Business Projekte werden nicht den angestrebten Nutzen erreichen. Dies liegt vor allem daran, dass mangelhafte Führung und fehlendes Commitment seitens der Unternehmensleitung für die Projekte besteht sowie ein übertriebener Fokus auf die technische Umsetzung gelegt wird. Diese Entwicklung sieht Gartner für das Jahr 2015.

„Ver“-Führung Warum ich Beifall zu diesem Forecast geklatscht habe? Der Beitrag zeigt eindeutig, dass zwar Nutzen, Möglichkeiten und Benefits von Enterprise 2.0 Projekten erkannt wurden, jedoch bei der planmäßigen und vor allem strategischen Umsetzung  viele der Unternehmen im Dschungel der Software Anbieter verschollen sind. An vielen Stellen versuchen die Marketing- und Sales-Abteilungen der Social Software Anbieter Kunden mit Features, Benefits und Revolution zu ködern. Grundsätzlich ist daran nichts auszusetzen, jedoch sind die Verführungsmaßnahmen stark auf die technische Umsetzung bzw. die technische Implementierung ausgerichtet.

Strategische Punkte als Beiwerk Natürlich kann man jetzt sagen, dass die Anbieter selbstverständlich auf die ganzheitlichen Umsetzungspunkte achten: Change Management, Kommunikation, Engagement und Motivation. Jedoch sind in vielen Projekten diese Punkte nur schönes Beiwerk, das den Verkauf fördert. Die Social Software Anbieter verfügen zwar über ein sehr gutes Spektrum an Erfahrungen und Umsetzungsstrategien. Was ihnen jedoch fehlt, ist die Einsicht in das Unternehmen, der Einblick in Kommunikation und Kultur sowie in Verhaltensweisen und Politik. An diesen wichtigen Punkten muss die Gesamtstrategie angreifen und ansetzen.

Fokus ohne Führung Die technische Umsetzung, Planung und infrastrukturelle Landschaft können perfekt sein. Doch was nutzt all die Perfektion, wenn niemand im Unternehmen weiß, wieso sie bzw. er es nutzen soll. Wo liegt der Sinn für ein Instrument wenn selbst die Unternehmensführung eher auf konventionelle Mittel zurückgreift? Wie soll ein Mitarbeiter die kommunikativen Ansätze und Begründungen für sich annehmen, wenn die Entscheidung für ein internes soziales Netzwerk nur durchgepeitscht wurde ohne die Bedürfnisse, Kenntnisse und Meinungen der Nutzer zu berücksichtigen?

Erfahrungsberichte Die Aussagen des Forecast können nicht treffender sein. Ich kenne viele Beispiele von Kollegen und Mitstreitern, die immer wieder davon berichten, dass sich Unternehmen für einen technischen Anbieter entschieden haben, die Umsetzung komplett ohne Projektsteuerung oder Beteiligung durchgeführt wurde, das Unternehmen nun über ein technisch raffiniertes, internes Social Network verfügt aber keiner mitmacht, sozusagen eine Geisterstadt auf dem neusten technischen Stand.

Gelebtes Commitment Die Aussicht, die Gartner aufstellt, zeigt einen der wichtigsten Partner für den Erfolg von Enterprise 2.0 Projekten: die Unternehmensführung. In meinem letzten Beitrag Erfolgsfaktor Mensch beim Enterprise 2.0 Projekt gehört diese Gruppe zu den wichtigsten Stakeholdern in der Enterprise 2.0 Umsetzung. Fehlen der Rückhalt und das Commitment auf der Führungsebene, gibt es keine Motivation seitens der Mitarbeiter. Wieso soll ein Mitarbeiter etwas nutzen, dass sein Chef ebenfalls nicht nutzt und nutzen will? Hier wird ganz deutliche die Vorbildfunktion der Unternehmensführung klar. Erfolg und Nutzen muss vorgelebt werden.

Schulterschluss mit wichtigen Stakeholdern Damit das Enterprise 2.0 Projekt erfolgreich funktioniert, müssen folgende Stakeholder im Projektteam vertreten sein. Sie bieten unterschiedliche Erfahrungsbereiche, Netzwerke und kommunikative Zugänge zu den unterschiedlichen Stakeholdern im Unternehmen.

Interne Kommunikation

  • bietet redaktionellen Zugriff auf alle vorhandenen Kommunikationsmedien und kann somit eine breite Akzeptanz und kommunikative Streuung bei den Mitarbeitern erreichen
  • kennt die Kommunikationskultur sowie die unterschiedlichen politischen Lager und Verhaltensweisen
  • ist mit allen Stakeholdern des Unternehmens vernetzt

IT und CIO

  • bietet den technischen Support und die Kenntnisse bezüglich bestehender Systeme
  • kann in technischen Fragen zur Migration, Einrichtung und Integration von bestehender Infrastruktur herangezogen werden
  • ist in technischen Fragen gut vernetzt mit Mitarbeitern und „Problemfällen“

Human Ressources

  • hat den besten Kenntnisstand bezogen auf Arbeitsbereiche, Mitarbeiter, Vernetzung, Unternehmenskultur und rechtliche Belange
  • weitere hervorragende Kommunikationsebene zu den Mitarbeitern sowie zu anderen Unternehmensstakeholdern
  • hervorragende Vernetzung mit Führungskräften

Betriebsrat

  • hat den fokussierten Blick auf die Arbeitnehmerrechte und mögliche Verletzungen von Rechten und Pflichten
  • gute Vernetzung zu den Mitarbeitern
  • Kenntnis über Unternehmenskultur, sozial-gesellschaftliche Netzwerke

Für diese breite und facettenreiche Aufstellung im Projektteam spricht auch eine Erkenntnis aus dem Crowdsourcing : Viele Problemlösungen und Innovationsansätze werden nicht von Fachspezialisten gefunden, sondern in vielen Fällen von fachfremden Amateuren aufgezeigt. Dieser ungetrübte Blick aus einem anderen Blickwinkel kann ein Problem auf die einfachste Art und Weise lösen.

Teambuilding

Die erfolgreiche Umsetzung eines Enterprise 2.0 Projekts beginnt somit schon bei der Zusammenstellung des Projektteams und seiner Beteiligten. Eine rein technisch orientierte Umsetzung wird alle weiteren strategisch wichtigen Belange vernachlässigen und das nicht einmal mit Absicht, sondern weil Informationen, Netzwerke und Kommunikation zu ausschlaggebenden Stakeholdern einfach fehlen. Die größten Erfolgschancen hat ein interdisziplinäres Team, dass alle Stakeholder berücksichtigt und sich zusätzlich externe, fachliche Expertisen aus dem Bereichen Consulting, IT und Social Software Anbietern heranzieht. Wird dies berücksichtigt, gehört das Enterprise Social Network Projekt zu den 20 Prozent erfolgreichen Umsetzungen im Jahr 2015.

Welche Stakeholder sehen Sie zusätzlich im Projektteam Enterprise 2.0? Gibt es Reibungspunkte und Ungereimtheiten in einer solchen Teamkonstellation?

>> Teil 1: Social Media im Unternehmen: Die falsche Angst vor dem Enterprise 2.0

>> Teil 2: Social Media im Unternehmen: 5 strategische Punkte in der Pionierphase

>> Teil 3: Social Media im Unternehmen: Erfolgsfaktor Mensch im Enterprise 2.0 Projekt

Bildquelle: BIGSTOCK, d-Technology-office-illustra und Business-People-Discussing-Wor

Sebastian Thielke Sebastian Thielke ist Consultant für Digital Transformation bei Beck et al. Services GmbH. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

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9 Replies to “Warum Enterprise 2.0 nicht nur auf Technik setzen sollte”

  1. Mir in vielen Punkten aus der Seele gesprochen, Danke für den Beitrag. Allerdings rege ich an, den Begriff Enterprise 2.0 Projekt auch kritisch zu prüfen. Projekt assoziiert ein Ende mit Erreichen des Projektziels, E2.0 aber ist ein Prozess, und was wir in Unternehmen benötigen, sind die Prozessbegleitenden und -fördernden. Der Begriff Projekt rückt leider das Thema wieder sehr in Richtung IT-Projekt.

    1. Hallo Frau Trude,

      vielleicht ist die Reichweite des Begriffs tatsächlich etwas kurz. Aber er ist für Unternehmensentscheider ein greifbarer Begriff. Die Dynamik des Prozesses und die eigentlich ständig stattfindenden Entwicklung wirkt in der Wahrnehmung und Kommunikation zu abstrakt. Projekt als Vokabel hat hier eher Bedeutungstransfer-Funktion.

      1. Ja, sehe ich zwar auch so, und der Begriff Projekt ist eher gedanklich fassbar, aber ich bemerke immer wieder, dass eben darin das Problem besteht, weil dann eben die Entscheider auf diese Projektidee fixiert bleiben und ihre bekannten / bewährten Strategien und Abläufe für die Entscheidungen zu grunde legen. Und dummerweise kann eben dies kontraproduktiv sein.

      2. Ich bin da vollkommen bei Ihnen! 
        Es ist eine sensible Gradwanderung. Es muss ausbalanciert beides kommuniziert werden. Die Begrifflichkeit des Projekts als greifbare Vokabel und dies immer in Verbindung mit der dynamischen und andauernden sowie offenen Entwicklung von Unternehmen 1.0 zu Enterprise 2.0. Die Vokabeln dynamisch, Prozess und offen müssen immer wieder in Verbindung miteinander gebracht werden. 

  2. Guter Artikel, dem ich vollständig zustimme. Irgendwann ist Technik wichtig, aber vorher muss nachgedacht und die Unterstützung der Leitung eingeholt werden.
    Enterprise 2.0 ist in der Tat ein Prozess, der vielleicht ein paar „quick wins“ bringt, aber seine eigentliche Stärke erst mittelfristig ausspielt. Das Durchhalten wird aber auf jeden Fall belohnt. Der Produktivitätsgewinn wird messbar und die Vernetzung der Mitarbeiter ändert das Klima im Unternehmen nachhaltig zum Positiven.

    1. Ja, Zeit und Erwartungen sind eine Hürde für Enterprise 2.0, die für viele Entscheider nicht greifbar scheinen. 
      Ich glaube wir kämpfen hier auch mit Überbleibseln aus IT- und Technik-Projekten. Schon wesentlich früher haben die techniklastigen Projekte gezeigt, dass sie schnell umgesetzt werden können. Doch sind sie dann eben nur technische Umsetzungen. Auch in dieser „alten“ Gedankenwelt muss der Funke der Disruption einsetzen. Erste Ergebnisse werden sich mittelfristig zeigen aber der tatsächliche Wandel, die durchbrechende Erkenntnis wird sogar nur auf langfristige Sicht erreicht.

  3. Fantastischer Artikel, den ich genauso in meiner wenn auch beschränkten Praxis erlebe. Ich habe einige – eben kleinere Schritte – bei meinem Arbeitgeber einem mittleren Unternehmen eingeleitet, und genau das stelle ich immer wieder fest. Die Technik ist nicht der entscheidende Punkt, ob etwas Mehrwert generiert oder nicht.

    Genau da sehe ich persönlich meine berufliche Zukunft. Dieser Artikel hat mich darin wieder bestärkt. Danke.

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