Sie gehört zu den internationalen Content-Strategie-Stars: die Amerikanerin Karen McGrane, Managing Partner bei Bond Art + Science. Kein Wunder: Bereits seit über 15 Jahren arbeitet sie als Content-Strategin und User Experience Designerin – während andere erst versuchen, sich einen Platz auf dem jungen Markt zu sichern. Im PR-Blogger-Interview beschreibt sie die Bedeutung von Content-Strategien für Unternehmen.
Karen, in Deutschland fragen sich viele Unternehmen, wozu sie eine Content-Strategie gebrauchen könnten. Sie sind zufrieden mit Kommunikationsstrategie, Website, PR und Marketing. Was also bringt ein Content-Stratege „on top“?
Karen McGrane: Wenn ein Unternehmen in all diesen Bereichen erfolgreich ist, würde ich sagen: es hat vermutlich schon eine gute Content-Strategie. Aber viele Unternehmen haben Probleme, ihre Publikationsbemühungen in Business-Werte zu übersetzen. Zum Beispiel veröffentlichen sie Posts auf Facebook, schaffen es aber nicht, einen Geschäftsnutzen daraus ziehen.
Manche haben nicht das richtige Managementmodell, um den Wert eines Contents zu bewerten und nötige Veränderungen durchführen zu können. Andere wiederum haben womöglich großartigen Content und Kommunikationsstrategien, aber leider nicht die dazu passenden Technologien und Tools.
Die Content-Strategie als Disziplin ist neu, weil sie hinter die Kulissen der Marketingkommunikation blickt. Sie kümmert sich um den Workflow des Publizierens und die Technologie, um Informationsarchitektur, Analyse, Management und Umsatzmodelle.
Und genau hier müssen sich Unternehmen fragen: Machen wir das alles? Und sie müssen sich im Klaren sein: Die Kosten für schlechten, abgelaufenen Content und schwerfällige Content-Management-Prozesse sind hoch.
Ich bin überzeugt, dass Unternehmen den Einfluss schlechten Contents messen können, etwa anhand entgangener Verkäufe, erhöhtem Kunden-Support, Kosten wegen ineffizienter Wiederverwertung des Content und vergebliche Bemühungen der Mitarbeiter.
Ist Content Strategie eine Aufgabe, die innerhalb eines Unternehmens stattfinden muss? Oder ist es besser, einen externen Content-Strategen zu engagieren? Und wie lange sollte die Zusammenarbeit dauern?
Karen McGrane: Content-Strategie ist eine kontinuierliche Aufgabe, die innerhalb eines Unternehmens gemanagt werden muss. Jemand muss dauerhaft Content besitzen, managen und betreuen. Deshalb arbeiten viele Content-Strategen inhouse.
Dabei hängt es vom Business ab, in welcher Abteilung ein Content-Stratege untergebracht wird. Es muss nicht unbedingt immer das Marketing sein, sondern kann auch in Strategie, IT oder UX-Design lokalisiert sein.
Es ist aber nützlich, einen externen Content-Strategen zu holen, wenn ein Unternehmen das zum ersten Mal macht. Denn ein Externer hat die Freiheit, Empfehlungen zu äußern, die – würden sie von einem internen Mitarbeiter kommen – womöglich als Kritik missverstanden würden.
Für viele Unternehmen wäre es ideal, einen externen Content-Strategen für 3 bis 6 Monate anzuheuern. Nach Ablauf dieser Zeitspanne kann dann ein internes Team alle Content-Strategie-Aktivitäten übernehmen.
Wie willkommen ist ein Content-Stratege in einem Unternehmen? Immerhin könnte er anderen mit seiner Arbeit auf die Füße treten – etwa, wenn er manche Abteilungen auffordert, ihren Content zu überarbeiten.
Karen McGrane: Ich habe von einer Firma gehört, in der mehrere Angestellte Blogbeiträge und Pressemitteilungen schrieben. Sie dachten, sie machen einen großartigen Job. Aber es stellte sich heraus, dass manche Artikel nur von 5 Leuten gelesen wurden!
Nun hilft ein Content-Stratege, die Publikationspraxis nach dem auszurichten, was dem Unternehmen Mehrwert bringt. Es könnten manche beleidigt sein, weil sie erkennen müssen, dass ihre bisherige Arbeit das Ziel verfehlt hat. Aber ich hoffe, dass sie Interesse daran haben, dass sich ihre Anstrengungen lohnen – und deshalb gerne den Content-Prozess verändern.
Woran erkenne ich einen guten Content-Strategen?
Karen McGrane: Dazu würde ich unterteilen in „Hard Skills“ und „Soft Skills“. „Hard skills“ sind zum Beispiel Vertrautheit mit Redaktionsprozessen, Content-Management-Systemen, Taxonomie und Metadaten.
Die einen Content-Strategen konzentrieren sich mehr auf Messaging und Copywriting, andere mehr auf Architektur und Workflow. Man sollte vorher abklären, was das Unternehmen genau braucht und sich dann die richtige Person ins Haus holen.
„Soft Skills“ sind die gleichen wie bei guten Beratern. Ich würde jemanden wollen, der überzeugend ist, der die richtigen Kämpfe aufnimmt, der das Business kennt und die verschiedenen Perspektiven versteht. Wenn man durch die Politik einer Organisation navigieren muss, kommt es darauf an, die Botschaften für das jeweilige Publikum maßzuschneidern — ein Content Stratege muss gut darin sein!