Es klingt banal, aber quasi alle Unternehmen sind Arbeitgeber. Immer mehr von ihnen werden nun durch eigene Facebook-Auftritte auch Gastgeber im Social Web, erst wenige dagegen sind bereits Gast auf den eigentlichen Tummelplätzen ihrer Zielgruppen. Bemerkenswerterweise konzentriert sich bisher der Schwerpunkt der entsprechenden Fachdiskussion im Personalmarketing und Employer Branding auf die Möglichkeiten, vermutet Wissenswertes und/oder Authentisches über das jeweilige Unternehmen auf diversen Kanälen zu publizieren. Wie selbstverständlich sehen sich Unternehmen als Gastgeber. Fast ausschließlich geht es dort zudem um Facebook und Twitter.
Diese sind sicherlich notwendige Präsenzbereiche, aber für ein fortgeschrittenes Employer Branding keine hinreichenden Plattformen. Hier soll jedoch in keinster Weise unterschätzt werden, welche große Leistung darin besteht, für ein solches Engagement die unternehmensinterne Zustimmung zu erreichen. Nicht von ungefähr werden gerade dieser Tage die Social Media Personalmarketing Innovatoren (SMPI) ausgezeichnet: und auch im PR Blogger gesucht. Ich selbst – als SMPI-Jurymitglied – lasse die Erfolge der vorgeschlagenen Kandidaten Revue passieren und bin sehr vom Innovationsspektrum dieser Vormacher beeindruckt. Das entscheidende i-Tüpfelchen liegt aber bisweilen darin, den Funken auf das eigene Unternehmen überspringen zu lassen.
Mitunter waren diese ersten Innovatoren deutlich schneller als ihre Organisationen. Es ist aber nur zu verständlich, dass eingeschwungene organisatorische Umfelder nicht immer in schnellem Maße lernen können. Eine Möglichkeit, um die bestehenden und wohl begründbaren Zögerlichkeiten, Fragezeichen und Unsicherheiten zu reduzieren, liegt darin, vor einer aktiven Bespielung der neuen Kanäle den eigenen Zielgruppen zuzuhören und die eigene Positionierung aus Zielgruppensicht aufzunehmen. So lässt sich durchaus die These vertreten, dass das Neue Netz zusätzliche Kanäle schafft, um eigene Botschaften in sehr viel persönlicher und nahbarer Form zu senden, aber eine ebenso große Neuerung darin besteht, plötzlich die tatsächlichen Fragen, Erfahrungen und Erwartungen zu erkennen und sogar an diesen Diskussionen teilnehmen zu können.
Wer nun aber primär auf soziale Netzwerke wie Facebook schaut, der wird diese Einblicke nicht erhalten: Welcher Aspirant mag sich sich im Kreis der Freunde und/oder Kollegen offen über Karrierewünsche und Gehaltsvorstellungen austauschen? Dies wird nicht nicht passieren. Diese sozialen Plattformen dienen primär der Vernetzung, nicht der Vertiefung. Vertieft werden die relevanten Fragen dagegen auf spezifischen Foren, die eine anonyme oder pseudonyme Diskussion erlauben. Als Beispiel kann hier Wiwi-treff.de herausgestellt werden: Nicht wenige Kandidaten werden sich etwa zum Thema Einstiegsgehälter dort informiert haben. Wie gut sind die gehaltsbezogenen Aussagen zu Ihrem Unternehmen?
Eine Social Media Analyse identifiziert und verdichtet solche Diskussionsstränge. Aus der Vielzahl der Beiträge und Threads lassen sich mit semantischen Methoden die zentralen Aspekte und Wertungen herausfiltern. So werden zum einen die tatsächlichen Tummelplätze einer Zielgruppe identifiziert, zum anderen wird ein semantisches Themennetz über die verteilten Diskussionsräume geschaffen. Für ein solches Themennetz werden überproportional häufig verwendete Begriffe herausgefiltert und durch Kontextlinien verbunden: Dadurch entsteht ein gutes Abbild der Nutzerdiskussion.
Ein Verständnis dieser Themen und Fragen ermöglicht es, die tatsächlichen Entscheidungswege einer Zielgruppe zu „rekonstruieren“. So soll hier darauf hingewiesen werden, dass eine Social Media Analyse im Kontext Employer Branding und Personalmarketing sich keinesfalls darauf beschränken darf, Listen von Beiträgen zu erstellen, in denen ein Arbeitgeber genannt wird. Dies würde zum einen dem Blindflug Vorschub leisten, weil der Fokus zu eng gefasst wird, zum anderen wird die Leistung nicht erreicht, konkrete Ansatzpunkte für eigene Maßnahmen und Positionen abzuleiten.
Beispielhaft zeigt das folgende Prozess-Chart, wie ein Entscheidungsweg exemplarisch veranschaulicht werden kann. Hinter jeder Phase und jeder Abzweigung stehen die Quellen und Nutzerbeiträge, auf die ein Kandidat im Netz stößt. Es sind die Andockstellen, die ein Arbeitgeber zumindest im Auge haben sollte, an denen er idelaerweise aber aktiv seine Antworten und Sichten einbringen kann, um die „Sickerverluste“ in seiner erweiterten Bewerber-Pipeline zu reduzieren bzw. den Kandidaten frühzeitig ein authentisches Bild zu geben.
Auf Basis einer Social Media Analyse lassen sich für jeden Entscheidungsschritt die relevanten Quellen und Argumente darstellen. Damit erhält ein Arbeitgeber die Stellschrauben, die er authentisch aufnehmen kann oder/und an denen intern weiter gearbeitet werden muss.
- Mit diesem Wissen kann passgenau eine Themenplanung und Kommunikationsstrategie für die eigenen Präsenzen abgeleitet werden. So erhöht ein Arbeitgeber die Attraktivität seiner Gastgeber-Plattformen, d.h. seiner Netzwerk-Seiten, Blogs und Medien-Kanäle, wenn er die Fragen und Wünsche seiner Zielgruppe berücksichtigt. Eine eher grundlegende, aber nicht immer beherzigte Weisheit …
- Es sind genau die Punkte, an denen Mitarbeiter als Gast auf den relevanten Plattformen ihre Erfahrungen einbringen, aber auch eigene Fragen stellen können. Zu beachten ist, dass HR nach dem Gebot der Authentizität nicht immer der beste Akteur ist: Gute Botschaften brauchen Träger mit entsprechendem „Stallgeruch“.
Damit wird deutlich, dass die Implikationen der transparenten Arbeitgeberdiskussion im Social Web weit in die Unternehmen hineinreichen. Denn die für die Personalseite entstandene Aufgabe, nicht einfach selbst auf relevante Beiträge zu reagieren, sondern (besser) geeignete Kollegen mit entsprechender fachlicher Vertiefung, universitärem Hintergrund oder spezieller Biographie zu identifizieren, ist eine neuartige Herausforderung. Die erwachsenden Prozess- und Ressourcenfragen markieren betriebswirtschaftlich eingeordnet einen neuen Koordinationsmechanismus und sind Ursache der häufig festzustellenden Umsetzungsschwierigkeiten.
Für Arbeitgeber hat ein erfolgreicher Social Media Dialog folglich immer gewichtige Inhouse-Aspekte. Oder sogar noch prägnanter:
Social Media ist für Arbeitgeber nur initial ein Online-Thema.
Mit dieser Denkrichtung möchte ich auf eine Initiative hinweisen, die eine umfassende Untersuchung von Arbeitgebermarken zum Ziel hat: Deutschlands Arbeitgebermarken. Das modulartige Testverfahren nimmt interne und externe Zielgruppen ins Visier und sollte so fundiert von eventuellen Scheinerfolgen abstrahieren. (Als Beirat freue ich mich hier besonders über Kommentare.)
Abschließend soll hier dafür plädiert werden,
- das Social Web Ernst zu nehmen, weil sich die meisten Recruiting-relevanten Zielgruppen dort austauschen,
- sich dabei gerne mit eigenen Seiten in sozialen Netzwerken als Gastgeber zu inszenieren, aber auch die Fragen der Zielgruppe in relevanten Foren aufzunehmen.
Dort sind Sie als Unternehmen aber nur zu Gast. Ein guter Gast verhält sich so, dass er wiederkehren darf. Dies wird in vielen Vertiefungen nicht von der Personalseite allein zu meistern sein. So wird es immer mehr zu einer HR-Aufgabe, das gesamte Unternehmen fit für Social Media zu machen.
Doch was gibt es derzeit Spannenderes?
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Bei der klassischen Markentheorie unterscheidet man zwischen der
Unternehmensmarke und der Produkt / Leistungsmarke
eines Unternehmen. Neben der Markentheorie gibt es für den Personalbereich
aber auch der Begriff der Arbeitgebermarke (Employer Brand).