Stellen Sie sich vor, Sie haben ein wichtiges Thema an der Hand, dass Sie kundtun möchten. Normalerweise geschieht dies über Agenda Setting. In Wikipedia wird Agenda Setting wie folgt beschrieben: „Der Begriff Agenda Setting (engl.) bzw. Agendasetzung bezeichnet die Funktion der Massenmedien, durch das Setzen konkreter Themenschwerpunkte und Einschätzungen in der öffentlichen Meinung, die öffentliche Agenda (lateinisch: „zu tuende Dinge“) zu bestimmen.“ Und nun stellen Sie sich vor, es gibt keine Massenmedien mehr, beziehungsweise, es gibt zwar noch Massenmedien, aber kein Medienvertreter hört Ihnen zu, weil er keine Zeit dazu hat. Dann funktioniert Agenda Setting nicht mehr, oder nur noch bei wirklich großen Themen.
Diese Situation haben wir im Grunde genommen bereits heute. Es gibt sehr viele Themen in Unternehmen und Verbänden, die es wert wären zu verbreiten, aber die Massenmedien oder auch Fachzeitschriften haben kaum mehr Zeit, sich derer anzunehmen. Aufgrund von Budgetkürzungen und Stellenabbau ist der Ansprechpartner für uns PRler oft nicht mehr da.
Nun können wir an der Situation verzweifeln oder versuchen, über einen anderen „Mittler“ selbst die Wege in die Gesellschaft zu finden. Dank Social Media hat sich ein neuer Kanal für uns aufgemacht und es zeigt sich, dass man die Gesellschaft im allgemeinen oder auch nur einzelne Zielgruppen auch ohne das Zutun der Medien mit bestimmten Themen erreichen kann. Vielleicht nicht so schnell, aber genauso gut.
Wie funktioniert nun aber Agenda Setting im Web 2.0? Dies war eine zentrale Frage in einer von mir spontan initiierten und geleiteten Session auf der webcific im Rahmen der discuss & discover in München.
Zu den Teilnehmern der Session zählten PR-, Medien- und Marketingvertreter. Diskutiert haben wir zum einen, ob es ausreicht im Web 2.0 als PRler aufzutreten oder ob wir für das Social Web viel mehr zum Kommunikationsarbeiter werden müssen. „Zurück zum Anfang“ lautete eine der Devisen und die Architektur der Aufmerksamkeit muss überdacht werden. Das Themenmanagement steht an vorderster Front in den Agenturen und das publizistische Selbstverständnis von Unternehmen muss gefördert werden. Die Diskussion bestand auch darin, ob wir PRler den Job im Social Web komplett an die Online-Werbeagenturen abgetreten haben, denn sie sind es, die über Kampagnen in den Dialog mit der Zielgruppe kommen, den Dialog führen und moderieren. In meinem Beitrag zur dmexco bin ich auf die Problematik bereits eingegangen, welche Rolle die PR im Online-Marketing spielt, bzw. spielen könnte.
Nun aber zurück zum Agenda Setting im Social Web. Für mich ist die zentrale Frage, ob wir durch Zuhören der Community, Themen auf die Agenda setzen können, die die Community tatsächlich interessiert und wir dadurch weiterentwickeln und flächendeckend setzen können? Man könnte diesen Prozess auch wie folgt beschreiben: vom Zuhören, zum Dialog und dann zum Multilog. Der Begriff Multilog bedeutet die Kommunikation zwischen mehreren Subjekten, die an einem Ort zusammenkommen und durch Akzeptanz eines Themas einen Konsens schaffen. Stellt man sich also vor, die PR hört über verschiedene Social-Media-Plattformen ihrer Zielgruppe zu und entwickelt daraufhin zielgerichtet Themenschwerpunkte, mit denen ein Diskurs über mehrere Plattformen gestartet wird, dann könnte über diese Kraft des Social Webs ein neues Agenda Setting entstehen, weil es durch die Zielgruppe aufgegriffen wird und uns das wiederum hilft in den Massenmedien Gehör zu finden.
Wer Lust hat an dieser Diskussion teilzunehmen, sollte dies in Form eines Kommentars hier tun. An alle webcific Teilnehmer der Session: bitte mitmachen, denn nur so können wir das Thema weiterentwickeln. Dank an dieser Stelle an alle Teilnehmer, um nur einige zu nennen: Thomas Sprenger, Tapio Liller, David Eicher, Malte Leopold, Martin Meyer-Gossner und und und
Heike Bedrich, Talisman Kommunikation
twitter/heikebedrich
Eine, wie ich finde, sehr interessante Fragestellung.
Grundsätzlich sollte man immer Anderen zuhören, nicht nur im Netz. Wenn es aber um Agenda-Setting geht, kann „Zuhören“ als erster Schritt nur bedeuten, dass man nicht zwangsläufig Situationen abwartet (dann würde ich vielmehr von Agenda-Surfing sprechen), sonder dass ich die richtige Zielgruppe für mein Anliegen identifiziere und versuche sie als Unterstützer zu gewinnen.
Insofern unterscheidet sich der Agenda-Setting-Prozess im Web 2.0 eigentlich nur unwesentlich im Vergleich zur Vergangenheit / Gegenwart. Ersetze Journalisten durch Web-Zielgruppe (spezielle Blogger, twitterer etc.), und die Theorie bleibt die Gleiche.
hallo klaus, sehr gute betrachtung. gestolpert bin ich beim multilog: ist es notwendig, immer wieder einen neuen fachbegriff zwecks verkomplizierung des inhalts zu definieren? für mich heisst dialog nie nur one-to-one, sondern führt hin bis many-to-many.
nach dieser besserwisserei werfe ich gleich einen neuen fachbegriff in die runde: deine betrachtungen führen mich zu «agenda shaping», statt «setting». denn im social web gilt wie im medienbereich – themen lassen sich nur dort mit-gestalten, wo sie virulent schon angesetzt sind. wie von euch schon ausgeführt: zuerst zuhören.
Hallo Herr Bernet, Multilog bezeichnet doch ein klein wenig etwas anderes als Dialog oder one-to-many. Ein Multilog soll auch einen Konsens zu einem Thema, also eine gewisse Haltung über mehrere Plattformen hinweg, ermöglichen. Ein Multilog könnte sein, wenn über verschiedenen Plattformen Diskussionsbeiträge zu einem Thema gesammelt werden, diese Beiträge bilden dann die Grundlage für eine weitere Diskussion. Der von Ihnen genannte Begriff „Agenda Shaping“ finde ich übrigens sehr gut. Manchmal braucht man einfach neue Begriffe, die etwas beschreiben, was es so noch nicht gab. Natürlich stimme ich Ihnen zu, das man auch sorgsam mit neuen Begriffen umgehen muss.
Beste Grüße
Heike Bedrich
Hallo Frau Bedrich,
eine interessante Diskussion haben Sie hier angestoßen. Während ich die Begriffe „Agenda-Setting“ und „Agenda-Shaping“ beide sehr passend finde, teile ich die Meinung von Herrn Bernet, dass die Einführung des Begriffs „Multilog“ vielleicht nicht notwendig ist. Denn für die von Ihnen beschriebene Verwendung, gibt es doch eigentlich schon den Begriff des „Diskurses“. Oder worin sehen Sie den Unterschied?
Viele Grüße,
Gordon Dahl
Hallo,
ich möchte eigentlich nur testen ob mein Kommentar gleich in der Liste erscheint oder nicht.
Mit freundlichen grüßen,
Jan