Nach seiner Londoner Zeit kehrt der Leiter des Berliner Büros der Süddeutschen Zeitung, Christoph Schwennicke, nach Deutschland zurück. In der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung beschreibt er unter dem Titel "Hilfe" auf eine unterhaltend respektlose Art seine Eindrücke über ein Land, in dem Politiker aus "Gold Scheiße" machen, statt wie die Briten aus Scheiße Gold. Man könnte seine Zustandsbeschreibung unseres Landes auch "Deutschland vor dem Weltuntergang" nennen. Auf was trifft er in Deutschland? Auf Angst, Lähmung und eine Politik, die keine ist, weil hierzulande alles geregelt ist – sebst die Selbstblockade des Landes.
Schwennicke reiht sich nicht in die Jammertiraden ein und erkennt durchaus Hoffnung für das Land – allerdings jenseits der institutionalisierten Rituale, bei Menschen, die nicht schon Generationen ins Deutsche eingeübt sind, sondern ihre Geschäfte below the line abwickeln. Sich also für den ganzen Staat wenig interessieren.
Also auch jenseits der Angestelltenwelt leben und wirken, weder ihre
Zeit als Streber in den klassischen Instanzen vertun noch mit ihrer
typischen Angestellten-Angst ihr Leben in kafakaesken Apparaten fristen
und vergeblich nach Sinn suchen.
Wenn man den Artikel von Schwennicke gelesen hat, weiß man auch,
warum man hierzulande mehr für die Freiheit von Legehennen kämpft als
für sein eigenes Leben, das längst einer normierten Käfighaltung
gleicht – bis hin zu den wertvollsten Wochen des Jahres.
Aber scheinbar will man in diesem Land gar nichts anderes. Die
großen Parteien und die Gewerkschaften brauchen die Konzerne – nicht
zuletzt auch als klare Feindbilder. Individualität – privat und
ökonomisch – wäre der Feind jeder großen Partei, die lieber auf
Angestellten-Heere setzt als auch viele Menschen, die unternehmerisch
denken und handeln. Politik für Abhängige ist das Prinzip der deutschen
Politiker vom Stadtbezirk bis hin zum Bund. Tatsächlich gleichen heute
viele Bürger und abhängig Arbeitende Tieren im Zoo oder dem
Kanarienvogel im häuslichen Käfig – in der freien Wildbahn würden sie
rasch untergehen. Merke: selbst etwas unternehmen ist gefährlich. Also
es besser bleiben lassen.
Der „Schrebergartenvereinsvirus“ hat mittlerweile ganz Deutschland erfaßt, der Michel zieht seine Schlafmütze tiefer und legt sich zur Ruh.
Eine Revolution, wie die französische, wäre in Deutschland undenkbar.
Lieber Roland,
in der letzten Woche sagte jemand zu mir, dass die größte Herausforderungen in den Unternehmen zukünftig darin liegen wird, die Mitarbeiter in Sachen Eigenverantwortung zu fördern und zu schulen. Selbst in kreativen Berufen wie Werbung, PR oder Design fehlen mittlerweile Menschen, die mutig genug sind, eigene Entscheidungen zu treffen und neue Ideen zu entwickeln. Die Frage ist jetzt nur, haben sich die Menschen verändert oder das Umfeld?
Gruß Heike
Aufrichten!