Wissen Sie genau, wann bei Ihnen etwas nur intern kommuniziert werden darf und wie lange intern wirklich intern heißt. Manche Informationen wird schneller öffentlich als Sie erwarten. Bevor Sie eine E-Mail versenden, sollten Sie immer daran denken, wie sich diese E-Mail auf Ihre künftige Reputation auswirken könnte, sobald sie in der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Gemeinhin denkt niemand über die vielen kleinen und großen Dinge nach, die via E-Mail in die Welt hinausgeschickt werden. In der Regel betrifft es auch nur wenige Adressaten. Vieles davon ist ohnehin unverfänglich. Doch je emotionaler Ihr Tonfall, je rabiater Ihre Argumentation, je unverschämter Ihr Anliegen, desto tiefer Ihr Fall, wenn die jeweilige E-Mail öffentliches Gut wird und beispielsweise im Spiegel erscheint. In den USA hat jeder dritte US-Arbeitgeber schon einmal jemanden wegen einer unpassenden E-Mail entlassen.
In der Finanzbranche haben sich einige Juristen und Firmenberater um Kopf und Kragen geschrieben. Besonders die Goldman-Sachs-Banker machten schlechte Erfahrungen mit der internen Kommunikation. Spiegel Online dokumentiert einige drastische Schreiben der Finanzmanager. Die US-Börsenaufsicht SEC nutzte nach der Finanzkrise in einem juristischen Verfahren gegen Goldman Sachs zahllose E-Mails als Beweismittel, in denen sich die Finanzmanager selbst nicht von ihrer rühmlichsten Seite zeigten. Der Senats-Ausschuss gegen Goldman Sachs hatte mehr als 901 Seiten mit E-Mails, Memos, Statistiken, Spreadsheets zusammengetragen. Viele E-Mail-Schreiber verhielten sich im Tonfall allzu arrogant und zynisch. Anscheinend kam dabei niemand auf die Idee, dass diese Informationen irgendwann einmal den Weg in die breite Öffentlichkeit finden könnten. Doch das stellte sich als großer Irrtum heraus.
Unsere interne Unternehmenskommunikation hat sich nicht allein für Finanzmanager verändert. Verstecken und Wegducken kann sich im Zeitalter der Transparenz niemand mehr. Schließlich kann jeder unzufriedene Mitarbeiter in wenigen Minuten eine interne E-Mail nehmen und anonym in einem Forum, Blog, auf Twitter oder auf Wikileaks veröffentlichen. Jeder kann dadurch zum Meinungsmacher aufsteigen und einen (vermeintlichen oder echten) Skandal aufdecken. In der Echtzeitkommunikation werden Gerüchte neben Informationen hergetrieben und verschaffen einem Issue ungeheure Aufmerksamkeit, selbst wenn es eigentlich eher banaler Natur war.
So ärgerte sich im Januar 2006 Jean-Remy von Matt in einem internen Newsletter über die zahlreichen Blogger, die negativ auf die gemeinnützige Kampagne "Du bist Deutschland" reagiert hatten. Der Agentur-Chef bezeichnet damals die Weblogs als "Klowände des Internets" und stellte das Konzept des Bloggens generell in Frage: "Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern? Und die meisten Blogger sondern einfach nur ab. Dieser neue Tiefststand der Meinungsbildung wird deutlich, wenn man unter www.technorati.com eingibt: Du bist Deutschland".
Im März 2007 beschwerte sich ein Berliner T-Com-Mitarbeiter in einer internen E-Mail auf rund drei DINA4-Seiten über die "Arroganz und die Selbstherrlichkeit" der T-Com-Top-Manager, die sich seiner Ansicht nach "im Vorstand die Klinke in die Hand" gäben und "mit vollgestopften Taschen weiter" zögen. Seine harsche Klage über Jobabbau und Managementchaos fand den Weg aus dem Intranet in den Spiegel.
Eigentlich hatte er seine E-Mail-Kritik nur an dem Telekom-Vorstand adressiert, doch dann schickten seine Kollegen, die E-Mail ständig weiter, was schließlich dazu führte, dass er Hunderte von E-Mail-Feedbacks von seinen Kollegen erhielt.
Ähnlich schlechte Erfahrungen mit der Digitalisierung interner Informationen musste im September 2006 auch schon einmal Siemens machen, als die gebloggte Kritik aus den Intranet-Blogs bzw. dem CEO-Blog direkt via E-Mail an das Nachrichtenmagazin weitergereicht worden ist.
Letztlich hat Social Media die interne Kommunikation öffentlicher gemacht. Was schon vorher per E-Mail den Weg in die externe Kommunikation fand, erfährt durch Twitter und Facebook eine erneute Beschleunigung. Verhindern können Sie es nicht, dass interne Informationen veröffentlicht werden. Aber es empfiehlt sich, zumindest klare Regeln aufzustellen, um richtig mit dem Informationsfluss umzugehen. Deshalb sollte jedes Unternehmen ab einer gewissen Größe über eine Social Media Policy nachdenken und für die Mitarbeiter klare Verhaltensregeln formulieren, damit es zumindest nicht zu falschen Missverständnissen kommt. Für viele Angestellte ist es eben nicht selbstverständlich, dass sie "lustige" Partyfotos von einem Firmenevent nicht immer gleich auf Facebook, Flickr oder Picasa publizieren sollten. Wer keine Überraschungen erwarten will, sollte deshalb klar festlegen, was wirklich intern bleiben soll.
>> Spiegel: Interne Wall-Street-E-Mails. "Jetzt wird's schmutzig"
Klaus Eck
Bildmaterial: Shutterstock
Respekt, Sie haben alles auf den Punkt gebracht.
Und wo liegt jetzt genau das Scheitern?
„Wer keine Überraschungen erwarten will, sollte deshalb klar festlegen, was wirklich intern bleiben soll.“
Was soll „wirklich intern“ bedeuten? Das klingt wie bei Räuber Hotzenplotz: „Eintritt streng verboten“, „Eintritt strengstens verboten“ „Eintritt allerstrengstens verboten“.
Es wird immer wieder jemand die Tür aufmachen – und das ist gut so!
Nun, wer nicht einmal Interna als solche benennt, darf sich nicht wundern, wenn diese extern schnell verbreitet werden. Ich persönlich glaube nicht, dass es langfristig möglich ist Informationen „geheim“ zu halten. Sobald mehrere Personen an einem Informationsfluß beteiligt sind, kann niemand es wirklich verhindern, dass Türen nach außen aufgestoßen werden.
Meistens ist das auch nicht wirklich dramatisch. Dennoch sollte dafür ein Bewusstsein entstehen,dass alles irgendwann rauskommen wird.
Es wird weiterhin Interna geben, die vor der Weitergabe geschützt werden müssen: Produktionsverfahren, Finanzfragen, strategische Überlegungen zum Beispiel.
Im Übrigen fordert die Realität des Web 2.0, was die PR-Verantwortlichen schon sehr lange wie eine Monstranz vor sich hertragen, aber bisher nur selten umgesetzt haben: größtmögliche Transparenz und bedingungslose Ehrlichkeit. Die Social Media zwingt die Kommunikationsprofis zum Schwur – und ihre Beratungskompetenz wird darauf abzielen müssen, dass auch die Vorstände und Geschäftsführungen sich das Schönreden, Vertuschen und Totschweigen abgewöhnen.