Wie wir als Kommunikatoren die Disruption als Chance betrachten, ohne vor dem Neuen Angst zu haben. Darum geht es in dem Fachbuch „Disruptive Affairs“, für das mich Jessica Pehlert und Gunnar Bender zum Thema Querdenken und Disruptivem Denken in der Kommunikation interviewt haben. Daraus ist der folgende Beitrag „Der digitale Zugvogel“ entstanden. Wir können alle Fehler machen und sollten das als Chance begreifen, auf diese Weise sehr schnell viel zu lernen.
„Klaus Eck ist Kommunikator mit Leib und Seele. Er ist eine Marke – im wahrsten Sinne des Wortes. Der PR-Blogger und Social-Media-Guru, der eigentlich gelernter Politikwissenschaftler und Soziologe ist und seit vielen Jahren seine eigene Kommunikationsagentur d.Tales leitet, hat lange an seiner „Personal Brand“ gearbeitet. Disruptives Denken bedeutet für ihn, sich gedanklich nie festzufahren und stets offen für Neues zu sein. Seine eigene Art der Disruption bezeichnet er auch gerne als „apokalyptisch” – man spürt auf Anhieb: In dem „digitalen Kommunikator“ Klaus Eck steckt viel Leidenschaft und große Neugierde.
Wer sich nicht bewegt, verschwindet
Als wir uns mit Klaus Eck in einem Café in Berlin treffen, klingt sein Erfolgsrezept auf den ersten Blick ziemlich leicht: „Ich lerne Leute kennen und stelle Beziehungen her. Dann erzähle ich Geschichten, die ich versuche mit diesen Menschen zu verbinden. Das ist das, was mir Spaß macht.“ Seit vielen Jahren denkt Eck anderen Kommunikatoren voraus. Bereits in den 1990ern beschäftigte er sich mit „Personal Branding“ und digitaler Öffentlichkeit. „Ich habe es 1999 gewagt, ein Online-Tagebuch – heute würde man Blog sagen – zu schreiben.“
Ecks Verständnis von Disruption: Man muss alles in Frage stellen. „Es ist Blödsinn zu denken, dass die Vergangenheit in die Zukunft eins zu eins weitergedacht werden kann. Um es mal mit Sloterdijk zu sagen: Wenn ich mich nicht bewege, werde ich irgendwann verschwinden.” Das gelte für Menschen genauso wie für Unternehmen und Marken. „Das ist wie mit dem Truthahn, dem es 363 Tage lang gut geht und der dann natürlich denkt, dass der nächste Tag auch wieder so schön ist. Und dann wird er geschlachtet. Und das ist dann Disruption, wenn man so will.”
Sei flexibel und mache Dich reaktionsfähig!
Ecks Credo lautet daher: Nichts ist sicher. Das Leben bereite immer wieder Überraschungen. Pläne seien dann zwar schön und gut, aber man müsse auch bereit sein, sie wieder zu kippen. „Viele Menschen glauben schon mit Anfang 20, dass sie ihr Leben bis zur Rente planen können. Ich selbst habe nicht einmal eine richtige Rentenversicherung, weil ich nicht daran glaube, dass man so langfristig planen darf. Man kann sich vorbereiten, auf bestimmte Situationen, aber man sollte versuchen sich im Sinne von Nassim Nicholas Taleb antifragil zu machen.“ Klaus Eck will eben kein Truthahn sein.
“Ein guter Kommunikator muss wissen, wo die Entwicklung hingeht, damit er sich vorbereiten, experimentieren und umschwenken kann, falls es notwendig ist.”
Flexibilität, Reaktionsfähigkeit, Proaktivität – Eigenschaften, die für Eck auch gute Kommunikatoren ausmachen. „Viele erliegen jedoch einer Kontrollillusion. Sie glauben, man hätte mehr Kontrolle, wenn man nichts kommuniziert, wenn man nicht im Gespräch ist.” Die Gesellschaft denke aber trotzdem kritisch über ein Unternehmen nach.
„Kontrolle erlangt man deshalb nur, wenn man sich flexibel macht, um auf Situationen gut reagieren zu können. Und das heißt auch, selbst Krisen zur eigenen Geschichte zu machen, sie anzunehmen und positiv zu verwenden“, so Eck. Er nennt das „digitale Empathie“: Man mache sich nahbar, indem man seine Geschichte selbst veröffentlicht und dadurch die Agenda mitbestimme. „Wenn ich andere in meine Geschichte reinziehe, dann haben sie keine Chance, außerhalb meiner Geschichte zu agieren.”
Keine Angst vor Transparenz
Nahbar sein. Sich öffnen. Eng mit der Reaktionsfähigkeit verbunden ist demnach die Forderung nach mehr Transparenz. „Je mehr ich bereit bin, von mir in der Öffentlichkeit zu zeigen, desto stärker verändere ich das Bild und kann es mit anderen zusammen gestalten.” Dabei kennt Eck natürlich die gängigen Einwände – wer sich in die digitale Öffentlichkeit wagt, macht sich angreifbar und setzt sich der Kritik der anonymen Masse aus.
Angst vor Transparenz und daraus resultierenden Kritiken oder Fehlern brauche dennoch niemand zu haben. „Man sollte aus seinen Fehlern lernen können, und man lernt manchmal schneller aus ihnen, wenn man damit öffentlich umgeht.” Da spricht der Idealist. Doch Klaus Eck ist sich sicher: Ohne Mut und Risikobereitschaft kein Erfolg. Fehler und Krisen werde es immer geben. Aber: „Der größte Fehler ist nichts zu tun, stehen zu bleiben, und zu glauben, dass das Faxgerät alle glücklich macht.”
Vom Schwert zum Florett – Entwickle Mikrobotschaften zu Makrobotschaften!
Weitere einschneidende Veränderungen im Kommunikationsbereich ergeben sich Eck zufolge durch den Wandel der Zielgruppen. „Heute sind alle Menschen mehr oder weniger digital. Man hat es mit smarteren Zielgruppen, mit digitalen Kunden zu tun, die in der Lage sind, sich außerhalb einer Webseite zu informieren.“ In der digitalisierten Welt informiere sich jeder Kunde, jeder Stakeholder um das Unternehmen herum.
„Im Prinzip geht es heute nicht mehr darum, seine Informationen auf einer einzelnen Webseite zu haben, sondern die Informationen zum Fliegen zu bringen.“ Zielgruppen würden sich mehr und mehr differenzieren. „Deshalb sind Pressemitteilungen heute völliger Blödsinn“, sagt Eck. Es gehe vielmehr darum, Mikrobotschaften zu Makrobotschaften zu entwickeln. „Früher habe ich ein Schwert genommen, heute habe ich ein Florett. Als Kommunikator muss ich begreifen, dass der User bestimmt, in welcher Form er meine Inhalte rezipiert.”
Die Bedeutung dieser Mikrobotschaften führt laut Eck auch dazu, dass Text zunehmend hinter Bildern verschwinden werde. „Wenn man sich Social Media anschaut, dann fällt auf, dass die Menschen generell nicht mehr auf Links klicken. Das heißt, dass du die Leute direkt in den Mikro-Content-Einheiten erreichen musst“, betont er.
Man müsse in der Lage sein, seine komplette Botschaft auf 140 Zeichen oder in Bildern zu übertragen. Dieser Trend finde sich auch in anderen Tools wie Snapchat oder Instagram wieder. „Wenn wir alle lernen, im Zehn-Sekunden-Takt Informationen auszutauschen, dann findet klassische Schrift nicht mehr so statt, wie wir das gelernt haben. Das ist Disruption.“
Sei neugierig! Experimentiere!
Klaus Eck spricht gerne und leidenschaftlich über die Digitalisierung, über Soziale Medien. Gerade beschäftigt ihn insbesondere Snapchat. Selbst er als Profi verstehe das Medium jedoch noch nicht richtig. Und trotzdem setzt er sich intensiv damit auseinander. „Viele ehemalige Web-2.0er sind mittlerweile wieder sehr konservativ geworden.
Dabei geht es gar nicht darum, ein Tool sofort voll und ganz zu verstehen, sondern damit zu experimentieren und einen Zugang dem Denken zu gewinnen, das damit verbunden ist.” Im Fall von Snapchat ist das für Eck die neue Bildsprache, und eine Form von Exklusivität und Authentizität, die vielen anderen Medien schon verlorengegangen ist.
Hinzu komme auch eine neue Form der „Echtzeit“. Klaus Eck: „Wir reden jetzt nicht von der alten Realtime-Kommunikation, die irgendwann bei Twitter und Facebook angefangen hat, sondern einer neuen Kommunikation, die mit Video- und Bildsprache verbunden ist und viel weiter geht als alles, was wir vorher gelernt haben.“ Die Neugierde an solchen Entwicklungen dürfe man als Kommunikator nie verlieren.
Löse Abteilungen auf!
Am Ende unseres Gesprächs wagt Klaus Eck eine Prognose für die kommenden 10 bis 20 Jahre im Kommunikationssektor. Auch wenn er keine festen Pläne schmiedet, denkt er eben dennoch weit voraus: „Es verändert sich aus meiner Sicht eine kleine Sache: Die PR-Abteilungsstruktur wird es nicht mehr geben. Das ist das erste, was ich disruptiv abschaffen würde!”
Abteilungsdenken ist für ihn eine Sache der Vergangenheit – dazu seien die kommunikativen Herausforderungen und Fragestellungen unserer Zeit viel zu komplex. „Man kann heute Marketing, PR und HR oft nicht voneinander trennen. Wenn ich es schaffe, das Silodenken aufzulösen, dann habe ich die Chance, viel filigraner und vielfältiger zu kommunizieren.“ Als Voraussetzung hierfür sieht er den grundlegenden Mentalitätsumschwung bei den Nutzern von morgen, das Schwinden der Angst vor persönlicher digitaler Öffentlichkeit.
Eck beendet den letzten Satz, holt sein Smartphone aus der Tasche und startet Snapchat – er fragt in die Kamera: „Was ist denn jetzt eigentlich digitale Disruption? Das ist neu denken, neu machen, experimentieren, und sowas wie Snapchat ausprobieren.“
Disruptive Affairs
Neue Denkansätze für Kommunikatoren im Zeitalter digitaler Tranformation
ISBN 978-3-943132-48-9
erschienen im B&S SIEBENHAAR VERLAG
Bildquelle: Klaus Eck, Knaus Verlag, B&S SIEBENHAAR VERLAG
So viel Wahres geht unter die Haut. Pioniergeist vom Feinsten. Mikrobotschaften werden zur wichtigsten Disziplin, da bin ich bei euch.
Dabei sind ganz traditionelle Kompetenzen gefragt: Wie kann ich Image, Inhalte oder Nutzen kommunizieren, wenn ich höchstens 2 Sekunden habe? Welche Bild-Text-Symbiose haut den Kunden vom Hocker? Das haben wir uns auch 2000 gefragt, als wir noch ganzseitige Anzeigen im Spiegel konzipiert haben.
Der große Unterschied: Social Media sind ein großes Labor, in dem wir uns austoben können – und nicht gleich einen Ferrari verbrennen. Und wir müssen alles in kleinere Einheiten herunterbrechen. Genau hier beginnt der Spaß.
Vielen Dank für die Inspiration.