Seit über 10 Jahren ist Michael Becker, Teamleiter Marketing, bei der Misumi Europa GmbH. Das Unternehmen ist eine Tochter der japanischen Misumi Group, die Bauteile für den Sondermaschinenbau in ganz Europa produziert und vertreibt. Becker hat die Veränderungen vom konventionellen Marketing hin zu Online- und Social-Media-Marketing mitverfolgt und ist nun auch für die Implementierung von Content Marketing Strategien verantwortlich.
Bei der CMCx 2017 wird Michael Becker über den Umbruch vom konventionellen Papierkatalog zu einer modernen e-Commerce-Lösung und damit dem Start ins Online Marketing berichten. Im Vorfeld habe ich ihn – quasi von Speaker zu Speaker – zum Thema Content Marketing interviewen dürfen.
Immer mehr Unternehmen erkennen die Bedeutung der Digitalisierung auch für ihr Geschäftsmodell. Wie wird sich der digitale Wandel Ihrer Meinung nach auf die deutsche Wirtschaft allgemein auswirken?
Die Auswirkungen werden massiv sein. Aktuell stehen wir eher am Anfang einer Entwicklung und nicht am Ende. Die Innovationszyklen werden immer kürzer, Produktneuerungen kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Für die Unternehmen stellt das einen immer höheren Innovationsdruck dar, den auch wir als mittelständisches Unternehmen spüren.
Und im Speziellen: Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die MISUMI Europa GmbH allgemein und für Sie persönlich?
Für uns bedeutet das einen permanenten Wandel in den Organisationsstrukturen und der strategischen Ausrichtung. Wir haben inzwischen die Herausforderung angenommen: Bis vor wenigen Jahren war unser Papierkatalog das wichtigste Vertriebsinstrument. Inzwischen bestellen fast 60% unserer Kunden online. Einen Katalog aus Papier gibt es nicht mehr, in den Online Shop und in die Produktstrategie wird massiv investiert.
Können Unternehmen ihre Stakeholder heute noch mit Werbung erreichen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Mit klassischer Werbung eher weniger – allein wegen der fehlenden Erfolgskontrolle. Bei uns spielen KPIs eine wichtige Rolle. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass die Werbeaktivitäten überwiegend online stattfinden. So lassen sich Ziele optimal festlegen und kontrollieren.
Wenn Firmen im Content Marketing aktiv werden wollen – womit sollten sie beginnen? Und weshalb?
Es gilt zunächst die Kundenerwartungen zu prüfen. Viele Firmen meinen zu wissen, welcher Content gut für die Kunden ist. Aber die Kunden entscheiden selbst, welchen Content sie wollen. Im Zweifelsfall finden sie ihn dann beim Mitbewerber. Das ist auch die größte Veränderung.
Sie konnten die Entwicklung bei MISUMI mitverfolgen. Was hat sich für Sie in der Arbeit mit Inhalten in den letzten Jahren am meisten verändert?
Während wir noch vor ein paar Jahren den Content einseitig zum Kunden transportiert haben (meist in Form von Werbung), nehmen wir heute die Erwartungen des Kunden viel ernster. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir in der Online-Welt unsere Kunden und deren Aktivitäten viel besser kennen, weil viel mehr Daten anfallen, die ausgewertet werden können.
Controlling spielt eine wichtige Rolle bei der Optimierung der einzelnen Inhalte. Wie wissen Sie, ob Ihr Content jeweils erfolgreich ist?
Wir nutzen die einschlägig bekannten Online-Tools (Google Analytics, Sistrix) und führen verstärkt Content-Audits durch. Damit prüfen wir beispielsweise den Erfolg unserer Keywords oder ob sich unser Content von dem des Mitbewerbers abhebt. Auch das Feedback der Kunden ist wichtig. Wir erfassen z.B. mit unserem Programm „Voice of customer“ jede Rückmeldung unserer Kunden und leiten entsprechende Maßnahmen ab.
Millenials vertrauen einem Unternehmen mehr, wenn der Chef twittert. Wie schaffen es Unternehmen am besten, diese Zielgruppe zu erreichen?
Obwohl das aktuell nicht unsere primäre Zielgruppe ist, versuchen wir auch in Hinblick auf die Zukunft alle Kommunikationsformen zu berücksichtigen. Die Social Media-Kanäle werden mit aufgelockertem (teilweise shared) Content bespielt. Aber unser Chef twittert noch nicht. Wir werden ihn mal fragen.
In einigen Jahren wird niemand mehr über „Digital Leadership“ sprechen. Das Digitale wird ein selbstverständlicher Teil von Führung sein. Was muss bis dahin noch passieren?
Manche Führungskräfte haben meiner Meinung nach noch Probleme, diese digitale Transformation anzuerkennen, die sich direkt auf die Innovationskraft eines Unternehmens auswirkt. Der Führungsstil hinkt deshalb oft der gelebten Wirklichkeit der Mitarbeiter hinterher. Vor allem die jüngeren Mitarbeiter bedienen sich ganz selbstverständlich zeitgemäßer Kommunikationsformen und die Führungskraft sollte das unterstützen.
Wie müssen sich Leader verändern, die noch nicht digital sind und welche Vorteile ergeben sich dadurch für sie?
Sie sollten anerkennen, dass sich die Arbeitswelt und damit auch Innovationszyklen und Kommunikationsprozesse stark verändert haben. Die digitale Transformation verlangt nicht nur die Umstellung vieler lieb gewonnener Arbeitsprozesse, sie hilft auch dabei, Arbeitsabläufe effizient und schneller zu organisieren. Man muss sich aber darauf einlassen und nicht jede technische Neuerung in Frage stellen. Das ist die berühmte Komfortzone, die immer wieder auf’s neue verlassen muss.
Welchen Tipp würden Sie Führungskräften geben, wenn sie im Content Marketing aktiv werden wollten?
Nach meiner bisherigen Erfahrung ist es notwendig die betroffenen Mitarbeiter von der Strategie zu überzeugen und von Anfang an einzubinden. Man sollte sich auch im Klaren darüber sein, dass zunächst Geld und Ressourcen notwendig sind, ohne dass sich das in den Umsatzzahlen widerspiegelt. Gerade für kleinere Firmen stellt dies oft ein Problem dar. Schlussendlich sollte sich der Aufwand für die Konzeption in Grenzen halten. Es wird nicht möglich sein, sofort die perfekten Inhalte auf allen möglichen Kanälen auszuspielen: Man sollte starten und immer wieder nachjustieren.
Bildquellen: Michael Becker/MISUMI, kaboompics/Pixabay, USA-Reiseblogger/Pixabay