Wer kommuniziert im Unternehmen? Wer darf sich wozu äußern? Eine zentrale Frage des Kommunikationsmanagements, die schon lange Sprecher und Geschäftsführung berührt, aber mittlerweile auch den normalen Mitarbeiter. Immer häufiger müssen Unternehmen dezentrale Kommunikationsstrukturen aufbauen. Anlass genug, sich darüber Gedanken zu machen, wie Kommunikation zukünftig gesteuert werden kann.
Die Gründe für dezentrale Kommunikation sind dabei vielfältig, laufen allerdings am Ende auf einen hinaus: Unternehmen müssen den individualisierten Anforderungen ihrer Zielgruppen gerecht werden. Vom „think global, act local“-Ansatz auf internationaler, Landes- oder regionaler Ebene bis zum Erreichen unterschiedlicher Zielgruppen wie Professionals oder Auszubildende, Mieter oder Eigentümer, und viele mehr, sollten Unternehmen den Kunden möglichst individuell gerecht werden.
Für Unternehmen stellt das jedoch eine große Herausforderung dar. Auf einer Struktur basierend, die lediglich Pressesprecher und Geschäftsführung sprechfähig und stringente Vorgaben an den Customer Service macht, kommuniziert heute jeder Mitarbeiter über die sozialen Netzwerke – womöglich auch über Arbeitsplatz, Unternehmen und Produkte – idealerweise eingeschränkt durch Guidelines und Policies.
Selbstständig und eigenverantwortlich
Aber da gibt es noch eine andere Zielgruppe. Selbstständige Vertriebspartner und Franchisenehmer, die an einem festen Unternehmen hängen, aber Kommunikation und Marketing in Teilen selbst betreiben. Für Unternehmen Segen und Risiko zugleich. Einerseits fehlende Kontrolle, andererseits die Chance Kommunikation und Kampagnen möglichst nah am Kunden vor Ort zu gestalten.
Aber wie sollen Versicherungen hunderte Vertriebspartner im Zaum halten? Wie sollen McDonalds, Burger King, McFit und Co. ihre Franchisepartner kontrollieren? Wie können sie wissen, was vor Ort passiert? Im Idealfall überhaupt nicht, weil dadurch der individuelle Ansatz verloren geht. Dabei gibt es verschiedene Optionen:
1.Option: Zentralisierung um jeden Preis
Die Kommunikation bleibt in festen Händen der Corporate Communication-Abteilung. Es kommunizieren ausschließlich Sprecher und Geschäftsführung.
Dabei gibt sich das Unternehmen der Illusion hin, die Kommunikationskanäle selbst bestimmen zu können. Dass jeder lokale Check-In die Erstellung einer Ortsseite auf Facebook bedeutet, wird ignoriert – genauso wie die Kommuikation der Kunden auf diesen Seiten. Frei nach dem Motto: Kanäle, die nicht unsere sind, gibt es nicht. Genauso wenig wie Beiträge auf lokalen Plattformen.
Vorteil: Kontrolle der eigenen Kanäle
Nachteil: Scheitern aufgrund des Gießkannenprinzips. Unternehmen und Kunden kommunizieren aneinander vorbei. Möglicherweise Wettbewerbsnachteile gegenüber lokal agierenden Mitbewerbern, da Kunden sich dort besser aufgehoben fühlen.
2. Option: Dezentralisierung mit individueller Verantwortung
Die Kommunikationsstrategie wird zentral festgelegt, beachtet jedoch die individuellen Kundeninteressen vor Ort. Dabei dürfen selbstständige Geschäftspartner und Franchisenehmer eigenverantwortlich kommunizieren und auswählen, worüber kommuniziert wird. Voraussetzung ist ein grundlegendes Verständnis für Kanalfunktionen, Kunden- und Unternehmensinteressen sowie die Fähigkeit daraus geeignete Content-Ansätze zu entwickeln.
Vorteil: Das Unternehmen ist so nah am Kunden wie nie zuvor. Die Schlagkraft wird auf viele Schultern verteilt.
Nachteil: hoher Schulungsaufwand mit dem bleibenden Risiko, dem Unternehmen durch fehlgeleitete Kommunikation nachhaltig zu schaden.
3. Option: zentral mit individueller Verantwortung
Alternativ werden Inhalte automatisiert oder mit Veröffentlichungspflicht zentral gespielt und um individuelle Inhalte vor Ort angereichert. Am Beispiel Facebook: Lokale Seiten enthalten dabei zentral gespielte Posts, angereichert durch Posts vor Ort.
Vorteil: Sicherstellen der Kommunikation zentraler Botschaften
Nachteil: Viele Seiten werden mit denselben Inhalten bespielt. Der Kunde erwartet aber individualisierte Ansprache. Der größte Nachteil dürfte jedoch die schwindende Kommunikationsmotivation aufgrund fehlender Gesamtverantwortung für die lokalen Seiten sein. Auf Dauer werden lokale Seiten mit zentralen Inhalten bestehen – ohne lokale Inhalte.
4. Option: optional-zentral-individueller Ansatz
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dezentrale Kommunikatoren mit Informationen zu versorgen, die optional genutzt werden können.
Dabei bleibt zwar der hohe und regelmäßige Schulungsaufwand bestehen, jedoch auch die individuelle Verantwortung für die eigene Seite. Es gilt der Grundsatz: ohne eigene Aktivität kein Content, ohne Content keine Aufmerksamkeit für die eigenen Themen.
Ich präferiere daher eindeutig Option vier. Mit den Rahmenbedingungen:
- Optionalität
- Verantwortung
- Individualisierung
- Enabling
Notwendige Schulungsinhalte müssen dabei von motivierenden Kommunikationsstrategen vermittelt werden, die, ähnlich wie im Customer Service, den handelnden Personen vor Ort mit Rat und Tat zur Seite stehen und von Beginn an die individuelle Weiterentwicklung der Strategie im Blick haben.
Collaboration für den Wettbewerbsvorteil
Was allerdings unerlässlich sein dürfte ist der Collaboration-Ansatz. Viele Kommunikatoren bringen auch viele persönliche Erfahrungen und Ideen mit sich. Es macht einen Unterschied, ob zentral fünf Menschen Strategien und Ideen entwickeln oder ob sich 1.000 Vertriebspartner austauschen, sich mitteilen und ihre Erfahrungen mit einbringen.
Am Ende gelten die 4 C’s der digitalen Kommunikation
- Content
- Context
- Cooperation
- Collaboration
auch in der Kommunikation zwischen Unternehmen und dezentralen Partnern.
Viele Köche verderben den Brei
In der Tat: Wenn jeder „seinen Senf dazu gibt“, wird es schwierig, fokussierte Ergebnisse zu erzielen. Es wird womöglich jeder gehört, aber noch lange nicht jeder beachtet. Selbst in einer Gruppe von zehn Personen werden selten alle einer Meinung sein. Womöglich entsteht Frustration. Schlimmstenfalls Demotivation.
Neben der Frage nach der externen Kommunikation bringen dezentraler und optional-zentral-individueller Ansatz daher auch verschiedene Fragen der internen Kommunikation mit sich:
- Wie können wir kollaborativ miteinander kommunizieren?
- Welche Tools können wir dazu nutzen?
- Wie ermöglichen wir effizientes Lernen?
- Wie ermöglichen wir die effiziente und individualisierte Ideenvermittlung?
Der strategische Ansatz: E-Collaboration
Insbesondere die dezentrale Kommunikation im Social Web legt den Schritt nahe, sich auf E-Collaboration-Tools zu stützen, um den Informationsfluss zwischen Vertriebspartnern/Franchise-Nehmern und Unternehmen zu optimieren. Von Blogs, Microblogs, Wikis, Gruppenchats und Social Networks für die interne Verwendung sind dabei viele Funktionen denkbar. Am Ende steht die Frage: Was verwenden die User? Und die Erkenntnis: Nicht alle werden sich daran beteiligen.
Collaboration – ein Change-Prozess
Die größte Herausforderung für Unternehmen: Wer soll das Thema angehen? Es liegt in der Natur der Sache, dass die klassische Kommunikation dazu neigt, in ihrer Trägheit zu verweilen. Warum das bisherige Modell verlassen? Warum sich an dem Collboration-Prozess mit dem Ziel der Dezentralität beteiligen?
Grundsätzlich ist Collaboration ein Change-Prozess, der eine Initialzündung benötigt und Gegner wie Fürsprecher identifiziert, die entsprechenden Zielgruppen aktiviert, schult, Ängste abbaut und Vorteile herausarbeitet.
Dezentrale Kommunikation ist, intern wie extern, eine Herausforderung für Unternehmen. Dabei wird es den Weg zurück zur zentralisierten Kommunikation nicht mehr geben. Die Frage wird sein: Wie gehen Unternehmen damit um? Und wie bringen sie sich in den Kommunikationsprozess mit ein, um langfristig nicht außen vor zu bleiben? Und gibt es weitere Modelle als die oben genannten?
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