Kaum haben wir uns an Begriffe wie Enterprise 2.0 gewöhnt, entstehen wieder neue wie Social Business oder Social Collaboration. Das schafft oftmals Verwirrung. Warum nur entstehen ständig neue Begrifflichkeiten für das Innenleben des Digital Business? Ist das wirklich notwendig oder sind neue Begriffe wie Social Collaboration, Social Enterprise, Connected Enterprise oder Socialized Company nur alter Wein in neuen Schläuchen.
Reduzierte Komplexität
Die Vielzahl an Begrifflichkeiten rührt in den meisten Fällen einfach daher, dass findige Marketing Texter sowie Verkäufer, die redundanten Begriffe ersetzen, um einen scheinbaren USP zu formulieren. Derzeitig kann man das wunderbar bei dem Wort Social Collaboration sehen. Eigentlich ist die Social Collaboration ein funktioneller Teil im Gesamtstrategiewerk und Transformationsprozess von Enterprise 2.0. Da aber die Fachwelt den Begriff Enterprise 2.0 sehr weit fasst und immer die Komponenten wie Change, Kommunikation und Unternehmenskultur in diese Verbindung bringen, fehlt natürlich die wahrnehmbare Einfachheit der Begriffs.
Diesen komplexen Prozess kann ich zum Beispiel nicht als Software verkaufen. Aber ich kann Software anbieten und sagen, das ist Social Collaboration: Einfach die Software nutzen und schon arbeiten alle Mitarbeiter zusammen und schaffen gemäß dem Konzept von Social gemeinsam ihre Arbeit und steigern somit die Effizienz des Unternehmens.
Die Gefahr des Einfachen
Der Gedanke, Software löst alle unsere Probleme der alltäglichen Zusammenarbeit, ist einfach und verständlich. Die Entscheidung für dieses einfache Konstrukt fällt viel einfacher, als sich mit dem Hintergedanken an komplexer zeitaufwändiger Prozesse anzufreunden. Genau an diesem Punkt beginnt eine ähnliche Gefahr, wie wir sie von der reinen technischen Umsetzung zum Enterprise 2.0 kennen:
Eine reine technische Bereitstellung ist einfach und der Berg wird schon zum Propheten kommt. Und das widerspricht allen Erkenntnissen und Erfahrungen.
Die ewige Jagd von Marketing und Vermarktung nach dem wörtlichen USP ist jedoch sehr kontraproduktiv für die Aufklärungs-, Beratungs- und Umsetzungsbemühungen von Enterprise 2.0 und Social Business Verantwortlichen. Denn nicht nur sie bewegen sich im Informationsfluss der Fachkommunikation, auch Unternehmen und Unternehmensverantwortliche bekommen diese Äußerungen und Wortneuschöpfungen mit. Und so kann schnell ein neues Schlagwort aufkommen und bestehende Sachverhalte und Ansätze in Frage stellen. Doppelung und Falschwahrnehmung werde hier zur Gefahr der Ablenkung.
Konstruktives Neubilden
Natürlich kann eine Wortneubildung oder eine neue Begrifflichkeit und somit das Hinterfragen und in Fragestellen auch als Chance gesehen werden. In der Blase der eigenen Fachwahrnehmung wird man schnell blind für Alternativen und andere Wege. Die Neuformulierung von eingetretenen Begriff kann eine willkommene Abwechslung sein. Die Konfrontation mit unbekannten Terminologien zeigt einem möglicherweise die eigenen Begriffe in einem anderen Licht. Neukonstruktionen von Fachbegriffen können somit eben auch eine positive disruptive Funktion haben. Grundsätzlich sollte neuen Begriffen also nicht unterstellen werden, die vorliegenden Klassifizierungen zu untergraben. Sie bieten eben auch die Möglichkeit, konservative Strukturen und Begrifflichkeiten zu hinterfragt und auf ihre Aktualität zu prüft.
Erweiterter Kosmos
In manchen Fällen von neuen Begrifflichkeiten bin ich sehr froh, dass sie entstanden sind. Sie haben mir zum Beispiel eine bessere Einteilung von Techniken, Prozessen und Anwendungen ermöglicht. Zudem sind sie eine gute Orientierung für höhere Strukturen. Ich spiele hier im Besonderen auf den Begriff des Social Business an. In seiner Entstehung, durch IBM geprägt, war er fast Synonym mit dem Begriff von Enterprise 2.0 und Social Media. Mittlerweile hat er sich zu einem umfassenden Dachbegriff entwickelt, der meiner Meinung nach im Kern das beschreibt, was viele unter „Wir machen Social Media“ verstehen. Er umfasst die unternehmensorientierte Anwendung von Social Software, Social Media Kanälen und Mechanismen des Web 2.0 in unterschiedlichen Bereichen der Wertschöpfungskette von Unternehmen. Er hebt die Wahrnehmung von Social Media in der Öffentlichkeit auf die professionelle Ebene der Prozessintegration im Unternehmen.
Dynamik der neuen Wörter
Was ich in dieser Betrachtung nicht außer Acht lassen will, ist die Tatsache, dass wir als Berater, Entwickler und Umsetzer in einem Umfeld arbeiten, welches immenser technischer Entwicklung unterliegt. Wir werden immer wieder mit neuen Begrifflichkeiten zu tun haben. Wir müssen diese in unsere Prozesse einbringen und gegebenenfalls den diese anpassen. Neues stellt einem immer vor die Herausforderung, integriert zu werden.
Mir gefällt derzeitig die Entwicklung und Erkundung des Begriffs der Social Economy sehr gut. Hier wird nicht nur einfach das Unternehmen alleine betrachtet, sondern das Handeln und Agieren des Unternehmens in einem Social geprägten Umfeld dargestellt. Social prägt die Kultur aller Stakeholder des Unternehmens und stellt die Welt in einer sich wandelnden Philosophie dar. Die rein materielle Orientierung wandelt sich zu einem Miteinander Gedanken. Und das allein durch ein Wort, durch eine Wortneuschöpfung.
Als Fazit bleibt zu sagen: Neue Begriffe, Begrifflichkeiten und Terminologie verheißen nicht zwangsweise neue Technik, neue Ansätze oder bessere Strategien. Der Umgang mit mit sogenannten Buzz Words sollte immer kritisch erfolgen. Sie dürfen auf keine Fall nur ob ihres neuen Gewandes gelobt und unreflektiert übernommen werden. Jedoch sind nicht alle neuen Wortschöpfungen reine Augenwischerei. Sie bieten auch einen guten Ansatz für Selbstreflektion in Bezug auf die eigenen Arbeits- und Wahrnehmungssphäre.
Mit welchen Wörtern werden Sie derzeitig konfrontiert? Wo sehen Sie sinnvolle Neuschöpfungen und wo findet sich tatsächlich alter Wein in neuen Schläuchen?
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Naja, ich denke, unsere Branche lebt und dreht sich so schnell, es tauchen viele Begriffe neu auf, sterben wieder und werden zu neuem Leben erweckt. Wenn man bedenkt, dass Wissenschaftler wie z.B. Physiker bereits Anfang der 90er mit „Big Data“ gearbeitet haben. Genauso Content-Marketing. Lange vor der Digitalisierung hat man sich immer wieder neu übelegen müssen, was man an die „Litfaßsäulen“ klebt – ist ja auch alter Wein in neuen Schläuchen, wenn jetzt wieder jeder aufgeregt über individuelle Inhalte nachdenkt. Ich habe einige interessante Aspekte aus der Podiumsdiskussion auf der DMS Expo mitgenommen (ein Bericht findet sich hier: http://www.dokmagazin.de/themen-13-05_wer-goodbye-2-0-sagt-muss-hello-informationsgesellschaft-sagen). Stefan Pfeiffer von IBM hat dort gesagt, dass die größte Herausforderung in der 2.0 Debatte ist, sein Wissen, v.a. die Medienkompetenz, an die Generationen weiterzugeben. Heutzutage ist alles „Neuland“, statt immer neuer Begriffe muss man daran arbeiten, dass es „gewohntes Land“ wird und man dort laufen lernt – losgelöst von kurzfristigen Hypes.
Sehr schön formuliert Herr Rosenträger. Ich habe die Debatte um 2.0 und ähnliches sehr interessiert verfolgt. Und natürlich ist auch teilweise daraus dieser Beitrag entstanden. Wissenstransfer aber auch schon die Befähigung zum Einfachen Nutzen wird ein interessanter zukünftiger Aspekt, für den wir jetzt schon durch klare und eindeutige Definitionen den Grundstein legen müssen.
Jetzt kommt noch Industrie 4.0 :), d.h. zunehmende „Informatisierung“ der Produktion, u.a. mit Internet der Dinge und Cyber-physikalischen Systemen..
zB bei mir auf http://www.alexanderstocker.at/2014/10/industrie-40-und-smart-factory-im-e.html