Heinz Wittenbrink unterrichtet an der FH Joanneum in Graz Online-Journalismus und Soziale Medien und leitet dort das "Web Literacy Lab". Davor war er für Verlage und dann für eine Webagentur tätig. Er hat Bücher über Markupsprachen und Nachrichtenformate im Web verfasst. Für den PR-Blogger schreibt er über Fragen der Medienkompetenz in Unternehmen und untersucht, wie sich die Rollen von Journalisten und Kommunikatoren in der digitalen Welt verändern.

PR-Blogger Buchtipps 1: Die Content-Strategie

2 Minuten Lesedauer

Erin Kissane: The Elements of Content Strategy
Erin Kissane: The Elements of Content Strategy
Erin Kissane: The Elements of Content Strategy

Als Lehrender an einem Studiengang für Journalismus und PR habe ich den Eindruck: Kein Kommunikationsberuf ist gerade so gesucht wie der des Social Media Managers. Fast täglich werde ich von Firmen gefragt, ob ich Absolventen oder wenigstens Praktikanten empfehlen kann. Trotzdem bin ich nicht sicher, ob es auf Dauer Social Media Manager geben wird. Social Media Manager sind nur so gut wie die Inhalte, mit denen sie arbeiten. Was Agenturen und Firmen, die im Web kommunizieren, mit Sicherheit brauchen, sind Content Strategists: Fachleute, die die Ziele der Firma und die Bedürfnisse ihrer Adressaten in eine Strategie übersetzen, die zentrale Botschaften formulieren und Richtlinien für alle Publikationen der Organisation aufstellen.

Im deutschen Sprachraum gibt es noch keine Übersetzung für Content Strategist. In den USA hat sich dieser Ausdruck bei vielen Web Agenturen und Beratungsfirmen durchgesetzt. Er bezeichnet ein neues Berufsbild in der Web-Branche, vergleichbar mit dem des Information Architect oder des Interface Designer. Erin Kissane hat jetzt in einem kleinen Buch (The Elements of Content Strategy) beschrieben, was ein Content Strategist tut, wie er dabei vorgeht und welche Voraussetzungen er erfüllen muss. Vor allem erklärt sie, wozu man einen Content Strategist braucht und wie das Ergebnis seiner Arbeit, eine Inhaltsstrategie, aussieht.

Content-Strategen sind nicht die Leute, die Inhalte erstellen, auch wenn in der Praxis oft dieselbe Person beide Tätigkeiten übernimmt. Content-Strategen legen fest, welche Aufgaben alle Online-Inhalte einer Organisation erfüllen sollen und wie sie diese Aufgaben erfüllen sollen. Content-Strategen bemühen sich also um eine genaue Formulierung der Ziele, die eine Firma oder Organisation mit ihren Publikationen verfolgt, sie stützen sich auf belastbares Wissen über die Bedürfnisse und Gewohnheiten der Benutzer, und sie definieren für alle Arten von Inhalten, vom CEO-Blog bis zur Produktbeschreibung, wie die Ziele der Organisation umgesetzt werden sollen. Sie verknüpfen also Business-Ziele systematisch mit konkreten Anforderungen an Texte und andere Medien.

Die Anforderungen an Inhalts-Strategen sind komplex: Zur Publikationsstrategie gehören auch die Definition von redaktionellen Workflows und Maßnahmen zur Qualitätssicherung; sie muss sicherstellen, dass Webinhalte aktuell, verständlich und konsistent sind; sie muss ausserdem Anforderungen an die Redaktionssysteme und die Informationsarchitektur vorgeben. Eine erfolgreiche Inhaltsstrategie sichert vor allem, dass die Benutzer auf die Inhalte aufmerksam werden, die eine Organisation mitteilen will.

Erin Kissane gibt einen knappen, aber sehr detaillierten Überblick über die Arbeit von Inhalts-Strategen. Sie vergleicht sie mit den Tätigkeiten von Redakteuren, Kuratoren, Marketing-Fachleuten und Informationsarchitekten. Sie beschreibt die einfache, aber wirkungvolle Methodik, mir der sie selbst als Content Strategist Erfolg hatte. Sie teilt mir den Lesern nicht nur ihre eigene intensive Erfahrung mit dem Web, sondern sie vermittelt einen professionellen Zugang zum Online-Publizieren, den es auf diesem Niveau wohl bisher nur im angelsächsischen Sprachraum gibt. Dort hat man Schreiben und Publizieren immer schon als etwas Lehrbares begriffen. Dabei ist ihre Sprache farbig, witzig und frei von jeder schwer verständlichen Terminologie.

Erin Kissane hat viele Inhalte ihres Buchs vorher in ihrem Blog Incisive.nu erarbeitet. Dort wird sie auch ergänzendes Material zur Verfügung stellen. Das Buch selbst enthält Beispiele für Content Templates, eines der wichtigsten Arbeitsmittel eines Inhalts-Strategen. Im Anhang hat Erin Kissane eine kleine imaginäre Fachbibliothek aus Online-Quellen und Büchern beschrieben. Ich vermute, dass es vielen Leserinnen gehen wird wie mir: man möchte am liebsten gleich weiterlesen.

Auch wenn man selbst nicht als Content Strategist tätig ist, kann man viel aus Erin Kissanes kleinem Buch lernen. Die wichtigste Lehre ist wohl, dass die Anforderungen an alle Inhalte einer Organisation so detailliert wie möglich formuliert sein müssen, am besten in genauen Templates mit Beschreibungen der einzelnen Elemente. Aber auch ein paar andere Grundsätze sollte jede Organisation beherzigen, die online aktiv ist:

  • Wer Leser im Web dauerhaft erreichen will, braucht eine Content-Strategie.
  • Die Content-Strategie muss in jeder arbeitsteiligen Organisation, sie sollte aber auch bei eime Freelancer oder Ein-Personen-Unternehmen, explizit formuliert sein.
  • Das Erstellen einer Content-Strategie ist eine professionelle Aufgabe und sollte von Fachleuten übernommen werden.
  • Voraussetzung für eine Content-Strategie und wichtiges Mittel für ihre Einhaltung sind regelmäßige Content-Audits.
Heinz Wittenbrink unterrichtet an der FH Joanneum in Graz Online-Journalismus und Soziale Medien und leitet dort das "Web Literacy Lab". Davor war er für Verlage und dann für eine Webagentur tätig. Er hat Bücher über Markupsprachen und Nachrichtenformate im Web verfasst. Für den PR-Blogger schreibt er über Fragen der Medienkompetenz in Unternehmen und untersucht, wie sich die Rollen von Journalisten und Kommunikatoren in der digitalen Welt verändern.

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