Neue Web-Anwendungen wie Memolane, egoArchive und Soup 2.0 können Ihnen mehr von Ihrer Vergangenheit zeigen als Ihre eigene Erinnerung. Sie funktionieren wie ein automatischer Notizblock oder ein automatisches Journal. Sie halten fest oder sammeln, was ich vergessen würde, und sie machen es durchsuchbar, darstellbar und beherrschbar.
Im PR-Blogger möchte ich Ihnen drei Dienste dieser Art vorstellen, die noch nicht öffentlich zugänglich sind. Fazit: Das Personal Web der Zukunft dürfte die Online PR nicht weniger verändern als Social Media heute.
Memolane (zur Zeit in einer Closed Beta) hat kaum andere Inhalte als FriendFeed oder als Tumblelogs wie das—leider zu wenig bekannte—Soup: Memolane bündelt, was man in den Streams des Social Web publiziert: von Blogeinträgen über Fotos auf Flickr bis zu Status-Updates bei Facebook. Aber es stellt den Microcontent, den man veröffentlicht hat, anders dar als ein Tumblelog: nicht als einen River of News, als Folge von Nachrichten mit der Gegenwart als Höhepunkt und Start, sondern als ein Panorama, in dem man sich vor- und zurückbewegen kann. Vertikal, von oben nach unten, werden nur die Ereignisse der einzelnen Tage erschlossen. Memolane ist eine persönliche Zeitmaschine.
Mit Memolane sehe ich in meine Vergangenheit—und der erste Adressat des Dienstes bin ich selbst. Friendfeed oder Tumblelogs sammeln meine öffentlich zugänglichen Daten für andere, die sich für sie interessieren. Memolane speichert auch Daten, die nicht für andere freigegeben sind, und gibt mir selbst einen vollständigen Überblick; ich kann entscheiden, welche Arten von Daten ich meinen Freunden oder der Öffentlichkeit bekannt gebe. Die Social Networking-Funktionen sind hier zweitrangig.
Anders als bei soup und friendfeed kann ich mit memolane auch keine eigenen Inhalte publizieren oder über Inhalte diskutieren. Memolane ist mein persönliches Archiv, das ich, so weit ich es will, anderen zur Verfügung stellen kann.
Eine persönliche Zeitmaschine ist auch egoArchive. Es dient als Suchmaschine für meine eigene Surfgeschichte. Um den Dienst zu nutzen, installiert man im Firefox, Chrome und/oder Internet Explorer ein Addon; alle Webseiten, die man angesehen hat, werden dann gespeichert, lassen sich durchsuchen, als Bilddatei abrufen, über Disqus diskutieren und mit anderen teilen. egoArchive ist zur Zeit in der Alpha-Testphase. Um Einladungen kann jeder per E-Mail bitten.
Mit dem 2.0-Release von Soup, das im April zu erwarten ist, werde ich meine Vergangenheit im Web aus verschiedenen Perspektiven ansehen und meine Inhalte auf viele verschiedene Weisen ordnen können. Auch soup 2.0 wird ein persönliches Archiv sein; das zeitlich geordnete Tumblelog ist dann nur noch einer von vielen möglichen Views. Das Soup-Blog erklärt:
Das nächste Release wird verbessern, wie dein Soup account aussieht und dir mehr Kontrolle über den Inhalt geben, so dass man verschiedene Arten von Inhalt auf verschiedenen Weisen sortieren und filtern kann.
Einige Informationen verdanke ich einem Gespräch mit Soup-Gründer Christopher Clay, der mir auch ein paar Screens gezeigt hat.
Memolane, egoArchive und Soup 2.0 stehen für einen neuen, sehr stark personalisierten Typ von Web-Diensten. Sie basieren auf sozialen Medien, schließen deren Inhalte ein und sind mit ihnen eng verknüpft. Sie fügen aber eine neue Schicht persönlicher Software hinzu. Möglich werden solche Dienste durch die Speicherkapazitäten, die die Cloud heute anbietet. Ein Bedarf nach ihnen werden vor allem Menschen haben, die einen großen Teil ihres Lebens online führen, die sich im Netz laufend mit anderen austauschen und ihre eigene Online-Identität gestalten. Louis Gray hat im November gebloggt, dass die dritte Welle des Webs einzigartig persönlich sein wird; Memolane, egoArchive und soup 2.0 liefern Argumente für diese These.
Wenn der Trend zur Personal Software dauerhaft ist, wird er die PR neu herausfordern. Unternehmen und Organisationen müssen sich in den Lifestreams der Benutzer, in deren Online-Erinnerungen und Online-Identitäten behaupten. Die Benutzer müssen sie dort akzeptieren und ihnen eine Platz bei der Organisation ihrer Online-Identitäten geben—nicht nur für andere, denen sie zeigen, dass sie z.B. Fan einer Marke sind, sondern für sich selbst. Vendor Relationship Management, die Organisation der Beziehungen zu Firmen durch den Kunden, wird in einer Welt der radikal personalisierten Services alltäglich werden.