Energieversorger in Social Media? Für wenige Branchen ist ein attraktives Kommunikationsangebot im Social Web schwerer vorstellbar als in der Energiebranche. Trotz aktueller Themen wie Energiewende und grüner Strom finden sich kaum positive Touchpoints mit den Kunden – sagen die, die sich mit dem Schritt in die Dialogkommunikation noch schwer tun. Ich habe mit dem größten Energieversorger Österreichs – Wien Energie – über ihr erfolgreiches Social Media Engagement gesprochen.
Mit 2.738 Mitarbeitern stellt Wien Energie das größte Energiedienstleistungsunternehmen Österreichs dar. Rund 2 Millionen Menschen versorgt das Wiener Stadtwerke-Unternehmen mit Strom, Erdgas und Wärme sowie zahlreichen Energiedienstleistungen. Alexandra Radl leitet als Head of Marketing Communication seit 5 Jahren die Werbe- und Marketinggeschicke des Energieversorgers. Damit verantwortet Sie auch die Social-Media-Aktivitäten des Unternehmens.
Was waren die ersten Schritte die Sie als Wien Energie in Social Media gemacht haben?
Wir haben überhaupt nicht mit unserem Kern-Thema Energie begonnen. Unser Anfang war ein Blog, der unser Sponsoring beim Wien Marathon zum Thema hatte. Wir wollten das Thema Laufen und Bewegung interessant machen und einen Nutzen stiften für unsere Kunden und haben die Möglichkeit des Tagebuchs genutzt und zwei Läufer aus dem Unternehmen in ihren Trainingsfortschritten begleitet, haben Lauf- und Ernährungstipps gegeben. Es ist also aus dem Sport- und Lebensenergiethema entstanden, weil Sport und Energie gut zusammenpassen.
Aber mittlerweile sind Sie auch beim eigentlichen Thema Energie angelangt.
Dann haben wir das Blog fortgesetzt mit einem E-Bike-Test. Wir haben Facebook als Castingkanal für mögliche Tester für 50 Elektro-Fahrräder genutzt und im Blog begleitet. Die 50 Tester dokumentieren dort ihre Erfahrungen und teilen sie miteinander.
Sie sind ein Tochterunternehmen der Wiener Stadtwerke. Wie ist das Thema Social Media zwischen Unternehmen und Konzern aufgehangen?
Wir waren im Konzern die Vorreiter und die Ersten, die die sozialen Netzwerke aktiv genutzt haben, speziell um eben hier noch mehr Kundennähe zu erreichen. Die Wiener Linien sind uns bald gefolgt und organisieren ihre Aktivitäten mit eigenen Accounts, genauso wie der Konzern. Was wir gemeinsam entwickelt haben, sind unsere Social Media Guidelines, die wir seit ungefähr einem Jahr konzernweit haben.
Welche Ressourcen stehen Ihnen dafür zur Verfügung?
Wir haben mittlerweile eine Fulltime Social Media Managerin, die die einzelnen Kanäle und Themen strategisch betreut und die Aktivitäten im Auge behält. Zudem arbeitet sie mit einem Team zusammen, das aus unterschiedlichen Bereichen kommt.
Wie war ihr Ansatz beim Einstieg in Social Media?
Wir sind vom Marketing ausgegangen, mit dem Ziel unsere Kampagnen zu begleiten. Um hier mehr Kundendialog zu erreichen, neue Zielgruppen für unsere Themen zu erschließen. Unser Bestreben ist es ja, aus einem Commodity wie Strom, eine Love Brand zu machen. Es geht darum, die Marke über sämtliche Kanäle greifbar zu machen und zu emotionalisieren und Facebook, Twitter, YouTube und unser Blog haben es uns möglich gemacht, einerseits Themen in die Community zu tragen und andererseits die Marke auch im Netz lebendig zu machen. Wir setzen stark auf Sponsoring- und Kooperationen. Gerade im Sport- und Kulturbereich steht hier sehr viel an Content zur Verfügung. Diesen Content nutzen wir um das Thema Energie im Sinne von Lebensenergie zu transportieren und auch interessant mit Videos und Bildern aufzubereiten.
Und die eigentlichen Energiethemen?
Wir versuchen die neuen Kernthemen aus dem Energiebereich zu transportieren und auch interessant zu machen. Das sind Themen wie Elektromobilität, Energieeffizienz aber auch Themen wie Smart-Home. Das gibt uns die Chance mit den Kunden zu diesen Themen zu diskutieren, Feedback und Meinungen einzuholen und sie zu involvieren. Dazu haben wir zum Beispiel einen Energie-Ideenwettbewerb durchgeführt mit starkem Social Media-Aspekt. Wir haben die Community aufgerufen uns die nichtalltäglichen Energiespartipps zu schicken und die Community die Ideen dann auch bewerten lassen.
Also ist Dialog ein zentrales Thema bei Ihnen?
Es geht hauptsächlich um Dialog und Kundennähe. Diese Möglichkeit hätten wir nicht über die klassischen Kanäle. Und so ist es ein direkter und schnellerer Weg in Kontakt zu treten. Und gerade bei bestimmten Zielgruppen gibt es ja wenig Kontakt und den haben wir sehr stark intensivieren können.
Und der Effekt auf die Kunden?
Ist sehr positiv, das Dialog-Angebot wird gut angenommen. Wir messen außerdem die Interaktionsrate unserer Social Media Kanäle. Zuletzt haben wir ein Bürgersolarkraftwerk gebaut und die einzelnen Solarpaneele der Community zuerst zum Erwerb angeboten. Das hat auch vertriebsunterstützend sehr gut funktioniert, weil erneuerbare Energie einfach ein spannendes, neues Thema ist.
Wie ist das mit der Ausrichtung? Welche Rolle spielt der Kundenservice?
Wir haben mit den klassischen Marketingthemen begonnen und anschließend mit Themenmanagement betrieben. Dazu haben wir immer mehr Serviceanfragen über Facebook und Twitter bekommen und beginnen jetzt den Servicebereich auszubauen.
Wie schaffen Sie es intern organisatorisch Kundenanfragen in Echtzeit zu beantworten?
Es gibt einen sehr engen Kontakt zu allen Fachabteilungen, die uns bei der Themenrecherche unterstützen, speziell zum Customer Service-Bereich und zum Beschwerdemanagement. Wenn es Kundenanfragen gibt, können wir die zum Großteil mittlerweile auch relativ schnell selbst beantworten. Dinge, die einen Kunden persönlich betreffen und etwas komplexer sind, da versuchen wir einen Kanalwechsel zu vollziehen und dann direkt den Customer-Service hinzuzuziehen. Ziel ist es, dass wir die Servicethemen mit Hilfe unseres Kundenservice-Bereichs ausbauen. Aber da sind wir noch in der Anfangsphase. Hier lernen wir Stück für Stück dazu.
Welche Tipps haben Sie für Energieversorger, die jetzt erst den Weg in die sozialen Medien gehen?
Ich bin dafür Schritt für Schritt und damit klein zu beginnen – die Kanäle und wie sie funktionieren kennenzulernen. Mit kleinen Projekten beginnen. Sich auch coachen zu lassen was die Sprachkultur anbelangt, weil man in den sozialen Medien ganz anders spricht als im klassischen Sinne. Und dann würde ich Guidelines entwickeln für den Umgang mit sozialen Medien, einerseits für die Mitarbeiter, die in den sozialen Medien tätig sind, aber auch zum Schutz bei privaten Aktivitäten. Das schafft Akzeptanz im Unternehmen und beim Management.
Es sollte zudem eine richtige Strategie vorhanden sein, die sich von den Unternehmens-, Kommunikations- und Marketingzielen ableitet. Wenn am Ende die Entscheidung stünde, dass die Ziele des Unternehmens nicht durch soziale Medien unterstützt werden können, dann ist das auch gut.
Welche Vorteile sehen Sie in einem strategischen Vorgehen?
Im Rahmen des strategischen Vorgehens ist es einfacher, sich eine Positionierung zurechtzulegen und damit auch Themen zu finden und diese interessant aufzubereiten. Das Schwierigste ist den Content wirklich attraktiv zu gestalten. Ihn zu finden und mit Bildern, Videos und interessanten Links zu verknüpfen, das ist eine sehr intensive Arbeit für die man auch Ressourcen benötigt.
Wo sehen Sie Wien Energie in Social Media in fünf Jahren?
Gemäß unserem Anspruch Vorreiter und Marktführer zu bleiben, glaube ich, dass wir es schon schaffen, ein größeres Publikum und damit Reichweite für unsere Energiethemen zu generieren. Wir wollen ein qualitatives Wachstum und echten Dialog mit unseren Kunden und ich wünsche mir, dass diese Love Brand „Wien Energie“ eben auch in den sozialen Netzwerken greifbarer geworden ist und lebt.
Bildquelle: Wien Energie Blog
Leider fehlen in diesem Artikel belastbare Kennzahlen. Die Aussage, dass die Interaktion gut ist interessiert mich besonders. Das kann man aber auch messen und in Relation setzen. Gibt es dazu weitere Infos?
Genaue Zahlen der Wien Energie habe ich leider nicht. Allerdings
bekommen Sie dazu auf Facebook ja am Anfang eines jeden Monats einen
ersten Eindruck.
Bei derzeit 11.558 Fans.
– Dezember: Personen, denen das gefällt 1.926, Personen, die darüber sprechen 2.590
– November: Personen, denen das gefällt 235, Personen, die darüber sprechen 789
– Oktober: Personen, denen das gefällt 1.315, Personen, die darüber sprechen 1.881
– September: Personen, denen das gefällt 539, Personen, die darüber sprechen 1.319
Zugegeben, die Zahlen bei Facebook sind mit Vorsicht zu genießen,
gerade bei solchen Schwankungen, aber Sie geben vielleicht einen ersten
Eindruck.
Unter Blogbeiträgen findet, wie bei den meisten Blogs, kaum Interaktion statt.
Einen kleinen Eindruck der Interaktion auf Twitter findet sich hier: https://twitter.com/search?q=WienEnergie&src=typd
Belastbare Zahlen zu nennen, ohne diese dann in Relation zu
vergleichbaren Branchen, Mitbewerbern, Anbietern und Zielgruppen mit Zielgruppengrößen
zu setzen, ist halt immer schwierig. Gerade in einer wenig homogenen
Branche wie den Energieversorgern.