Brigitte Alice Radl Als Gastautorin im PR-Blogger tätig.

Content-Strategie 4: User Research – die beste Freundin der Content-Strategen

4 Minuten Lesedauer

Eine Content-Strategie basiert zu einem guten Teil auf dem Wissen darüber, was die Nutzer brauchen und wünschen. User Research ist deshalb einer der Schlüsselaspekte erfolgreicher Webkommunikation. Unternehmen sollten nicht darauf verzichten – selbst bei kleinem Budget.

User sind unerbittlich. Wenn sie auf einer Website nicht die Informationen und Services vorfinden, die sie suchen, sind sie so schnell weg wie der Blitz. Danach beschweren sie sich womöglich über mangelhafte Funktionalität und nicht befriedigende Serviceleistungen im Social Web, auf Blogs oder anderen Plattformen.

Nur zufriedene User kommen wieder. Deshalb muss es Ziel einer Website sein, eine „positive Nutzererfahrung“ zu bieten. Unternehmen müssen dazu Inhalte bereitstellen, die für User sinnvoll sind und ihre Erwartungen erfüllen.

Bild von Kosta Kostov

Dies ist die Aufgabe der Content-Strategie: Sie bildet das Fundament für die strategische und langfristige Planung sinnvoller Web-Kommunikation. Die Content-Strategie hat sich aus dem User Experience Design der 90er-Jahre entwickelt. Daher stammt auch ihre Fokussierung auf die Nutzer und ihre Bedürfnisse. Quer durch alle Content-Strategie-Standardwerke wird daher die Notwendigkeit von User Research für die Planung und Umsetzung von Web-Projekten betont. Denn nur wer seine Nutzer kennt und weiß, was sie brauchen, kann eine erfolgreiche Web-Präsenz schaffen.

Organisationen glauben jedoch häufig, alles über ihre User zu wissen – weil die Marketingabteilung die relevanten Zielgruppen schon vor Jahren definiert hat oder die Produktentwicklung auf Basis demographischer Daten arbeitet. Diese Informationen sind wichtig. Sie eignen sich jedoch nicht als Basis für die Entwicklung einer positiven User Experience im Web!

Kristina Halvorson drückt es so aus:

“You may think you know what they want. In fact, you may think you know what they need more than they do. This, of course, is silly. While you may be an expert about your product or service, you most certainly cannot read your users’ minds. Nor are you in any position to tell them what they want or need.” („Content Strategy for the Web“, 2009, p.75)

Auch Erin Kissane sieht den Zweck von User Research darin, mit gesicherten Erkenntnissen statt vagen Annahmen und Vermutungen zu arbeiten:

“The purpose of user research is to move beyond assumptions, guesses, and stereotypes to discover what your human readers, viewers, and listeners really want and need.” („The Elements of Content Strategy“, 2011, p.51)

Nutzerforschung: eine sinnvolle Investition oder vergeudete Zeit?

Content-Strategie ist nur dann sinnvoll, wenn sie ganzheitlich abgewickelt wird – vom Content Audit über die Analysephase bis hin zur Strategieentwicklung. Solche Prozesse bedeuten für Organisationen allerdings einen erheblichen zeitlichen, finanziellen und personellen Aufwand.

Um Ressourcen zu sparen, wird jedoch häufig vorgeschlagen, einzelne Arbeitsschritte im Prozess auszulassen oder zu verkürzen. Ein fataler Fehler! Denn nur die Kombination der einzelnen Content-Strategie-Methoden führt zu erfolgreichen Konzepten.

Trotzdem wird insbesondere bei User Research gern der rote Stift angesetzt. Es wird davon ausgegangen, dass ausreichendes Wissen über die User bereits vorhanden sei und ein langwieriger und kostspieliger Forschungsprozess keine neuen Erkenntnisse liefern könne.

Wieder falsch! Erstens ist Nutzerforschung nie eine schlechte Investition: Es ist auf jeden Fall billiger, die Bedürfnisse der User im Vorhinein abzufragen oder ihre Meinung zu einer Web-Präsenz einzuholen, als ein Produkt oder Service wieder vom Markt nehmen zu müssen, weil es nicht gekauft oder genutzt wird. Zweitens gibt es zahlreiche Methoden, die eine Überprüfung der User Experience bei geringem (zeitlichem und finanziellem) Aufwand erlauben:

Mike Kuniavsky schlägt in seinem Buch „Observing the User Experience. A Practicioner’s Guide to User Research“ einen Mikro-Usability-Test vor, der Unternehmen verrät, ob ihr entwickeltes Web-Angebot für die Nutzer brauchbar ist:

„It’s designed to let you get almost immediate feedback on your product, with minimal overhead.“ („Observing the User Experience“, 2003, p.9)

Ein Mikro-Usability-Test für schnelle Erkenntnisse

Auch wenn Usability-Tests gewöhnlich Teil umfangreicherer Forschungs- und Analyseprojekte sind (z.B. qualitative Interviews, Surveys, Fokusgruppen etc.), geben sie schnell Auskunft über die Qualität der entwickelten Inhalte. Auch mit kleinem Budget kann ein Content-Stratege damit beispielsweise die Schwachstellen und Probleme einer Website identifizieren und ausräumen. Kuniavsky schlägt fünf Schritte vor, die in nur einem Tag durchgeführt werden können:

  1. Zielgruppen und Produkteigenschaften definieren
  2. Für wen ist die Seite gedacht? Es ist wichtig, die Zielgruppen so detailliert wie möglich zu beschreiben. Welche Personen nutzen die Website besonders häufig? Wie können sie beschrieben werden? Was unterscheidet diese Personen von der Allgemeinheit? Welche Probleme und Interessen haben sie?

    Danach werden die Schlüssel-Features des Produktes beschrieben. Warum nutzen Personen das Produkt? Warum ist es für sie brauchbar und sinnvoll? Der Zweck der Website sollte so einfach erklärt werden können, dass auch ein Gast auf einer lauten Party ihn in 30 Sekunden verstehen würde.

  3. Aufgaben formulieren
  4. Im zweiten Schritt werden die fünf wichtigsten Funktionen der Website dokumentiert. Jede Funktion wird dabei mit einem einfachen Satz beschrieben. Was sollen die User auf der Seite ausführen können? Ein Online-Store sollte zum Beispiel nicht nur ein klares Verkaufs- und Vertriebskonzept, sondern auch eine brauchbare Suchfunktion haben und Bewertungen einzelner Produkte liefern.

    Wenn die Liste mit den fünf wichtigsten Funktionen steht, werden passende Tasks formuliert. In ein paar Sätzen wird die Nutzung einer Funktion aus der Perspektive des Users beschrieben. Zum Beispiel: „Du hast Dich dazu entschlossen, das Buch „Content Strategy for the Web“ auf amazon.de zu kaufen. Finde das Buch im Online-Store ausgehend von der Landingpage.“

  5. Die richtigen Testpersonen finden
  6. Nun geht es an das Auffinden geeigneter Test-User. Diese sollten der bereits erfolgten Zielgruppendefinition in Punkt 1 entsprechen. Kuniavsky schlägt fünf bis sechs Personen vor, die durchaus aus dem eigenen Unternehmen, Bekannten- oder Verwandtenkreis stammen können. Wichtig ist, dass sie mit der Zielgruppe identifiziert werden können und keine fachlichen Kompetenzen im Bereich Web-Kommunikation oder Usability haben.

    „As long as they’re somewhat like the people you expect to visit the site, it can be anybody who is unfamiliar with the product and unbiased to like or dislike it“ („Observing the User Experience“, 2003, p.13)

  7. User führen die Tasks aus
  8. Es ist wichtig, den Test-Usern zu erklären, dass sie nicht „geprüft“ werden, sondern dass sie dabei helfen, die Website zu verbessern. Für jedes Interview sollte ca. eine halbe Stunde anberaumt werden. Die Testpersonen nehmen in einem neutralen Raum („Usability Lab“) vor einem PC Platz, auf dem nur die betreffende Website im Browser geöffnet ist. Dann erhalten sie die fünf entwickelten Aufgaben und werden gebeten, diese zu lösen. Währenddessen sollen sie erklären, wie es ihnen geht, wo sie Schwierigkeiten haben oder warum sie zu keiner Lösung kommen. Der Content-Stratege darf nicht helfend in den Prozess eingreifen. Er bleibt im Hintergrund und macht sich, auf Grundlage eines vorab entworfenen Evaluationskonzepts, Notizen oder zeichnet das Gespräch auf.

    Nachdem alle fünf Aufgaben absolviert wurden, werden die Test-User gebeten, die Website zu beurteilen und zu erklären, warum sie die Website im Alltag nutzen würden – oder warum nicht.

  9. Muster erkennen und Ergebnisse evaluieren
  10. Im Anschluss vergleicht der Content-Stratege die Ergebnisse der einzelnen Testpersonen. Dabei arbeitet er Muster heraus: Bei welchen Aufgaben hatten die Test-User ähnliche Probleme oder Schwierigkeiten? Haben sie den Zweck der Website verstanden? Hat die Website ihre Erwartungen und Wünsche erfüllt? Wenn nein, warum nicht?

Der Mikro-Usability-Test liefert so erste Erkenntnisse darüber, ob die Website für die User nützlich und verständlich ist. Es handelt sich zwar lediglich um eine kleine Analyse – selbst diese kann jedoch zum Erkennen existenzieller Probleme der User mit den Funktionalitäten und Inhalten der Seite beitragen. Treten erhebliche Usability-Probleme zu Tage, kann die Untersuchung auch dazu genutzt werden, vor den Stakeholdern die Investition weiterer Ressourcen in User Research zu rechtfertigen. Und natürlich können die gröbsten Fehler ausgebessert werden, bevor eine Website online geht.

Der Content-Stratege bekommt mit User Research ein Mittel in die Hand, das es ihm trotz schmalen Budgets ermöglicht, die Meinungen der Nutzer einzuholen und im weiteren Prozess der Inhaltsentwicklung und -umsetzung die gewonnenen Erkenntnisse zu reflektieren. Das Testen von Beta-Versionen auf diesem Weg ist weder methodisch kompliziert noch erfordert es großen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Immerhin weiß der Content-Stratege nur zu gut, wie wichtig das Einholen der Meinungen ist, denn: User sind unerbittlich.

Mich interessieren Ihre Meinungen und Erfahrungen: Welche User-Research-Methoden können Sie empfehlen? Und wie wichtig ist User Research für Ihre Arbeit im Web?

Brigitte Alice Radl Als Gastautorin im PR-Blogger tätig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert