Alexander Stocker Als Gastautor im PR-Blogger tätig.

Social Forecasting: So nutzen Sie die kollektive Intelligenz Ihres Unternehmens

3 Minuten Lesedauer

Die Mitarbeiter eines Unternehmens besitzen eine geballte Ladung an kollektiver Intelligenz. Der Einsatz von Enterprise-2.0-Methoden ist ein guter Weg, um diesen Wissensschatz zu heben. Wie geht man am besten vor?

Ein häufiges Ziel von unternehmensinternen Social Networks ist, mehr Transparenz über Wissen und Wissensträger zu bekommen. Durch das Schreiben über sich und ihre Tätigkeiten erzeugen Mitarbeiter Aufmerksamkeit, sie werden leichter auffindbar und ihr Vernetzungsgrad steigt. Diese bessere Vernetzung und das geteilte Wissen bringen positive Effekte für das Unternehmensgeschäft mit sich. Ein gerne zitiertes Erfolgsbeispiel für ein solches Enterprise-2.0-Vorhaben ist die Siemens Building Technologies Division. Doch das Social-Media-Prinzip lässt sich noch ganz anders nutzen: für „Social Forecasting“.

Während es bei klassischen Enterprise-2.0-Lösungen vor allem darum geht, dass Mitarbeiter textbasierte Inhalte in Wikis, Blogs und Soziale Netzwerken teilen, nutzt das Social Forecasting das Wissen der Mitarbeiter, um Vorhersagen über unternehmensrelevante Kennzahlen zu erhalten. Die mitarbeitergenerierten Inhalte bestehen jedoch nicht aus textuellen Beiträgen, sondern aus Zahlen.

Hinter Social Forecasting steckt die Idee, dass jeder Mitarbeiter im Unternehmen relevantes Wissen besitzt. Mit geeigneten Anreizen, zum Beispiel eine Rangliste der genauesten „Forecaster“ oder kleinen Sachpeisen werden die Teilnehmer animiert, eine möglichst genaue Prognose abzugeben (oder auch keine Prognose zu machen, wenn man sich nicht kompetent fühlt). Dieses Anreizsystem ist das zweite Kernelement von Social Forecasting, um besonders gute Prognosen zu ermöglichen.

So nutzt beispielsweise die Deutsche Telekom Social Forecasting, um das Marktpotenzial neuer Produktideen vorauszusagen. Das Telekom-Management kann sich quasi auf „Knopfdruck“ die kollektive Intelligenz seiner Mitarbeiter nutzbar machen. Um das Wissen der Mitarbeiter in quantitative Absatzprognosen oder Produktbewertungen zu gießen, nutzt  die Telekom die technologische Lösung CrowdWorx.

Die Deutschen Telekom setzt Social Forecasting für Produkt-Erfolgsprognosen ein

So sieht der Prozess bei der Deutschen Telekom aus: Zu Beginn benötigt der Manager eine Frage, zu der sich eine sinnvolle Vorhersage machen lässt. Beispielsweise wie Mitarbeiter die Chance eines neuen Produktes am Markt bewerten oder wie sie das konkrete Umsatzpotential dieses Produktes einschätzen. Das Management identifiziert dazu eine Gruppe an relevanten Mitarbeitern, die beispielsweise mit einer E-Mail über diese Fragestellung informiert wird. Die Mitarbeiter haben nun bis zu 5 Tage Zeit, um ihre Meinung in Form einer quantitativen Schätzung – selbst wenn es nur das Bauchgefühl ist – in dem Social-Forecasting-Portal einzutragen. Sobald die Zeit abgelaufen ist, steht das kollektive Ergebnis dem Management zur Verfügung.

Zum Beispiel könnte das Ergebnis für das Management eine Liste von Risikobewertungen mehrerer Produkt sein (% Flop-Wahrscheinlichkeit) sowie ein geschätzes Life-Time Umsatzpotential in Euro. Solche Kennzahlen sind direkt nutzbar – im Gegensatz zu einer Vielzahl an Textkommentaren zu neuen Produkten, die jedoch auch wichtig sind.

Bei Social Forecasting wird, wie beim „klassischen“ Einsatz von Social Media, der wesentliche Beitrag durch die Mitarbeiter geliefert. Dabei wird besonders auf eine hohe Antwortqualität geachtet. Deshalb werden die Mitarbeiter, anders als bei Umfragen, nicht nur für die Teilnahme belohnt, sondern auch für präzise Antworten. Je näher die Schätzung eines Mitarbeiters am tatsächlichen Ergebnis liegt, desto mehr Punkte erhält er. Die Punkte können dann am Monatsende in Sachpreise umgewandelt werden. Daneben gibt es auch nicht monetäre Anreize, zum Beispiel Ranglisten für die besten „Forecaster“.

Diese Anreizmechanismen tragen dazu bei, dass die Mitarbeiter ihr ganzes Wissen in ihre Antworten legen und dadurch die Prognosen sehr genau werden. Eine Reihe von Studien belegen die überraschend hohe Prognose-Genauigkeit, die nicht selten Experten und statistische Methoden in den Schatten stellt (siehe zum Beispiel die Studie „The Rise of Social Forecasting: How the Crowd Learned to be Smart“ von CrowdWorx).

Social Forecasting bringt bessere Ergebnisse als andere Forschungsmethoden

Auch Henkel und Tchibo haben Social Forecasting für die regelmäßige Prognose neuer Produkte genutzt. Auch hier zeigte sich: Die Prognose-Genauigkeit von Social Forecasting war höher als die bei anderen Methoden, etwa Umfragen oder statistischen Modellen.

Im klassischen Enterprise 2.0 fällt es dem Management mitunter schwer, den Nutzen zu erkennen (weil sich der ROI meist auch nicht robust errechnen lässt). Das ist beim Social Forecasting anders, weil der Mehrwert direkt nachgewiesen werden kann: Denn je genauer eine solche Vorhersage im Vergleich zur IST-Situation ist (und je weiter sich im Gegensatz dazu ein auf Basis von Vergangenheitsdaten errechneter Forecast vom IST-Zustand unterscheidet), desto lohnenswerter ist für das Management, auf diese soziale Art und Weise Prognosen zu erstellen.

Fazit – Social Forecasting führt das Wissen aus der Crowd zusammen

Die Stärke von Social Forecasting liegt also im…

  • Zusammenführen des Wissens unterschiedlicher Akteure aus der Crowd (den Mitarbeitern)
  • der Möglichkeit, Anreize für die Crowd für das Einspeisen von Informationen in das Forecasting-Tool zu generieren
  • in der Bereitstellung von Mitarbeiterwissen in kompakter Form als Zahlen (statt in langen Kommentaren).

Für die Mitarbeiter hingegen hat das Social Forecasting eine völlig andere Dimension: Neben den kleinen Preisen ist es vor allem die Erfahrung, zum ersten Mal vom Management bei tatsächlichen Geschäftsentscheidungen um Rat gefragt zu werden. Das Gefühl, dass die eigene Meinung wichtig ist. Dass es einen Ort gibt, wo man direkt gefragt wird und man direkt Antworten kann. Das ist für viele Mitarbeiter eine neue und äußerst befriedigende Erfahrung. Es zählt nicht, wer du bist, sondern was du weißt.

Was halten Sie vom Prinzip des Social Forecasting? Können auch Sie sich vorstellen, das kollektive Wissen Ihrer Mitarbeiter auf diese Weise zu nutzen, um bessere Vorhersagen zu erhalten?

Die Autoren:

Diesen Artikel erstellte der PR-Blogger-Autor Alexander Stocker mit Aleksandar Ivanov, dem Gründer von CrowdWorx, dem Anbieter eines Social Forecasting Tools, welches das Wissen von Mitarbeitern in Zahlen umwandelt und damit direkt für das Management nutzbar macht. Alex gehört zu den europäischen Enterprise 2.0-Pionieren und ist neben CrowdWorx  Mitgründer bei Crowdpark, einem Social Games Anbieter aus San Francisco, sowie Partner bei Analyx, einem deutsch-polnischen Beratungshaus für analytische Unternehmensdienstleistungen.

Alexander Stocker Als Gastautor im PR-Blogger tätig.

6 Replies to “Social Forecasting: So nutzen Sie die kollektive Intelligenz Ihres…”

  1. … hierzu sollte insbesondere Service-Wissen nicht nur nach Indikatoren bewertet sondern auch entsprechend monetär bilanziert sein: http://www.servicereport.eu/2010/bilanziertes-servicewissen-manifestiert-den-unternehmensstatus

  2. Um die Fragen aufzugreifen: Ja, Social Forecasting halte ich für eine sehr gute Möglichkeit, bessere Vorhersagen zu machen. Nur an der Umsetzung habe ich Bauchschmerzen. Fällt Managern wirklich nichts besseres ein, als Mitarbeiter extrinsisch dazu zu motivieren? Wenn wir über den Kulturwandel sprechen: Ist nicht gerade die Bindung zum Unternehmen und damit der eigene Wille der Mitarbeiter ausschlaggebend für den Erfolg? 

    Aber um etwas klarer zu werden: Es gibt zwei entscheidende Risiken bei dieser Form der Umsetzung: 

    1) Der Mensch an sich gewöhnt sich an Belohnungen. Das bedeutet, dass sich das Unternehmen immer wieder etwas neues einfallen lassen muss. In dem Fall bedeutet es, die Punkte für immer andere, bessere, teurere, … Produkte einlösen zu können. 

    2) Wird auf einmal nicht mehr belohnt (aus welchen Gründen auch immer), so wird das Ergebnis schlechter sein als zu der Zeit, wo sich Mitarbeiter freiwillig an den Umfragen beteiligt haben – wenn es diese Zeit überhaupt mal gab. 

    Und um Einstein sinngemäß zu zitieren: Man kann Probleme nicht mit Methoden lösen, die sie geschaffen haben 😉 

    VG Bianca Gade

  3. Um die Fragen aufzugreifen: Ja, Social Forecasting halte ich für eine sehr gute Möglichkeit, bessere Vorhersagen zu machen. Nur an der Umsetzung habe ich Bauchschmerzen. Fällt Managern wirklich nichts besseres ein, als Mitarbeiter extrinsisch dazu zu motivieren? Wenn wir über den Kulturwandel sprechen: Ist nicht gerade die Bindung zum Unternehmen und damit der eigene Wille der Mitarbeiter ausschlaggebend für den Erfolg? 

    Aber um etwas klarer zu werden: Es gibt zwei entscheidende Risiken bei dieser Form der Umsetzung: 

    1) Der Mensch an sich gewöhnt sich an Belohnungen. Das bedeutet, dass sich das Unternehmen immer wieder etwas neues einfallen lassen muss. In dem Fall bedeutet es, die Punkte für immer andere, bessere, teurere, … Produkte einlösen zu können. 

    2) Wird auf einmal nicht mehr belohnt (aus welchen Gründen auch immer), so wird das Ergebnis schlechter sein als zu der Zeit, wo sich Mitarbeiter freiwillig an den Umfragen beteiligt haben – wenn es diese Zeit überhaupt mal gab. 

    Und um Einstein sinngemäß zu zitieren: Man kann Probleme nicht mit Methoden lösen, die sie geschaffen haben 😉 

    VG Bianca Gade

  4. @netmedianer: Das Anreiz-System funktioniert etwas anders.
    Es wird nicht jeder Teilnehmer belohnt, wie bei einer Umfrage, sondern nur die Top-Prognostiker. Es gibt also keine Gewöhnung an Belohnungen, denn jede Woche/Monat gewinnen andere Teilnehmer.

    Der eigentliche Kulturwandel der stattfindet, ist ein äußerst Positiver: Das Management fragt zu strategischen und operativen Themen zum ersten Mal die Mitarbeiter. Dies ist kein Zeichen der Inkompentenz des Managements, sondern zeigt die Erkenntnis, dass Manager nicht allwissend sind (niemand kann das sein).

    Natürlich ist nicht jedes Unternehmen reif für Social Forecasting, aber die Unternehmen, die es einführen, werden mit einer hohen Mitarbeiter-Zufriedenheit und Mitarbeiter-Aktivierung belohnt, wie etwa das Beispiel der Zeppelin GmbH zeigt, welche Social Forecasting nutzt: http://www.slideshare.net/CrowdWorx/employee-engagement-with-social-forecasting-by-crowdworx/

  5. Hallo Frau Gade, nachdem ich gerade aus dem Kurzurlaub zurückgekommen bin, möchte ich noch schnell die Gelegenheit für einen kurzen Kommentar nutzen.

    Die Thematik Belohnungen ja/nein wurde in der Wissenschaft schon sehr ergiebig diskutiert. Dennoch bin ich der Ansicht, dass Belohnungen (für die erstmalige/intensive Nutzung eines neuen Systems) ein guter Mechanismus sind, um die Mitarbeiter zur Nutzung anzuregen. Es wird überall mit Belohnungen gearbeitet, also warum nicht auch im Arbeitsumfeld. Zahlreiche Fallstudien (zB, Siemens BT, http://www.alexanderstocker.at/2012/04/references-von-siemens-bt-fallstudie.html) belegen auch den Nutzung von solchen Systemen.

    Als Alternative zu Belohnungen könnte man die Mitarbeiter natürlich auch „zwingen“, indem man es in ihre Aufgabenbeschreibungen/Zielvereinbarungen etc. integriert. Auch sanfter Druck des Managements durch dauerhafte Erinnerungen, dass sie das tun sollen hat schon geholfen (vgl. zB Fallstudie Pentos, http://www.e20cases.org/fallstudie/pentos-ag-nachhaltiges-mitarbeiter-blogging/)

    Ein guter Mittelweg zwischen Freiwilligkeit und sanften Druck (Zwang ist so ein „schiaches“ Wort und aus der Forschung zu Wissensmanagement wissen wir auch, dass Zwang keine nachhaltige Lösung ist) durch Erinnerungen hinsichtlich Nutzung und Nutzen des Systems ist sicherlich ein möglicher Weg. Wichtig ist immer, dass Mitarbeiter ihren individuellen Nutzen verstehen und diesen wahrnehmen können (Herr Ivanov hat das auch schön mit „Das Management fragt zu strategischen und operativen Themen zum ersten Mal die Mitarbeiter“)  bezeichnet.

    Die Diskussion rund um einen (anzustrebenden) Kulturwandel in den Unternehmen – und wie dieser von Social Media unterstützt/ausgelöst/beeinflusst wird, wird mir persönlich etwas zu enthusiastisch geführt.

    Viele Grüße aus Graz,
    Alexander Stocker

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