Heinz Wittenbrink unterrichtet an der FH Joanneum in Graz Online-Journalismus und Soziale Medien und leitet dort das "Web Literacy Lab". Davor war er für Verlage und dann für eine Webagentur tätig. Er hat Bücher über Markupsprachen und Nachrichtenformate im Web verfasst. Für den PR-Blogger schreibt er über Fragen der Medienkompetenz in Unternehmen und untersucht, wie sich die Rollen von Journalisten und Kommunikatoren in der digitalen Welt verändern.

PR Blogger Buchtipps 3: Ein Standardwerk zur Content Strategie

1 Minuten Lesedauer

Brigitte Alice RadlDies ist ein Gastbeitrag von Alice Radl, die sich im Grazer Web Litaracy Lab intensiv mit Content Strategie beschäftigt.

Der Inhalt entscheidet darüber, ob Kommunikation im Web gelingt oder nicht. Auf dieser Erkenntnis basiert die neue Disziplin der Content Strategie, die in den letzten Jahren in den USA und Großbritannien immer mehr Widerhall findet. Eine Handvoll Leute aus unterschiedlichen Fachbereichen (Web Design, Informationsarchitektur, Informationsdesign, Web Writing, User Experience Design, usw.) entwickelt mit einem sehr praxisnahen Zugang Prozesse und Methodiken, die zur Implementierung einer konkreten Content Strategie in Unternehmen führen. Außerdem bemühen sie sich um Aufklärung und Bewusstseinsbildung, denn die erste Voraussetzung für gute Inhalte ist Awareness bei allen Beteiligten.

Kristina Halvorson erklärt in ihrem Buch “Content Strategy for the Web” detailliert und leidenschaftlich die Anforderungen an brauchbaren Content, der einerseits die Kerngeschäftsziele des Unternehmens unterstützten und andererseits die Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der User bzw. Kunden befriedigen muss. Wer durch eine Einführung wie die von Erin Kissane (siehe PR-Blogger Buchtipps 1) auf die Content Strategie aufmerksam geworden ist, findet hier ein Werk, das auf alle Aspekte der Planung von Unternehmensinhalten eingeht. Kristina Halvorson identifiziert folgende Problemstellungen im Umgang mit Webinhalten:

  • Content hat spezifische Anforderungen: Um brauchbare Inhalte zu erstellen und zu verwalten, ist eine Vielzahl von Arbeitsschritten nötig, die gut durchdacht und aufeinander abgestimmt werden müssen. Webcontent ist nie “fertig”, sondern befindet sich, bis er archiviert oder gelöscht wird, in einem ständigen Entwicklungsprozess.
  • Content braucht klare Zuständigkeiten: Es muss klar sein, wer für die Produktion, Bearbeitung und Pflege des Content in einem Unternehmen verantwortlich ist. Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist die Etablierung von redaktionellen Prozessen, die u.a. klare Verantwortlichkeiten festlegen.
  • Content braucht Publizisten: Sobald Unternehmen online publizieren und agieren, sind sie Publizisten. Publizisten planen frühzeitig, welcher Content erstellt wird, wie, wann und vom wem er bearbeitet, verwaltet und archiviert wird.
  • Content ist keine Massenware: Es gibt kein Schnellverfahren zur Erstellung von qualitativ hochwertigem Content. Hierfür braucht es Benutzerforschung, strategische Planung, Schreibfertigkeiten fürs Web und redaktionellen Überblick.
  • Webcontent braucht Qualitätsstandards: Es gibt sehr viel “schlechten” Webcontent. Hochqualitativer Content, der wertvoll, nützlich und unterhaltsam ist, ist eine der größten Chancen gegenüber der Konkurrenz.

Als Antwort auf diese Herausforderungen beschreibt Halvorson Prozesse und Methodiken zur Planung, Produktion, Bereitstellung und Verwaltung von Inhalten: Sie erklärt der Leserin, was Content Audits sind, welche Bedeutung User Research hat und wie bei der Strategiefindung und -umsetzung vorzugehen ist. Dabei geht sie leitfadenartig vor und unterstützt ihre Handlungsempfehlungen mit Grafiken und Beispielen. Verständlichkeit und logische Verknüpfung von Zusammenhängen stehen im Vordergrund. Am Ende des Buches hat die Leserin ein Vorgehensmodell im Kopf, das es ihr ermöglicht, empirische Untersuchungen durchzuführen, Analysen zu erstellen und Einzelaktivitäten strategisch zu planen sowie Verantwortlichkeiten und Workflows festzulegen und die Verwaltung der Inhalte zu konkretisieren. Im Bewusstsein verankert bleibt dabei immer die Bipolarität von Business Objectives und User Needs, die es mittels einer integrierten Content Strategie auf einen Nenner zu bringen gilt.

In den USA wird die Content Strategie in immer mehr Unternehmen und Agenturen als eigenes Fachgebiet anerkannt. Das zeigt sich auch daran, dass für den Februar eine zweite Auflage von Halvorsons Buch geplant ist.

Heinz Wittenbrink unterrichtet an der FH Joanneum in Graz Online-Journalismus und Soziale Medien und leitet dort das "Web Literacy Lab". Davor war er für Verlage und dann für eine Webagentur tätig. Er hat Bücher über Markupsprachen und Nachrichtenformate im Web verfasst. Für den PR-Blogger schreibt er über Fragen der Medienkompetenz in Unternehmen und untersucht, wie sich die Rollen von Journalisten und Kommunikatoren in der digitalen Welt verändern.

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Klaus Eck
3 Minuten Lesedauer

4 Replies to “PR Blogger Buchtipps 3: Ein Standardwerk zur Content Strategie”

  1. Hallo Alice/Heinz, Eure Buchrezension kommt genau zur richtigen Zeit. Unternehmen  begreifen ja allmählich, wie enorm wichtig eine konsequent durchgezogene Content-Strategie ist – und wie wenig sie von gekauften Inhalten oder Praktikanten-Übergaben („Du managst das einfach mal die nächsten 3 Monate, das ist ja ganz simpel…“) haben. Diese Schlamperei kann richtig geschäftsschädigend sein.
    Ich habe Kristina auf dem Content Strategy Forum in London kennengelernt und schätze sie sehr. Allerdings halte ich ihr Buch für recht oberflächlich, manchmal habe ich mich regelrecht geärgert („Begin with Brand and Messaging“…“Think before you tweet“). Das ist bei 172 Seiten eigentlich kein Wunder, Content-Strategie ist ja extrem komplex. Insofern sensibilisiert das Buch eher – und das ist wunderbar so! – aber ich glaube nicht, dass man nach seiner Lektüre in der Lage sein wird, eine gute Content-Strategie zu entwickeln. Ich bin schon sehr gespannt auf die überarbeitete Ausgabe.

  2. Es wäre für den deutschen Markt sehr hilfreich, wenn es ein deutsches Werk gäbe, das sich des Themas intensiver annehmen würde, vor allem auch mit mehr Tiefe als die Amerikaner sie oft bieten, wie meine Vorkommentatorin richtig und diplomatisch bemerkte. Wer sich einmal konkret an ein Konzept für eine Website macht, vor allem einer B2B-Website, wird feststellen, dass einen die auf den ersten Blick einfachen Grundgedanken der Content-Strategie vor allem ins Stottern bringen. Eine „echte“ Strategie mit Systematik wäre hier eine tolle Sache. Gibt es in Deutschland ein universitäres Institut, das solche Dinge erforscht, Online-PR, Online-Marketing und Usability vereint? Ich glaube nicht.

  3. Ray, das sehe ich auch so: viele Bücher zum Thema Content Strategy sind erstaunlich oberflächlich.

    Dass mag zum einen daran liegen, dass Amerikaner bei diesem Thema vorne
    dran sind und womöglich eine Tendenz dazu haben. Andererseits aber liegt
    es am Thema Content Strategie selbst: Es ist, sind wir mal ehrlich,
    nichts bahnbrechend Neues, sondern vielmehr die Konkretisierung und
    Professionalisierung einer Disziplin, die es gibt, seit es
    professionelle Kommunikation gibt.

    Zudem bedient sich die Content Strategie an anderen Disziplinen, weil
    sie eine Querschnittsdisziplin ist: Deshalb sind viele Bücher und
    -Vorträge zum Thema voll mit Beispielen aus den Disziplinen Design,
    Informationsarchitektur, SEO, CMS oder PR, um nur ein paar zu nennen.
    Und den interessierten Leser/Hörer beschleicht dann zurecht das Gefühl,
    dass er alles schon kennt. Aber Content Strategie ist unverzichtbar als
    managende, bündelnde Moderatorin all dieser elementaren Aufgaben, weil
    sie ihnen eine neue, inhaltlich professionelle Dynamik verleiht. Ich bin
    deshalb sehr dankbar, dass sie endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die
    sie verdient!

    Weil jedes Unternehmen bei all diesen Kommunikationsaufgaben völlig
    anders tickt, gibt es kaum eine Chance auf allgemeingültige
    Handlungsanweisungen, Modelle etc. (Zum Beispiel kenne ich kein
    überzeugendes Buch über Redaktionsmanagement – wohl aus demselben
    Grund.) Das Thema ist einfach zu komplex, zu individuell, zu team-,
    themen- und auch trendabhängig.

    Ich kenne zwar – noch – kein deutsches Buch, aber hilfreich war für mich
    dieses: „Managing Enterprise Content – a Unified Content Strategy“ von
    Ann Rockley (Verlag News Riders). Ich werde es demnächst im PR-Blogger
    besprechen.

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