Thomas Euler Thomas denkt, schreibt, spricht und berät zu digitaler Transformation, Technologie und dezentralisierten Systemen. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

5 Tipps für das eCampaigning: das Beispiel Hochmoselbrücke

3 Minuten Lesedauer

Wenn neue Großprojekte im Straßenbau realisiert werden sollen, ist es keine Neuigkeit, dass es oft Widerstände aus der Bevölkerung gibt. Neu ist allerdings, wie diese organisiert werden. Zunehmend mehr Bürgerbewegungen entdecken die Möglichkeiten des Social Webs, um ihre Proteste zu organisieren. So machen derzeit Anwohner der Moselregion, allen voran die ansässigen Winzer, mobil gegen den Bau der Hochmoselbrücke.

Wird die Brücke gebaut, müssten die Gipfelwälder auf den lokalen Weinbergen – in Summe der größte zusammenhängende Weinberg Europas – gerodet werden. Bislang stellen sie ein Regulativ im Wasserhaushalt der Weinberge dar, weshalb vermutet wird, dass mit Langzeitschäden zu rechnen ist. Mit dem Bau der Brücke soll noch in diesem Jahr begonnen werden. Daher schicken sich die Gegner des Projekts nun an, eine Gegenbewegung zu starten.

Vielleicht angeregt von der Petition im Kontext der „Zensursula“-Bewegung, wollen die Initiatoren auch in diesem Fall möglichst viele Menschen zum Unterzeichnen einer Online-Petition bewegen. Einige Erläuterungen zu dem Thema erfährt man zum Beispiel in einem Video-Interview auf der Weinplattform TVINO, die aus Kampagnensicht wohl eine ziemlich relevante Zielgruppe anspricht.

Weitere Hintergründe zum Thema finden sich auf einer speziellen MySpace-Seite sowie in Greenpeace’s Kampagnen-Netzwerk Greenaction. Auch auf Wer-kennt-wen gibt es eine Gruppe. Diese Bemühungen schlagen sich dann auch bei einer einfachen Googlesuche nach dem Begriff „Hochmoselbrücke“ nieder:

Dennoch ist der Erfolg der Mobilisierungsversuche bislang eher mäßig. Zwar ist die Petition von allen aktuellen ePetitionen an den Bundestag die mit den zweitmeisten Unterzeichnern, doch knapp 3400 virtuelle Unterschriften genügen vermutlich nicht, um ein derart gewaltiges Projekt zu kippen. Mit Verantwortlich für diesen Umstand dürfte weniger das Thema sein – die Zerstörung eines gewaltigen Landschaftsgebiets eignet sich erfahrungsgemäß gut, um Menschen zu mobilisieren. Vielmehr lässt die Kampagne bislang einige Möglichkeiten ungenutzt, die ihre Reichweite und Mobilisierungskraft nochmals deutlich erhöhen könnten.

Daher habe ich an dieser Stelle fünf Tipps fürs eCampaigning zusammengestellt, die natürlich auch beim Aufbau anderer Kampagnen hilfreich sind.

1. Organisation: Beschäftigt man sich länger als 5 Minuten mit der Kampagne, fällt auf, dass es sich im Grunde nicht um eine zentral organisierte Kampagne handelt, sondern viele kleinere Initiativen aktiv sind. Würden diese koordiniert und gemeinsam auftreten, könnten sie ihre Ressourcen natürlich wesentlich effektiver nutzen. Dieses Problem ist nicht unüblich, wenn es um ein regionales Thema geht, da sich diverse Gruppen lokal bilden. Doch eine wirksame Kampagne entsteht am ehesten, wenn sich die Organisationen zusammenschließen und gemeinsam aktiv werden. Gerade im Internet finden sich dank Communities, Wikis und Co. genug Möglichkeiten, sich gemeinsam zu organisieren.

2. Kampagnen-Design: Bis dato hat die Kampagne keine einheitliche Optik. Das schmälert den Wiedererkennungswert und so bleiben Potentiale ungenutzt, die der Erhöhung des Bekanntheitsgrades sehr dienlich wären. Natürlich ist dies nicht zuletzt eine Folge aus Punkt 1.

3. Tonalität: Bislang stellt sich die Kampagne primär über die Inhalte auf und gibt sich anklagend. Was fehlt, sind knappe, aufmerksamkeitsstarke Kampagnenelemente, die den Unterstützern zur Verfügung gestellt werden. Online wären dies etwa Profilbilder mit Kampagnen-Symbolik für die gängigen Social Networks, Banner und Badges für Blogger und Ähnliches. Auch ein knackiger Claim unterstützt jede Kampagne. Einen ersten Ansatz dafür findet man bei „Tatort Mosel„, doch dieser scheint weder allgemein in der Kampagne Verwendung zu finden, noch wirkt es besonders einprägsam.

Erst wenn mit Hilfe solcher Elemente genügend Aufmerksamkeit erzeugt wurde, muss nachgelagert natürlich die Information auftauchen. Diese sollte, gestaffelt vom Überblick bis zu den genauen Hintergründen für Wissbegierige, einen möglichst tiefen Detailgrad erreichen, der auch kritischen Nachfragen standhält.

4. Social Media Kanäle: Zwar werden mit MySpace und Wer-kennt-wen schon Social Media Plattformen genutzt, doch ausgerechnet Twitter und Facebook fehlen. Dabei haben gerade diese beiden Dienste das größte, Plattform-immanente Potential für die virale Verbreitung von Inhalten. Sie außer Acht zu lassen dürfte bei nahezu jeder modernen Online-Kampagne einen Fehler darstellen. Doch sucht man nach der Hochmoselbrücke auf Twitter, finden sich aktuell gerade einmal vier Treffer.

5. Aktion fördern: Das Thema der Kampagne hat es bereits geschafft, die mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das ZDF berichtete, ebenso wie zum Beispiel die Frankfurter Rundschau.

Was bis dato jedoch noch nicht ausreichend gelingt, ist die Aufmerksamkeit auch in Aktion umzumünzen. Zwar gibt es auf der offiziellen Kampagnenseite einige Hinweise darauf, wie man selbst aktiv werden kann, doch die Auswahl lässt besonders im Online-Bereich zu wünschen übrig. Denn dort kommt es vor allem darauf an, niedrigschwellige „Einstiegsangebote“ zu machen, die ein Unterstützer ohne großen Aufwand wahrnehmen kann, die allerdings nach außen wirken – und damit natürlich den Bekanntheitsgrad der Kampagne erhöhen. Ein Beispiel sind die oben erwähnten Badges oder Profilbilder, ein weiteres das Einführen eines Mems in sozialen Netzwerken, z.B. ein prägnantes Hashtag auf Twitter (s. z.B. der Erfolg des #ashtag).

Optionen wie E-Mails und Briefe zu verfassen oder Flyer auszudrucken erfordern bereits deutlich mehr Einsatz und werden daher von bedeutend weniger Menschen umgesetzt. Daher sollten auch weniger engagierte Personen Möglichkeiten geboten werden, wie sie aktiv werden können. Ebenfalls erfolgsversprechend ist es, Aktivisten mit Tools wie Meetup auch offline miteinander zusammenzubringen und zu Aktionen zu bewegen. Diese wiederum können dann online dokumentiert werden, um mehr Inhalte für die Unterfütterung der Kampagne zu erhalten.

Sicherlich kann man diese Liste noch um etliche Aspekte erweitern. Über Ihre Erfahrungen, Anregungen und Ideen freuen wir uns in den Kommentaren!

Thomas Euler (Twitter: ThomasE)

Disclaimer: Ich habe die Petition ebenfalls unterzeichnet.

Thomas Euler Thomas denkt, schreibt, spricht und berät zu digitaler Transformation, Technologie und dezentralisierten Systemen. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

3 Replies to “5 Tipps für das eCampaigning: das Beispiel Hochmoselbrücke”

  1. Hallo,
    die Stilblüten der deutschen Sprache sind wirklich erstaunlich. Ge-twittert wird ja schon lange, aber ge-facebook-ed (wie schreibt man das eigentlich?) war mir dann doch neu (am Ende des Tvino-Beitrages).
    Gruß,
    Stefan

  2. Danke für die gute Zusammenfassung. Parallel ist und wird gerade daran gearbeitet.
    Gruss,
    Susanne

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