Heike Bedrich Als Gastautorin im PR-Blogger tätig.

Wer schließt die Lücke zwischen Theorie und Praxis?

2 Minuten Lesedauer

Die Beratungsgesellschaft Booz Allen Hamilton spricht in ihrer erst kürzlich erschienen Studie von einer massiven Lücke zwischen Theorie und Praxis im Digitalen Marketing, obwohl Marketingverantwortliche die Neuen Medien und Tools  als klare Herausforderung betrachten. Nur jeder vierte Marketer hält sein Unternehmen aktuell für gut gerüstet und 60 Prozent erklären sogar, keine ausreichende Erfahrung mit digitalen Medien zu haben. Befragt wurden insgesamt 250 internationale Marketingverantwortlichen in Unternehmen.

In der Pressemitteilung heißt es weiter: „Kunden nutzen digitale Medien heute virtuos. In Communities bewerten sie Produkte und Firmen. Das Machtverhältnis zwischen Marketing und Konsumenten verlagert sich so klar zugunsten der Verbraucher“, so  Gregor Harter, Marketing- und Vertriebsexperte und Geschäftsführer bei Booz Allen Hamilton. In der Praxis ziehen Marketer daraus jedoch noch nicht die nötigen Konsequenzen. Sie müssen Bedürfnisse und Verhaltensmuster von Kunden durch direkten Dialog erfassen und in harte, belastbare Daten umwandeln. „Ziel ist ein Marketing, das seinen Medienmix dem Verhalten der Verbraucher in Echtzeit anpasst.“

Und genau hier fängt das Problem in vielen Unternehmen an. Kann man einen Medienmix in Echtzeit umsetzen? Heute sieht es doch meist so aus, dass mehrere Wochen und Monate ins Land ziehen, bis Kampagnen ins Netz gestellt werden können. Zwischen der Unternehmensbotschaft und dem User stehen die Kreativ-Agenturen, die Mediaplanung, Online-Vermarkter und dann auch noch die Publisher. Echtzeit-Kommunikation ist da doch nicht möglich – sollte man meinen.

Angesichts digitaler Kundendialoge in Echtzeit gewinnt Mediaplanung einen neuen Wert. So meint jeder zweite Befragte der Studie: Schon in fünf Jahren funktioniert der Mediaeinkauf ähnlich wie der Aktienhandel an der Börse. Und somit kommt die Studie auch zu einem überraschenden Ergebnis: Digitales Marketing stellt die klassische Arbeitsteilung zwischen Marketingverantwortlichen, Medien, Media- und Kreativagenturen zur Disposition. Denn immer mehr Marketingverantwortlichen buchen direkt über den Online-Vermarkter, Agenturen und Mediaplanung gehen leer aus. Entsprechend konkurrieren alle Player darum, zusätzliche Kompetenzen aufzubauen. So geben 78% an, ihr Unternehmen müsse künftig besser verstehen, was Werbekunden messen wollen. „Die Fähigkeit, genau jene Daten und Services zu liefern, die es dem Marketer ermöglichen, seinen Mediamix punktgenau auf das Konsumentenverhalten auszurichten, entscheidet, wer künftig die Wertschöpfungskette beherrscht“, so Harter von Booz Allen Hamilton.

Das ist sehr interessant und könnte für Unternehmen auch bedeuten, zukünftig die Kommunikation, Kreation, Mediaplanung und Schaltung intern zu lösen, oder aber auf einen Experten zurückgreifen zu können, der alle Kompetenzen für Echtzeit-Marketing besitzt. Eine Trennung ist zukünftig kaum mehr möglich. Das fordert meiner Ansicht nach auch neue Aus- und Weiterbildungskonzepte. Denn die Übersetzungsfähigkeit neuer Tools und die rasante Entwicklung, die digitales Marketing an den Tag legt, braucht Generalisten, die Kreation, Mediaplanung und Technik verstehen.
Wer also am Ball bleiben möchte, muss wachsam sein und muss alle Möglichkeiten bewerten können.  Ich bin mir aber auch sicher, dass Online-Vermarkter hierfür Kompetenzen aufbauen werden, wie auch Publisher neue Konzepte vorlegen werden, um ein punktgenaues Marketing in Echtzeit zu ermöglichen. Dennoch: Wer nicht ständig drin ist und sich informiert, ist schnell draußen. Da hilft es auch nichts, wenn die Unternehmen ihre Budgets laut Booz Allen Hamilton erhöhen wollen (90 Prozent der Befragten planen die Investitionen für digitale Medien zu erhöhen). 

Neue Möglichkeiten hin und her, wichtig wird es sein, genau zu prüfen, wer meine Zielgruppe im Netz ist, wie ist sie vernetzt, wo finde ich sie. Dabei spielen Social Communities ebenso eine große Rolle wie Word of Mouth Marketing oder eine gut gemachte Website, die den Kunden aufnimmt, zuhört und dialogfähig ist. Auch die PR muss sich meiner Ansicht noch mehr „digital“ bewegen, noch mehr im Netz gestalten. PR-Verantwortliche sollten Dialoge moderieren,  also Kommunikation in Echtzeit leben.  In der Studie wird gefordert, dass Marketingentscheider, die den Anschluss nicht verlieren wollen, ihre Kompetenzen und Kapazitäten im Bereich digitale Medien zügig stärken müssen. Denn Marken, die digitale Kanäle nicht intensiv nutzen, haben über kurz oder lang keine Chance, für medial emanzipierte Verbraucher attraktiv zu bleiben. Ein kluges Fazit, ein sehr kluges Fazit.

Heike Bedrich, Talisman

Heike Bedrich Als Gastautorin im PR-Blogger tätig.

5 Replies to “Wer schließt die Lücke zwischen Theorie und Praxis?”

  1. Die emsigen Damen und Herren bei Booz Allen Hamilton, die von der massiven Lücke zwischen Theorie und Praxis sprechen, können diese vielleicht schon bald mit folgender, gerade erschienenen Publikation schließen: Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web: Bd 1, Bd 2
    von Ansgar Zerfaß (Herausgeber)
    Damit sollte das ganze Thema nun auch wissenschaftlich fundiert sein 😉

  2. Diesen Beitrag finde ich interessant und informativ. Eines ist mir jedoch unklar: Wer sind die „Player“, die Kompetenzen aufbauen wollen oder müssen?

  3. Zu der Studie von Booz Allen Hamilton fallen mir zwei, zugegeben ironische Kommentare ein:
    1. In Echtzeit denken, meeten und das auch noch umzusetzen, das wird ein lustiger GAU bei den Defiziten, die beim digitalen Marketing bestehen.
    2.Es wäre doch schön, wenn sich die Unternehmen zunächst mit den Essentials des digitalen Marketing beschäftigen würden und auf dieser Basis dann in neue Welten aufbrechen würden. Mit Qualität und Know-how. Alles andere wäre Kontroproduktiv.
    Was Booz Allen Hamilton parallel zur Erhebung betreibt, erinnert mich an die Argumentation von Versicherungsvertretern. Nichts gegen digitales Marketing und seine Chancen, aber bitte mit nüchternem Blick nach vorne.
    Zur Hype-Einordnung hier noch ein Text aus einer Werbemail für die forward2Business-Innovationsveranstaltungen, die mich erreichte:
    „Wen hatten Sie vor Augen, als Sie im letzten Kreativworkshop eine Produktidee für die Zukunft entwickeln sollten? An welche Kunden wollten Sie verkaufen? Waren es sagenhaften LOHAS? Waren es die Prosumer, die user-generated-content-, You-Tube- und Blogger-Generation? Ich hoffe nicht!
    Warum? Wie viele Menschen kennen Sie, die regelmäßig einen Film auf YouTube uploaden? Und wie viele die täglich Bloggen? Deshalb! Die Mär von „user-generated-content“, „LOHAS“ und „Prosumern“ hat unsere Wahrnehmung getrübt. Die meisten von Ihnen verkaufen morgen nicht an eine Avantgarde, die noch dazu überdurchschnittlich marketingresistent ist. Viele von Ihnen verkaufen morgen an die 20 bis 30 Jährigen, die demnächst Familien gründen, einen Haushalt einrichten, im Job aufsteigen und ihr Geld investieren. Dies ist der künftige Massenmarkt für den wir die Geschäftsmodelle der Zukunft entwickeln müssen.
    Ich nenne sie die Passiv-Prosumer. Auch sie nutzen Blogs, Foren, Social Communities, auch ihre Lebenswelten und Kulturtechniken haben sich tiefgehend geändert. Aber passiv! Mit den viel besprochenen Mitmach-Modellen werden Sie kein Geschäft machen!“
    Roland Keller – http://www.viralclash.com

  4. @ Frau Schwemlein,
    die Player sind Online-Vermarkter, Agenturen und Mediaplaner. Sie alle müssen Hand-in-Hand arbeiten und wissen, was der eine will und der andere braucht. Zeitintensive Änderungen von Kampagnen, die nicht die die gewünschte Klickrate erzielen oder z.B. auch Banner, die falsch ausgeliefert wurden, sollten so schnell als möglich direkt geändert werden können. Manche Systeme (AdServer Management Systeme) können das bereits und werden direkt von den Agenturen gespeist, und das ganz ohne Abstimmung mit der Mediaplanung. Agenturen müssen also Mediaplanung und Schaltung beherrschen, Mediaplaner sollten fit sein in der Kreation und Auswertung und Online-Vermarkter sollten den Kunden Tipps geben können, wie sie ihre Kampagne verbessern können, kreativ wie auch bei der Schaltung und Planung. So verstehe ich es.
    @ Roland Keller: Ja, mit Deinen ironischen Kommentaren liegst Du natürlich nicht ganz falsch 😉 dennoch: ich beobachte, dass auch „Nichtgeübte“ sich immer mehr dem Web widmen, sich dort in Mini-Zielgruppen wiederfinden, sich autauschen in Foren und Communities, die wir beide nicht kennen, weil wir uns mit Twitter und Blogs aus der Marketingszene umgeben, aber schau doch mal, was es heute schon alles gibt, (mein liebes Tier, mein Haus und Garten, mein Motorradclub, meine Hasenzucht, meine Kochcommunity etc.) Diese Menschen sind alle drin, sind potentielle Käufer und bestimmt nicht die Avantgarde. Selbstverständlich gibt es auch noch Menschen, die wir im Web nicht finden, die sich lieber noch den Musikantenstadl anschauen und den Grand Prix am Samstagabend. Gute Werbung sollte aber überall sein, wo sich meine Zielgruppe gerade aufhält. Sie soll unterhalten, informieren und sie muss auch nicht immer unbedingt zum Mitmachen auffordern, da wird zu häufig mit der User-Beteiligung experimentiert.
    Ich finde also die Hype-Zuordnung vom Forward2Business Kongress etwas unklung. Gerade wenn ich eine Familie gründe, bin ich im Netz: als werdende Mutter, als erziehender Vater, als Hauskäufer oder Mieter. Es geht nicht um die Avantgarde, es geht um Menschen, die sich informieren wollen. Und diese Menschen muss ich erreichen. Liebe Grüße Heike

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