Eine kleine Geschichte der Welt

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Kein Paradigma prägt unsere Zeit so sehr wie die Kybernetik. Trotz seiner Bedeutung hört man diesen Begriff nur selten. Dabei findet sich das Denken der Kybernetiker überall wieder. Vor allem im Computer, der als (Turing-) Maschine ein Duplikat unseres Gehirns sein soll.

Die Kybernetik gilt als letzte große Universalwissenschaft zur Erklärung der Welt, die Steuerung und Regelung in komplexen Systemen untersucht. Große Kybernetiker wie Heinz von Förster haben bis ins hohe Alter die wichtigsten Gestalter der Computerwirtschaft beraten, die Ihrerseits die größte Branche der Welt geworden ist.

Der Katalysator der Kybernetik waren die Macy Konferenzen mit Themen wie Neuronale Netze, Kommunikation und Sprache, Digitale Computer, Neurophysiologie, Mustererkennung, Kindheitstraumata, Gruppendynamik und Gruppenkommunikation. Das war 1946-53.

1946 war auch das Jahr, in dem Vannever Bush die Urvision des Internet formulierte und mit dem "Memex" die Vorlage der Weblogs liefert. Es war die große Zeit der interdisziplinären Konferenzen.

Computer und Informationstechnologie haben unsere Welt so tief durchdrungen, dass selbst viele Wissenschaften zu Computerwissenschaften geworden sind, ganz anders als Ihre "analogen" Vorgänger. So findet z.B. Metereologie nur noch in Computernetzwerken statt.

Viel mehr noch sind die Denkmuster der Kybernetik weit und breit wiederzufinden. Der Modebegriff "komplex" gehört dazu.

Die Art, wie die Kybernetiker die Welt sehen, hat zu der Welt geführt, in der wir leben. Sie wollten eine universale Theorie der Regulation, Steuerung und Kontrolle entwickeln, die für Maschinen wie für Menschen gilt. Das wichtigste Ergebnis ist die Maschine Computer. Aber der Computer wird noch in Jahrhunderten nicht wie das Gehirn sein. Er funktioniert digital, nicht analog. Der Rechner ist bei der "Verarbeitung" digitaler Informationen wesentlich schneller als der Mensch. Aber digitale Informationen haben keinerlei Bedeutung. Nur unterschiedliche Darstellungsformen. Und der Mensch ist keine Maschine, auch keine Computermaschine.

Was das bedeutet? Zum Beispiel:
1. Man kann seine Zeit besser einschätzen, wenn man Ihre wesentlichen Wurzeln kennt. Grund genug, sich mit der Kybernetik und Ihren Nachfolgern, der Systemtheorie, der Systemik, dem Konstruktivismus u.a. zu beschäftigen.

2. Die Stärken des Menschen liegen nicht darin, schneller zu sein als Computer und ihre Netzwerke. Niemand kann die Masse der Informationen im Netz verarbeiten. Niemand kann 24h kommunizieren. Das kann nur die Technik. Im Sinne Peter Glasers müssen wir das einfach nicht mehr (siehe das Beispiel mit Kraftwerk).

3. Die Grundprinzipien unserer Zeit sind Kommunikation, Information, Komplexität, Systeme und Dynamik. Wir haben die linearen, analogen Zeiten längst verlassen. Sie kommen auch nicht wieder zurück. Darauf sollten sich alle Unternehmen grundlegend einstellen.

4. Wirtschaft ist so interdisziplinär wie die Wissenschaft vor 50 Jahren. Das bedeutet auch eine andere Kultur in den Unternehmen.

5. Informationstechnologie durchdringt alle Produktbereiche. Sie ist die wesentliche Triebkraft für Innovation. Ein schönes Beispiel liefert die neue Zahnbürste von Oral.

6. Marketing & Kommunikation erleben einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Einfach deswegen, weil Kommunikation zu einem Massenphänomen geworden ist. Der Computer hat den Fernseher als Leitmedium abgelöst. Und: er funktioniert vollkommen anders.

7. Die Grenzen der Kybernetik liegen jenseits der elektronischen Welt. Dort fängt die Welt des Menschen erst an. Nehmen wir nicht alles so ernst, was die digitale Welt scheinbar möglich macht.

In was für einer Gesellschaft möchten wir leben? So fragen die Gesellschafter in ihrer Kampagne. Früher fragte man "In welcher Welt leben wir?". Das ist der Unterschied. Unsere Welt ist vor allem eine komplexe Gesellschaft und gestaltbar. Machen wir was daraus.

>> Wikipedia: Kybernetik
>> Claus Pias: Das digitale Bild gibt es nicht.
>> Neumann: Die Rechenmaschine und das Gehirn
>> Elektrischer Reporter: Peter Glaser über die Anfänge der digitalen Wirtschaft
>> Today: The top 6 tech trends of 2008 (u.a. Oral Zahnbürste)

Michael Domsalla, KMTO

3 Replies to “Eine kleine Geschichte der Welt”

  1. Die wöchentliche PR Blogger Kolumne

    Eine kleine Geschichte der Welt
    Wie ist unsere Welt gestrickt? Was sind Ihre tiefsten Triebkräfte und strukturellen Merkmale (und Grenzen)? Eine scheinbar philosophische Frage. In Wirklichkeit…

  2. Wikpedia: „Unternehmenskybernetik ist die anwendungsorientierte und integrativ angelegte, also transdisziplinäre Wissenschaftsdisziplin, die Unternehmen und Organisationen als offene, sozio-technische, ökonomische und vielfältig vernetzte Systeme betrachtet“.
    Wieder der Versuch, dass Wissenschaftler versuchen qualitative Werte messbar zu machen. In der Folge werden Berater, Politiker usw. diese scheinbaren Ergebnisse für sich selbst nutzen.
    Da diese Werte – übrigens wie jede Art von Marketing auch – äusserst subjetkiv sind, wird der Versuch scheitern. Es ist nur der Versuch etwas auf der Grundlage von „beweisen“ zu verkaufen.
    BLOGGER

  3. Ich sehe das weniger als Versuch der Messung qualitativer Werte, sondern als Modell, die Welt besser erklären zu können.

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