Denglische PR-Autisten

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Haben wir Nachsicht mit IT-Menschen, denen es schwer fällt einen englischen Fachbegriff in allgemein verständliches Deutsch zu bringen. Entweder sie kennen den deutschen Begriff nicht. Oder der deutsche Begriff klingt zu banal. Oder aber, was ich manchmal glaube, sie haben weder auf englisch noch auf deutsch verstanden, um was es geht.
Dieser Tage kam ein wunderbares Beispiel von einer PR-Agentur aus München an, das gleichermaßen die Gedankenlosigkeit und die Minderwertigkeitskomplexe einer Branche zeigt, die in ihrer bedeutungsschwangeren Wortwahl der oft gescholtenen Werbebranche weit voraus ist.

Die Überschrift der Pressemeldung erinnert an Science Fiction: "Das Beste aus zwei Welten: X kündigt E-Mail Security Appliance der neuen Generation an."
In banalem deutsch: eine neue E-Mail-Sicherheitsanwendung wird angedroht. Wieso aus zwei Welten?
Und weiter unten dann, in geballtem Ausdruck, vorsicht Deckung: "Die neue Appliance XYZ basiert auf der bewährten Architektur und Policy Engine der Software ZZZ und ermöglicht so die selbe Funktionalität, Flexibilität und Performance bei gleichzeitiger Skalierbarkeit von kleinen bis zu größten Unternehmensinstallationen."
Und dann kommt der Knaller der Appliance (der Schreiber muss sich richtig in das Wort verknallt haben):
"Die Appliance der neuen Generation verknüpft dabei die Vorteile beider Ansätze: Die Sicherheit und einfache Administrierbarkeit einer Appliance mit der Flexibilität und Funktionalität einer Softwarelösung. Zusätzlich erlaubt es die Array-Architektur dem Administrator, eine große Anzahl auch über mehrere
Standorte verteilte Appliances von nur einem Punkt aus zu managen."
Zwischendrin gibt es noch die Denglisch-Kombination "Sicherheitsappliance", bevor unberittlich das Finale naht:
"Die XYZ arbeitet auf Basis eines gehärteten Betriebssystems und ist E-Mail Processing optimiert, wobei Load Balancing bereits „out of the box“ unterstützt …"

Gehärteter Stahl, das verstehe ich, aber "gehärtestes Betriebssystem"?
Da wünscht man sich in Frankreich zu sein, wo der ganze Unsinn zumindest in der Landessprache dargestellt werden muss und sich dabei selbst entlarvt.
Bei solch einem Text kann man eigentlich nur fragen: Dummheit, Ignoranz, Wichtigtuerei oder Gedankenlosigkeit. Klar ist, mit Respekt vor dem Empfänger hat diese PR wenig zu tun.

Roland Keller

10 Replies to “Denglische PR-Autisten”

  1. Dass Sie diesen Artikel nicht verstanden haben, hat mit vielem zu tun – aber nicht mit dem „Denglisch“. Appliance ist zwar englischen Urpsungs, aber als Fachwort mittlerweile Teil der Deutschen Sprache (so wie Computer). Man könnte es nennen, wie man will, wir würden es nicht verstehen. Den Beweis finden Sie hier: http://www.heise.de/open/artikel/86438
    Sie haben recht: Ihnen diese Pressemitteilung zu schicken ist respektlos. Aber das hat nichts mit dem englisch-stämmigen Wort zu tun. Juristische Fachsprache versteht man ja auch nicht – obwohl kaum Fremdworte vorkommen.
    Gruß, Christian

  2. Zusatz:
    Ein gehärtetes Betriesbsystem mag nicht die beste Übersetzung für „Os hardening“ sein, ist aber inzwischen in Securitykreisen ein üblicher Begriff. Ich stimme hier dem Vor-kommentator zu – das sind in der Branche (ups, ein Fremdwort) übliche Begriffe, wie auch Server, OS, Client, Security (anstatt Sicherheit) etc.
    Nur am Rande – ich keine kein deutsches Wort für Appliance.
    Wie ist das eigentlich in der PR (publike relationen?)? Gibt es da nicht auch den Lead, long tail und all das (bin echt kein Spezialist in dem Gebiet)? Ist ein PR-Blogger aus der Welt der Corporate Communications (so die Headline des Blogs) nicht genug damit beschäftigt den Splitter aus dem eigenem Auge zu ziehen?

  3. Einerseits hat Christian Recht: es gibt viele Begriffe in der IT-Welt, die schon deshalb nicht übersetzbar sind, weil jeder in der IT sie benutzt. Würde man sie auf deutsch schreiben, werden die Begriffe entweder unscharf (weil sie dann nicht mehr exakt das gleiche bedeuten wie der englische Begriff), unverständlich für die Zielgruppe, zu umfangreich (weil es keinen vergleichbar knappen Begriff im Deutschen gibt und man ihn stattdessen umschreiben oder gar erfinden müsste), in Suchmaschinen nicht auffindbar (weil jeder normale Mensch den in der Branche gebräuchlichen englischen Begriff suchen würde) oder falsch.
    Andererseits ist die angeführte Pressemitteilung natürlich schon eine Zumutung, wenn auch nicht hauptsächlich wegen des benutzten „Denglisch“: das ist nur sichtbarer Ausdruck des eigentlichen Problems. Ich glaube eher, dass dieser PR-Mensch offensichtlich den Gegenstand seiner Nachricht selbst nicht verstanden hat. Die meisten PRler bekommen von den internen Fachexperten (Produktmanager, Vorstände usw.) ein detailliertes Briefing über das Produkt. Die Experten verstehen nicht, was nötig ist, um gute PR zu machen – die PRler wiederum verstehen oft nicht, worüber sie da überhaupt schreiben. Und da sie es nicht verstehen, können sie auch nicht unfallfrei das Vokabular ihrer Fachexperten wenigstens dann in normales Deutsch kleiden, wenn es möglich wäre (mal ganz abgesehen, dass die Experten und Marketingleute sich dann beschweren, weil man den tollen englischen Begriff nicht verwendet hat)!
    Und wenn ich „Appliance“ vielleicht schwer übersetzbar ist, so ist die Kombination mit einem deutschen Begriff (ebenso wie die Flektion englischer Begriffe nach deutschen Regeln) ein „No go“ 🙂 Das Wort ist nämlich sicher nicht „Teil der deutschen Sprache“, sondern nur Teil einer Fachsprache. Manchmal sind die rein englischen Begriffe nämlich sogar besser: „Security Appliance“.
    Nötig wäre, dass entweder die Fachexperten schreiben lernen um selbst die PR zu machen oder die PRler zu Experten werden, die das Geschäft ihres Arbeit- oder Auftraggebers fachlich wirklich durchschauen.
    Gruß
    Peter Sprenger

  4. „Nötig wäre, dass entweder die Fachexperten schreiben lernen um selbst die PR zu machen oder die PRler zu Experten werden, die das Geschäft ihres Arbeit- oder Auftraggebers fachlich wirklich durchschauen.“
    Nein, Herr Sprenger, es reicht, wenn der PRler richtig schreiben lernt, so wie beispielsweise im Journalismus.
    Journalisten haben oft die Aufgabe, Expertensprache allgemeinverständlich zu übersetzen. Dabei ist es egal, ob es sich um Juristen, Ökonomen, IT-Leute, Mediziner oder Techniker handelt. Niemals kann der Journalist Experte in all diesen Sparten werden, aber er oder sie muss ein Meister im Übersetzen der Fachsprachen sein.
    Ebenso müsste ein PR-Schreiber fähig sein, Fach-Kauderwelsch mediengerecht aufzubereiten. Und selbstbewusst genug, um den Text vor allen Angriffen bezüglich Ausdeutschung zu verteidigen. Auch das lernt man im Journalismus. Kaum ein Experte autorisiert nämlich seine ausgedeutschten Zitate, ohne dass man ihm die Änderungen selbstbewusst und nachvollziehbar erklärt.
    Wenn jetzt, wie Sie vorschlagen, die Experten selbst schreiben, entsteht ein unverständlicher Kauderwelsch-Text, keine Medienmitteilung. Und wenn der PRler selber Experte wird, ebenso.
    Deshalb: Ich schliesse mich voll und ganz Roland Keller an. Eine solche Medienmitteilung ist eine Zumutung und wird sehr wahrscheinlich von den meisten Redaktionsschaffenden gelöscht. Wer es verpasst, sinnvoll, verständlich und lesernah zu schreiben, schadet in erster Linie sich selbst. Wer es auch noch verpasst, Kritik dazu anzunehmen, dem ist wirklich nicht zu helfen.
    Allen anderen ein bewährter Tipp: Den PR-Text vor dem Versand zwei, drei Kollegen oder Bekannten zu lesen geben, die über keinerlei Fachwissen verfügen. Wenn die Testlesenden verstehen, worum es geht, ist der Text gelungen. Wenn nicht, dann eigenet sich der Text definitiv nicht für den Medienversand.
    Daniela A. Caviglia

  5. @ Frau Caviglia: Wie toll Journalisten schreiben, sieht man ja an der vor längerer Zeit veröffentlichten Studie, dass ein Großteil der Zuschauer die Meldungen der Tagesschau nicht versteht.( http://dwdl.de/article/news_7198,00.html).
    Fakt bei dem oben erwähnten Pressetext ist, dass er sich an ein Fachpublikum richtet. Und vermutlich hätte der Fachjournalist kein Problem damit, den Text zu verstehen. „Mediengerecht“ ist eben nicht gleich „mediengerecht“. Eine „c’t“ enthält andere Vokabeln als eine „Bäckerblume“. Der einzige Fehler, der gemacht wurde, war, den Text an Journalisten zu schicken, die eh nichts dazu bringen. Das ist ein weitverbreiteter Fehler, zugegeben. Und das wiederum schadet der PR-Branche.
    @ Herr Sprenger: Wenn „Appliance“ Teil der Fachsprache ist, ist es zwar nicht Teil der Gemeinsprache, aber schon der deutschen Sprache insgesammt. Und wenn man davon ausgeht, dass es ein deutsches Wort ist, dann darf man es auch flektieren – sonst dürfte man ja auch „flektieren“ nicht „flektieren“, sondern müsste es „beugen“. Ist schließlich Dateinisch – oder welches Wort haben wir für die ganzen Wörter lateinischen Ursprungs…

  6. Ich stelle mir eine Geschäftsführungssitzung bei einem Mittelständler vor, bei der der Veranrwortliche für die elektronische Datenverarbeitung (der heute Chief Information Officer -CIO- heißt, Mittel für eine Security Appliance anfordert. Man kann sich ausmalen wie das weiter geht – von Ignoranz auf die Anfrage, weil man nicht zugeben will, nicht zu wissen, was das ist – bis zu neugierigen Fragen, auf die wiederum Erklärungen folgen, die neue Fragen provozieren …
    Vor längerer Zeit führte ich mit dem damaligen IBM-Deutschland-Chef Erwin Staudt ein Interview, bei dem auch die isolierende Fachsprache der IT-Industrie gestreift wurde. Ich rannte bei Staudt offene Türen ein, der von katastrophalen Ausgängen von Präsentationen auf Vorstandsebene zu berichten wusste, weil keiner der Entscheider mit dem Fach-Chinesisch der IT-Leute etwas anfangen und keinen Nutzen für das Haus erkennen konnte. Zu oft wirken IT-Leute in Unternehmen wie Mitglieder eines Geheimbundes, wie Sektierer die nicht in der Lage sind darzustellen, was sie zum Wohl oder zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen. Hinzu kommt, dass bei IT-Sicherheitsthemen gerne mit Untergangsszenarien gearbeitet wird, was bei Verständnisproblemen die Diskussion abkürzen soll.
    Das Kommunikationsproblem scheint nicht überall erkannt worden zu sein. Frei nach dem Motto, dass Worte wie „Komplettlösung“ oder „kombinierte Anwendung“ nicht so schick klingen wie Appliance (ein Wort, das übrigens gleich in drei voluminösen IT-Lexika, Jahrgänge 2004 bis 2006, überhaupt nicht zu finden ist. Auch der Fremdwörter-Duden kennt es nicht – nur soviel zur Einschätzung, dass das inzwischen zum deutschen Spezial-Wortschatz gehört wie etwa die Applikation).
    Aber egal ob da ein neuer Modebegriff wie die Sau durch das IT-Dorf getrieben wird, was mich stört, ist die Gedankenlosigkeit von Berufsgruppen und Branchen in ihrer internen wie externen Kommunikation. Von einem Sprach-Imperialismus will ich gar nicht reden – schließlich saugen viele Menschen solche Begriffe begierig auf, da sie so enorm weitläufig und bedeutend klingen. Wie banal hört sich auf dem Marktplatz der Eitelkeiten (Vanity Fair in englisch) der Begriff „Komplettlösungen für die Sicherheit der Datenverarbeitung und des Datenverkehrs“ an?
    Wenn das Veredlungsenglisch allerdings aus den Mündern von Meier, Schmidt, Huber kommen, wirkt das doch etwas wie gewollt und nicht gekonnt. Um auf der Business-Bühne mit solch eindrucksvollen Begriffen richtig zu wirken, sollte man auch überlegen, ob man seine Performance (das Wort habe ich bewusst nicht auf Deutsch ausgedrückt) nicht mit einem tollen Künstlernamen unterstreicht, um die Wirkung zu stärken. Denn die tollen englischen Titel, die inzwischen schon auf Assistentenebene Visitenkarten schmücken (… und was machen Sie wirklich? … ä ä ä), scheinen sich inflationär schon verbraucht zu haben.
    Doch weg von der Ironie. Wie Fachleute unter sich reden, um sich verständlich und schnell auszutauschen, das ist ihre Sache. Wenn die Empfänger jedoch Dritte sind, das hat die katholische Kirche ja auch im letzten Jahrhundert gelernt (Gottesdienste in der Landessprache), sollte man sich so ausdrücken, dass Dritte das Thema auch verstehen und Journalisten nicht die Aufgabe zuschanzen das zu übersetzen. Alles andere wäre Arroganz und Unfähigkeit, insbesondere wenn dies auch noch von Leuten kommt, die behaupten sie seien als Öffentlichkeitsarbeiter (PR-Leute) Kommunikationsspezialisten.
    Hier ein Beispiel, wie ein Journalist das Thema elegant aufgelöst hat: „Unter dem Schlagwort Security-Appliance bieten immer mehr Hersteller fertige Sicherheitslösungen an, die out of the box das komplette Sicherheits-Management übernehmen.“ Der Kollege von Internet Professional hat seine Hausaufgaben gemacht.
    „Ohne gutes Deutsch werden Sie nie eine Fremdsprache richtig lernen“, nervte einer meiner Fremdsprachen-Lehrer, der uns immer wieder den Reichtum der deutschen Sprache pries.
    Damals hätte ich nicht gedacht, dass bei vielen Zeitgenossen der deutsche Wortschatz bald geringer als ihr englischer ist. Hinzu kommt noch die bange Frage: verstehen die Meier, Müller und Hubers überhaupt, was sie so gekonnt denglischen?
    Roland Keller

  7. Ein guter PR-Berater hätte so einen Text bestimmt nicht verschickt. Und ja, ein guter Journalist hätte auch aus so einem (für den Laien komplizierten) Thema einen guten Artikel machen können. Nur, sehen wir der Wahrheit ins Auge: In vielen deutschen PR-Betrieben und auch Redaktionen sitzen Leute, die nicht schreiben können. Sie haben hier und da ein wenig studiert, aber sie kennen die Branche nicht. Sie machen „was mit Medien“. Sie wissen nicht, wie eine Strategie aussieht und wie man strukturiert schreibt. Darum verdienen sie nicht viel und regen sich darüber auf. Was die Qualität der Arbeit noch weiter schmälert. Und den Chef sauer macht, der keine Fortbildung springen lässt. Ein Teufelskreis, der die ganze PR-Branche in einem schlechten Licht erscheinen lässt.

  8. Leider ist eine solche Pressemitteilung nicht die Ausnahme von der Regel, sondern charakterisiert sogar den PR-Alltag. Mit Qualität hat das wirklich wenig zu tun.
    Gute PR-Profis haben kein Problem damit, das Fachkauderwelsch in annehmbare Sprache umzuwandeln. Davon profitiert auch der Kunde, der dann seine Ideen in der Presse widerfinden sollte.
    Es ist eigentlich kein Wunder, dass bei derartigen PM’s viele Redaktionen not amused sind, sondern lieber ganz auf die Lektüre von Pressemitteilungen verzichten. Angesichts des Information Overloads in den Redaktionen kommen ohnehin nur die Botschaften durch, die eine Idee repräsentieren und diese sprachlich adäquat zu verpacken zu verstehen. Und ohne gute Press Relations geht ohnehin immer weniger…

  9. Gehärtetes Betriebssystem bei der Sicherheitsappliance

    Wie schon öfter bemerkt, ist Conosco bei weitem nicht das einzige Unternehmen, das sich mit dem Sinn und Unsinn von Anglizismen und Denglisch beschäftigt. Auch in anderen Blogs wird mehr oder weniger heftig diskutiert. Deswegen an diese…

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