Der PR-Trojaner

2 Minuten Lesedauer

Eine Replik auf Petra Sammer und Klaus Kocks – Ich muss zugeben, ich habe sowohl das Spiegel online– als auch das Zeit-Interview mit Klaus Kocks mit einem gewissen Vergnügen gelesen. Klar macht Kocks mit seinen Bekenntnissen PR für sich selbst. Er wirkt wie eine desillusionierte Edelnutte, die ihren Zynismus dank eines ambitionierten Interviewers auf eine feuilletonistische Spitze treiben darf. Mal platt, mal geschraubt über die Banden mehrerer Meta-Ebenen gespielt, oft von der eigenen Wichtigkeit berauscht. PR-Kabarett. Damit könnte man es belassen und zum Alltag übergehen – oder aus ganz anderen „Bekenntnissen“ eines wirklich großen Aufklärers (Jean-Jacque Rousseau, 1770) zitieren: „Beleidigungen sind die Argumente derer, die unrecht haben.“ Von Rousseau stammt auch der schönste PR-Satz zum Thema Menschheit: „Der Mensch ist von Natur aus gut, er liebt Gerechtigkeit und Ordnung.“

Ich denke, dass die PR-Branche einen Kocks aushalten muss. Auf den Vorwurf, dass er das Branchenbild verzerrt und kaputt macht, stellt sich die Frage, warum dieses so leicht durch einen einzigen Menschen erschüttert werden kann.

Spannend ist, was der Rent a Brain-Spezialist von sich zwischen den Zeilen erzählt. Er scheint längst überdrüssig zu sein, Kommunikations-Analphabeten Raum in den Medien zu schaffen. Glaubt er doch, dass er die bessere Story hat, die bessere Rolle spielt, der bessere Zyniker ist.Das sei ihm nach langer, gut vergoldeter Konzernfron gegönnt, in der er als Instrument des Managements wohl Situationen erlebt hat, die Szenen aus Kafka-Romanen und Dürrenmatt-Stücken (Die Physiker) harmlos erscheinen lassen.

PR, wie Petra Sammer sie versteht, wie ich aus ihrem Beitrag lese, ist hingegen viel mit Respekt vor dem Kunden, vor Produkten, Leistungen, Themen – und vor den Multiplikatoren und dem Publikum durchdrungen. Diesen Respekt, der in der realen Welt von PR und Werbung leider nicht immer anzutreffen ist, verweigert Kocks zumindest Branche und PR-Kunden, um seinem Publikum dennoch Respekt zu erweisen – er unterhält es. Neben zweifelhaften und leicht falsch zu verstehenden Aussagen wirft er aber auch Thesen in den Raum, über die man diskutieren kann. Vielleicht war das sogar von ihm beabsichtigt. Und er gibt auf die Ethik-Frage (Gutes tun? Grönland vom Eis befreien.) eine Antwort, die für mich eher die Absurdität der Frage im Kontext des Interviews unterstreicht. Natürlich ging es dem Spiegel-Kollegen auch um polarisierende Effekte. Was soll Kocks in seiner hochgespielten Kommunikationsschänder-Rolle sagen? Ich kaufe Ablassbriefe von Benedikt? Ich schicke Geld nach Afrika.

Nein, er steht dazu, dass er der Mann Between ist, der Schattenmann, ein Instrument von Managern und Apparaten, die so sind wie sie sind. Dennoch spielt er natürlich auch den Gutmenschen: Bei so viel Lug und Trug in der Welt kann ich ruhig die Wahrheit über mich und zum Schaden meiner Branche, die oft noch dümmer und schlechter ist als ich, verkünden. Desillusionierung als Wahrheit. Damit bin ich weiter und aufgeklärter, als jene Kommunikationsmenschen, die an das Gute ihrer Arbeit glauben. Kocks scheint innerlich daran zu kranken, dass er keiner ist, der die Welt verändert, sondern lediglich für Interpretationen, Kosmetik, Perspektivewechsel zuständig ist, damit die Botschaft richtig ankommt.
Diskutieren sollte man tatsächlich, ob die Erwartungen der Öffentlichkeit auf leicht erinnerbare, einfache Rollen in Wirtschaft und Politik bedient werden müssen. Wunderbar, wenn man das anders schafft und auf die authentische Qualitäten einer Person setzen kann. Angesichts der Masse der Dahergelaufenen, die sich in den Gesellschaftsspalten tummeln, scheint Persönlichkeit, Authentizität oder Wahrhaftigkeit keine Voraussetzung für öffentliche Wahrnehmung mehr zu sein. Inflation auch hier. Willkommen in unserer schönen World of Spam.

Dann doch lieber zu Homer und seinen Helden. Man muss Homer ja nicht unbedingt im altgriechischen Original lesen, deutsche Sagen á la Nibelungen tun es auch. Aber es kann nichts Schaden zu wissen, dass die alten Griechen eigentlich alle Grundmuster realer Tragödien der Menschen überliefert haben. Dennoch stolpern wir heute mehr denn je in tragische Rollen – auch wenn wir sie kennen. Selbst Kocks scheint diese Bestimmung als PR-Trojaner zu leben.

Ich stimme ihm zu, dass ein großer Teil des Publikums eine tradierte Rollenerwartung hegt, wie die Zahlen des Boulevards in Print und TV bestätigen. Allerdings – und für die unbeabsichtigten Anstoß bin ich ihm dankbar – stellt sich die Frage, ob man diese Erwartungen immer genau so erfüllen muss. Sind nicht eher Verweigerungen bestimmter Rollenmuster oder Ausbrüche aus ihnen angesagt (oft würde auch schon eine positive Handlung genügen, die für sich spricht)? Aus Respekt vor der Öffentlichkeit – und vor dem PR-Kunden. Man muss ja nicht gleich Grönland vom Eis befreien. Das erledigt sich eh in 100 Jahren von selbst.

Roland Keller

6 Replies to “Der PR-Trojaner”

  1. Man hat als PRler doch die Wahl, ob man kreativ sein möchte, um Dinge schön an den Mann und die Frau zu bringen, oder unbedingt, auf Teufel komm raus, Geld verdienen möchte und dabei die Leute bewusst an der Nase herumführt, weil man sie mit irgendwelchen Pamphleten belügt.
    Für ein Produkt zu werben ist keine Schande, und es ist ja auch nicht gelogen, wenn man primär die Vorzüge im Blick hat, andere Dinge aber eher nicht erwähnt. Inakzeptabel wird es in meinen Augen dann, wenn man „nicht-Vorhandenes“ erfindet und Tatsachen verfälscht. Beispiele, wie PRler das getan haben, gibt es wie Sand am Meer.

  2. Lieber Roland Keller, noch ein Chapeau obendrauf. Das sind viele richtige und wichtige Sätze in den Blog gemeißelt, die das Grundproblem vieler noch so ausgebuffter Berufszyniker umschreibt: Sie wären gern Gestalter und sind doch nur Verkäufer. Sie kennen alle Mechanismen und scheitern doch an der Mechanik. Sie sehen sich gern im Spiegel und wirken doch verzerrt.

  3. Die PR von Herrn Kocks ist nur auf Show aus, er vertritt eine Art von PR, die bei Journalisten nur begrenzt ankommt. Ich habe in meiner Arbeitsgemeinschaft PR Praxis in Frankfurt die Erfahrung gemacht, dass Herren wie Herr Kocks keinen großen Rückhalt bei den Kolleginnen und Kollegen haben. Wir pflegen in unserer AG PR Praxis eine andere Form der Kommunikation. Unsere kleine Gruppe von PR- und Marketingverantwortlichen aus dem Rhein-Main-Gebiet trifft sich an sechs Tagen im Jahr, an denen wir uns fortbilden und Erfahrungen austauschen. Wer interessiert ist, kann sich unter http://www.dpr-online.de/04.ger.htm informieren. Unsere nächste Sitzung ist am 1. März 2007. Wer ebenfalls eine andere PR als Herr Kocks vertritt, ist uns herzlich willkommen. Am 1. März behandeln wir das Thema Networking und Kundenbindung durch Empfehlung.
    Mit besten Grüßen aus Frankfurt
    Bärbel Döhring | DPR Döhring Public Relations
    Borsigallee 18 | 60388 Frankfurt
    T (069) 42 00 44 60 | F (069) 42 00 44 69

  4. Doc Kocks knows blogs

    Es gehrt ja in PR-Branchen-Blogs derzeit schon fast zum guten Ton, gleich zwei Artikel ber Prof. Klaus Kocks im Portfolio zu haben. Nun, dann eben aus aktuellem Anlass hier mein zweiter Beitrag zum Thema:
    Neulich morgens in der Agentur…

  5. „warum dieses so leicht durch einen einzigen Menschen erschüttert werden kann“?
    Weil Kocks mit süffisanter Arroganz ausspricht, was viele Beobachter und Opfer der PR-Branche aus Erfahrung wissen: neun von zehn PRlern lassen bei erster Gelegenheit – eventuell einem kleinen Konflikt, bei dem Standing vielleicht mal eben ein paar tausend Euro weniger auf der Monatsrechung brächte – ihre laut vorgetragenen Ansprüche Ansprüche sein und verkaufen sich. Das läuft dann gern unter dem Stichwort „Der Kunde ist König“. Viele reflektieren, was sie tun, viele weichen dem aber auch aus und handeln anders, als die Ethikregeln vorsehen, zu denen sie lauthals stehen (aber an die sie sich selten zitierfähig erinnern können). Und sehen deshalb auch den Konflikt nicht. Machen doch alle so. Ist üblich. Wenn der Kunde es wünscht.
    Und weil viele so reden, noch mehr so denken und noch mehr so handeln, hat es ein Kocks so leicht. Denn das kann er: Archetypen erkennen und in klarem Holzschnitt mit einem Gesicht versehen.
    Und was ich meine, zeigt sich schön an dem Kommentar von A. Trust (der das wahrscheinlich so gar nicht beabsichtigt hat, wie gesagt: die Differenz zwischen Denken und reflektiertem Handeln) und einem folgenden Beispiel:
    „Man hat als PRler doch die Wahl, ob man kreativ sein möchte, um Dinge schön an den Mann und die Frau zu bringen, oder unbedingt, auf Teufel komm raus, Geld verdienen möchte“
    Schon diese Wahl ist falsch. Ein PRler sollte zu allererst kommunikativ denken, dann informativ und in Verantwortung vor dem Publikum – Trust lässt stattdessen nur die Wahl zwischen „kreativer Verkäufer“ und „umsatzorientierter Verkäufer“. Letztere sind meist die besseren.
    „Für ein Produkt zu werben ist keine Schande,“ Wohl wahr. Aber es ist Aufgabe von Werbern. Aber hier geht es doch nicht um Werbung, oder? Die Diktion verrät den Standpunkt.
    „Inakzeptabel wird es in meinen Augen dann, wenn man „nicht-Vorhandenes“ erfindet und Tatsachen verfälscht.“
    Auch das gilt für Werber. Weggelassen wurde hier: Für PR-Menschen, die mit dem Wahrheitsanspruch der Medienredaktionen und damit der Verpfichtung gegenüber der Öffentlichkeit – also einer demokratischen Aufgabe – zu tun haben, gilt auch: Wenn Vorhandenes zwar nicht schön, aber fürs Publikum relevant ist, darf man auch darüber nicht schweigen. Gute PR zeichnet sich dadurch aus, dies so zu tun, dass es nicht zum Nachteil des Kunden ist. Sondern idealerweise sogar zum Vorteil.
    Vor dieser kreativen Aufgabe, die besonders die Überzeugungsarbeit beim Kunden einschließt, drücken sich nach meiner Beobachtung sehr viele, zu viele Kollegen.
    Ich habe vor wenigen Wochen einen Auftrag abgelehnt, weil mir das Produkt beim zweiten Hinsehen dubios vorkam (im Klartext: ich halte es auf meinem aktuellen Kenntnisstand für nahe am Betrug und möglicherweise schon strafrechtlich relevant), und der Kunde klärende Sachfragen dazu nur ausweichend beantwortet hat.
    Kollegen haben den Auftrag – bei gleichem Kenntnisstand – angenommen. „Wir sind doch nur Vermittler. Sollen die Journalisten und Kunden das doch selbst beurteilen. Solange der Kunde bezahlt. Das ist doch unser Job.“ Auf ihre Verantwortung als involvierte Helfer angesprochen, sehen sie sie nicht. Zur Beantwortung der offenen und kritischen Fragen – die man auch sehe – wolle man den Kunden nicht drängen, da müsse man ihm einfach glauben …
    Es sind übrigens Kollegen, die sich über Herrn Kocks stets nur kopfschüttelnd äußern …

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